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Jugendberufsagentur
Kyffhäuserkreis

24. August 2017

Dass die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen im Kyffhäuserkreis in den vergangenen acht Jahren kontinuierlich sank, ist für die „Macher“ der Ende 2010 ins Leben gerufenen Jugendberufsagentur ein erfreuliches Signal. Schnell setzten sie sich neue Ziele und holten 2014 das staatliche Schulamt mit ins Boot.

Eine Frau redet zu zwei nachdenklich wirkenden Männern.
Alle drei Monate treffen sich Verantwortliche des Jobcenters, der Agentur für Arbeit, des Jugend- und Sozialamtes und dem Nordthüringer Schulamt, um Bilanz zu ziehen und gemeinsam den weiteren Kurs der JBA festzulegen.

Von außen wirkt das Jobcenter in Sondershausen in seinem 1960er-Jahre-Stil etwas in die Jahre gekommen. Drinnen hält das aber niemanden davon ab, laufend frische Ideen und gute Arbeit abzuliefern: Neben der Jobcentergeschäftsführerin Elisabeth Katzmann hat auch der Leiter der Jugendberufsagentur Kyffhäuserkreis, Jens Hesse, in diesem Gebäude sein Büro. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Agentur für Arbeit und dem Landratsamt begannen sie im August 2010 damit, eine Jugendberufsagentur für den Landkreis aufzubauen. Dabei war zunächst viel Abstimmungsarbeit nötig. „Wir entwickelten über verschiedene Institutionen hinweg gemeinsame Prozesse, ein gemeinsames Bewusstsein und gemeinsame Ziele“, erinnert sich Katzmann. Anfang 2011 starteten die drei Partner dann auch offiziell mit einem entsprechenden Vertrag als Bündnis „Jugend & Beruf“. Die Mühen des Anfangs sollten sich bald auszahlen. Das Arbeitsbündnis etablierte sich und erreichte Stück für Stück die selbst gesetzten Ziele: eine enge Kooperation, intensive Kundenkontakte und eine ganzheitliche, vernetzte Betreuung der Jugendlichen. „Dass sich unser gutes Gefühl dann auch in der sinkenden Quote spiegelte, war eine schöne Bestätigung und bestärkte uns, genauso so weiterzumachen.“ Die Arbeitslosenquote unter den Jugendlichen in der Region hatte sich zwischen 2009 und 2012 halbiert.

Portrait von Andreas Bol. Er trägt ein rotes Hemd und eine runde Brille.
Andreas Bol, Teamleiter der Berufsberatung in der Agentur für Arbeit in Nordhausen, engagiert sich mit der JBA für einen Ausbau des Beratungsstandorts Schule.

Keinen Schritt voran kamen die drei Träger der Jugendberufsagentur hingegen lange Zeit im Hinblick auf ein weiteres Ziel. „Die Quote der Schüler ohne Hauptschulabschluss blieb in den ersten Jahren konstant“, berichtet Andreas Bol, Teamleiter der Berufsberatung in der Agentur für Arbeit Nordhausen, der die JBA seit dem Jahr 2012 mitprägt. „Mit Blick auf die Träger unserer Jugendberufsagentur war uns auch schnell klar, warum das so ist. Wie sollten wir hier präventiv etwas bewirken, wenn uns der Zugang zu den Schulen fehlt?“

Staatliches Schulamt Nordthüringen als fester Partner

Daher setzten Jobcenter, Agentur für Arbeit und Landratsamt in den Folgejahren alles daran, das Staatliche Schulamt Nordthüringen mit ins Boot zu holen. „Wir fingen an, das Amt bei verschiedenen Projekten miteinzubinden“, erinnert sich Jens Hesse, der nicht nur die Jugendberufsagentur, sondern auch das U25-Team im Jobcenter leitet. Gemeinsam entwickelten sie die Schulsozialarbeit weiter, stimmten sich ab bezüglich der Regelinstrumente wie etwa der Berufsorientierung und trafen Vereinbarungen zum Thema „Schule und Beruf“. „Zum Abschluss des Jahres 2014 gelang es uns dann endlich, das Schulamt per neuem Kooperationsvertrag offiziell als vierten Träger in unserer JBA fest zu installieren“, resümiert Elisabeth Katzmann. Der Jobcenter-Leiterin ist der Stolz und die Freude über diesen zweiten großen Erfolg deutlich anzumerken: „Das war ein großartiger Moment für uns damals. Wir dachten – jetzt haben wir es geschafft. Alle, die an den Jugendlichen dran sind, sind jetzt drin. So kann man arbeiten!“ Bis heute gilt die Jugendberufsagentur Kyffhäuserkreis aufgrund dieser Konstellation als beispielgebend für derartige Arbeitsbündnisse im ländlichen Raum.

Portrait von Elisabeth Katzmann. Sie trägt einen blonden Bob.
Um die Quote der Schulabbrecher zu reduzieren, hält Elisabeth Katzmann vom Jobcenter Kyffhäuserkreis die Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Schulamt Nordthüringen für unverzichtbar.

Man muss miteinander wollen

„Wir werden von Mitarbeitern anderer Jugendberufsagenturen oft gefragt, warum wir so erfolgreich sind“, berichtet Jens Hesse, der „seine“ Jugendberufsagentur in den vergangenen Jahren unzählige Male vorgestellt hat. In den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen anderer Einrichtungen stellt er immer wieder fest: „Schwierig ist es oft dort, wo Personen innerhalb der Jugendberufsagentur nicht gut miteinander ‚können’ – insbesondere wenn es Personen auf Leitungsebene sind.“ Gern werde sich in solchen Fällen hinter dem Datenschutz oder anderen scheinbar unüberwindbaren Hindernissen versteckt, die im Grunde keine seien, da man sich mit einem gesetzlichen Auftrag durchaus an den Schnittstellen austauschen darf. Die in Hesses Augen wichtigste Zutat für jede funktionierende Jugendberufsagentur ist es daher, „miteinander zu wollen. Dann findet man für jedes Problem auch eine Lösung.“

Portrait von Jens Hesse, der gestikulierend diskutiert.
„Man muss miteinander wollen, dann findet sich in einer JBA für jedes Problem eine Lösung“, daran glaubt Jens Hesse, der Leiter der JBA Kyffhäuserkreis.

Das System der Hilfen überblicken

Um Jugendlichen dabei zu helfen, in Ausbildung oder Arbeit zu kommen, müssen die Träger individuell und gleichzeitig vernetzt arbeiten. Eine gute Kommunikation miteinander ist daher elementar. „Ich telefoniere mehrmals wöchentlich mit Herrn Hesse, um mich mit ihm zu aktuellen Fällen auszutauschen“, beschreibt es Anne Weißleder, Mitarbeiterin des Landkreises im Jugend- und Sozialamt. „Wenn ich mal zwei Wochen nichts von ihm hören würde, wäre das für mich ein Grund, mir ernsthaft Sorgen zu machen.“ Neben vielen Telefonaten gibt es regelmäßig Fallkonferenzen. Und so fühlte sich Weißleder, obwohl sie erst seit Oktober 2016 mit in der Jugendberufsagentur arbeitet, sehr schnell integriert. „Das Miteinander ist super und als Neue wird man sehr gut in das Projekt eingeführt“, erzählt sie. Dabei hilft auch die gemeinsam von den vier Trägern erstellte Übersicht ihrer Maßnahmen – der sogenannte „Maßnahmekatalog am Übergang Schule-Ausbildung-Beruf“. Dank dieser jährlich aktualisierten Übersicht weiß jeder, welche Leistungen von den anderen Trägern erbracht werden.

Zwei Männer und zwei Frauen sitzen lächelnd an einem Tisch und diskutieren.
Erst seit Oktober 2016 mit dabei, aber dank der intensiven Zusammenarbeit innerhalb der JBA schon von Anfang an voll integriert: Anne Weißleder (r.) vom Jugend- und Sozialamt.

Kein Zerren in verschiedene Richtungen

Das Arbeitsbündnis im Kyffhäuserkreis sorgt durch eine enge Zusammenarbeit nicht nur dafür, dass jeder Jugendliche erreicht wird und keiner durch das Netz fällt. „Sondern wir verhindern auch das andere ungute Extrem – nämlich ein „Herumgezerre“ des jungen Menschen in verschiedene Richtungen, durch nicht aufeinander abgestimmte Programme“, zeigt Hesse auf.

Insgesamt zehn Mitglieder aus den Trägerinstitutionen sind derzeit aktiv in die Jugendberufsagentur eingebunden – darunter Geschäftsführende, Amtsleitungen sowie Fach- und Führungskräfte. „Mit dieser Anzahl können wir als JBA sehr gut arbeiten“, berichtet Jens Hesse. Er sieht sich selbst eher als Koordinator. Die Leitung, so seine Auffassung, verantworten alle vier gemeinsam. Und so wird es dann auch gelebt, wenn sich die Vertreter der vier Trägerinstitutionen regelmäßig zusammensetzen, um zurückzublicken, Bilanz zu ziehen, Ziele anzupassen und sich neue Ziele zu setzen. Gemeinsam haben sie auf diese Weise schon viel erreicht – zum Beispiel, dass es mittlerweile an allen Regelschulen im Kreis Schulsozialarbeit gibt. „Die dauerhafte Senkung der Jugendarbeitslosigkeit bleibt zwar unser wichtigstes Ziel. Daneben steuern wir aber weitere Ziele an“, erklärt Elisabeth Katzmann. „So wollen wir die Anzahl der Schulabbrecher reduzieren und jedem jugendlichen Geflüchteten ein Angebot machen - damit keiner auf der Straße landet.“

Logo der JBA Kyffhäuserkreis
Vier Zahnräder greifen in der JBA Kyffhäuserkreis ineinander, damit kein Jugendlicher verloren geht.

Lange Wege mit „Mobiticket“ überwinden

Die Jugendberufsagentur im Kyffhäuserkreis kämpft dabei mit ihren ganz eigenen Herausforderungen. Da wäre zum Beispiel die starke Längsausdehnung der sehr ländlich geprägten Region mit derzeit rund 77.000 Einwohnern. Mehr als 80 Kilometer trennen die östliche von der westlichen Regionsgrenze. Trotz zweier Standorte des Jobcenters und dementsprechend auch zweier U25-Teams und zweier Berufsberatungen: Die weiten Wege und das eher dürftige Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln sind für die Kundinnen und Kunden des Jobcenters genauso wie für alle anderen Menschen, die hier wohnen, immer wieder ein Problem. Wer kein Auto hat, ist auf Busse angewiesen. Damit die Empfänger von Leistungen nach dem SGB II, nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB XII und dem AsylbLG diese Busse preisgünstiger nutzen können, haben Landratsamt, Jobcenter und die drei regionalen Busunternehmen eine vertragliche Vereinbarung getroffen: Nach dieser können Berechtigte für 30 bzw. 35 Euro ein Monatsticket für den gesamten Landkreis erwerben und so leichter am öffentlichen Leben teilnehmen oder Angebote des Jobcenters wahrnehmen. Wer eine Eingliederungsmaßnahme des Jobcenters besucht, kann sich die Kosten vom Jobcenter erstatten lassen.

Sozial betreuen statt nur vermitteln

„Nur noch“ rund 200 Jugendliche unter 25 Jahren, inklusive der geflüchteten, sind derzeit im Kyffhäuserkreis arbeitslos, davon sind neun langzeitarbeitslos. Das klingt überschaubar. Aber Fakt ist auch: Diese Klientel hat viel größere und vielschichtigere familiäre und soziale Probleme als die Jugendlichen, die in den ersten Jahren der Jugendberufsagentur erfolgreich vermittelt wurden. „Unsere Integrationsfachkräfte im Jobcenter arbeiten heute anders als früher, sie haben sich den veränderten Anforderungen angepasst und sind nicht mehr nur reine Vermittlungsfachkräfte, sondern zu einem guten Teil auch Sozialbetreuer“, erklärt Elisabeth Katzmann. Die aufsuchende Arbeit wird in den U25-Teams ihrer beiden Standorte immer wichtiger.

Portrait von Anne Weißleder. Sie schaut nachdenklich in die Ferne.
Anne Weißleder (r.), Mitarbeiterin des Landkreises im Jugend- und Sozialamt, koordiniert die neun im Kreis tätigen Schulsozialarbeiter.

Eine Vision: Sozialarbeit an Grundschulen

Die Ansatzpunkte dabei sind vielfältig. Um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, wurden insbesondere Angebote in Berufsschulklassen mit hohen Abbrecherquoten geschaffen. Neben Berufsberatern werden auch Sozialarbeiter oder von der IHK vermittelte Unternehmer eingesetzt. „Jeder Jugendliche ist anders. Durch die Vielfalt unserer Berater erhöhen wir die Chance, dass jeder Jugendliche seinen geeigneten ‚Mentor’ findet – also eine Person, zu der er oder sie Vertrauen aufbaut und sich etwas sagen lassen möchte“, erklärt Andreas Bol.

Foto von Andreas Bol. Er hat kurze Haare und trägt eine runde Brille.
Andreas Bol (l.) prägt seit 2012 die Arbeit der JBA Kyffhäuserkreis mit.

Und die neuen Ideen gehen den JBA-„Machern“ noch lange nicht aus. Jens Hesse beispielsweise wünscht sich, die Schulsozialarbeit nicht nur in den Regelschulen, sondern auch schon in den Grundschulen als feste Institution zu verankern. „Jede Schule sollte ihren Schulsozialarbeiter haben, denn die sozialen Problemlagen der Familien sind sehr vielschichtig“, erklärt er. „Je eher wir da reingehen und Hilfen anbieten, desto eher gelingt es uns, da auch Früchte zu tragen im Bereich Jobcenter oder der Berufsberatung.“ Anne Weißleder wünscht sich zudem mehr Maßnahmen gegen Schulschwänzer. Vor dem Hintergrund, dass derzeit jeder vierte Beschäftigte im Kyffhäuserkreis über 55 Jahre alt ist und in den nächsten zehn Jahren in Rente geht, will sie innerhalb der Jugendberufsagentur außerdem Wege finden, um „in der Region vom Aussterben bedrohte“ Berufe wieder attraktiver zu machen – wie etwa das Handwerk oder die Pflege. Und Elisabeth Katzmann hofft, dass die Jugendberufsagentur auch bei einer möglichen Gebietsreform und damit einhergehenden neuen Partnern weiterhin so erfolgreich weitergeführt werden kann. „Aber wenn wir mit Nordhausen fusionieren“, fügt Jens Hesse an, „bin ich da ganz optimistisch.“

Es bleibt also viel zu tun im Kyffhäuserkreis. Hoffen wir, dass die Stimmung weiter so gut bleibt und zielstrebig miteinander weitergearbeitet wird.