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Perspektivwechsel ermöglichen: Die Schlichtungsstelle im Jobcenter München

15. Januar 2024

Nicht immer decken sich Wünsche und Erwartungen der Bürgergeldbeziehenden mit denen der Jobcenter. In solch einer Situation hilft eine Schlichtungsstelle. Carolin Hufnagl, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters München, und Beate Maron, Leiterin der Schlichtungsstelle, blicken mit uns auf ein Jahr Bürgergeld zurück und erzählen von ihren Erfahrungen mit der Schlichtungsstelle.

Carolin Hufnagl und Beate Maron
Quelle: Martin Hangen (Foto Carolin Hufnagl) und Maximilian Vordermeier (Foto Beate Maron)

Wie haben Sie die Einführung des Bürgergeld-Gesetzes erlebt? Gab es Herausforderungen?

Carolin Hufnagl: Die Einführung des Bürgergeld-Gesetzes war eine sehr spannende Phase. Unsere größte Sorge war die pünktliche Umsetzung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023 und dessen pünktliche Auszahlung. Dank guter Organisation hat das dann aber gut funktioniert. Wir haben die Umsetzung im Kontext einer Projektorganisation aufgesetzt und abgestimmt, weil uns das Gesetz sehr variantenreich und umfangreich erschien. Wir haben damals mit vielen Informationsveranstaltungen begonnen und Roadshows für unsere Mitarbeitenden veranstaltet, bei denen wir häufig gestellte Fragen aufgegriffen und beantwortet haben. Darüber hinaus haben wir einen FAQ Wissenstransfer aufgesetzt, um Unklarheiten zu beseitigen.

Beate Maron: Die Gesetzgebungsphase hat wirklich lange angedauert und wir saßen da mehr oder weniger auf heißen Kohlen. Aus Sicht der Arbeitsvermittlung hat uns jedoch die gute Vorbereitung seitens der Geschäftsführung sehr geholfen. Wir haben uns gut informiert und vorbereitet gefühlt.

Wie sind Sie mit den Herausforderungen umgegangen?

Carolin Hufnagl: Im Verlauf der Bürgergeld-Einführung gab es zwei zeitliche Komponenten. Zum einen den ersten Teil der Umstellung am 1. Januar 2023 und einen weiteren zum 1. Juli 2023. Eine kleine Herausforderung war der neue Kooperationsplan, welcher die Eingliederungsvereinbarung ablöste. Dieser war schon mit dem 1. Juli gültig. Die technische Umsetzung erfolgte dann erst zwei bis drei Wochen später. Eine größere Herausforderung war der Anspruch, den Leistungsbeziehenden mehr Möglichkeiten in puncto Qualifizierung und Weiterbildung zu eröffnen. Hierfür brauchen die Jobcenter natürlich eine entsprechende finanzielle Ausstattung und die hat gefehlt. Wir müssen wissen, wie viel Geld wir insgesamt zur Verfügung haben. Es gibt Instrumente, die auf zwei oder sogar drei Jahre angesetzt sind und wenn die Jobcenter nicht sicher sein können, mit welchem Budget sie rechnen können, ist es schwierig, solche Instrumente richtig einzusetzen. Auch dieses Jahr wird uns die unsichere finanzielle Ausstattung beschäftigen.

Ihr Jobcenter hat eine Schlichtungsstelle. Seit wann gibt es die Schlichtungsstelle und wo ist diese in Ihrem Haus angedockt?

Beate Maron: Unser Jobcenter hat seit dem 1. September 2023 eine Schlichtungsstelle. Hier in München gibt es die Besonderheit der 13 Liegenschaften in Form von Sozialbürgerhäusern. Unser Anspruch war es, dass wir das Schlichtungsverfahren möglichst niederschwellig anbieten. Wir habe einen Flyer entworfen, welcher die wichtigsten Fragen rund um das Thema Schlichtung beantwortet. Hier sind auch die wichtigsten Kontaktdaten zu finden, so dass die bürgergeldbeziehenden Menschen und die Arbeitsvermittlung einfach und unkompliziert mit uns in Kontakt treten können. Die Schlichtung findet in einem unserer Sozialbürgerhäuser statt. Neutrale Räumlichkeiten waren für uns eine wichtige Feinheit. Die Schlichtungsstelle wird organisatorisch von mir alleine betreut und ist angedockt am Büro der Geschäftsführung. Ich war vorher selbst in der Arbeitsvermittlung tätig und habe 2015 eine Mediationsausbildung absolviert. Nebenberuflich bin ich als Mediatorin mit dem Schwerpunkt Nachbarschaftskonflikte bei der Landeshauptstadt München ehrenamtlich tätig.

Welche Erfahrungen konnten Sie bisher mit der Schlichtungsstelle sammeln?

Beate Maron: Es hat bisher „nur“ ein Schlichtungsverfahren gegeben. Uns zeigt das, dass wir eine hohe Qualität der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in der Arbeitsvermittlung haben. Wir erleben eine sehr vertrauensvolle und respektvolle Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsvermittlung und den Menschen, die zu uns kommen. In unserem Schlichtungsfall fühlte sich die Person, die die Schlichtungsstelle eingeschaltet hat nicht ausreichend wahrgenommen. Beide Seiten steckten im Integrationsprozess fest, so dass die Einigung auf einen gemeinsamen Kooperationsplan ausblieb. Im Verfahren konnten beide Seiten ihre Perspektive erläutern und am Ende haben wir eine Vereinbarung getroffen. Wir hatten natürlich Anfragen bezüglich Weiterbildung und anderer Themen, aber dadurch, dass das Schlichtungsverfahren auf den Kooperationsplan begrenzt ist, hatten wir tatsächlich bisher nur eine einzige Schlichtung. Aus unserer Sicht bietet das Schlichtungsverfahren eine gute zusätzliche Möglichkeit für beide Parteien, den Integrationsprozess wieder in Schwung zu bringen, falls dieser einmal stocken sollte. Für beide ist das Verfahren zudem eine Chance, die Sichtweise des anderen zu verstehen und nachzuvollziehen.

Wie würden Sie die Umsetzung des Bürgergelds nach einem Jahr bewerten? Was hat gut geklappt? Woran arbeiten Sie noch?

Carolin Hufnagl: Wir hatten mehr Antragstellungen, bei denen eine Prüfung des Falles ergeben hat, dass aufgrund des wirklich sehr hohen Einkommens nie ein Anspruch auf Bürgergeld entstehen kann und auch sicher keine Bedürftigkeit vorliegt. Wir versuchen dieser Herausforderung zu begegnen, indem wir einen Bürgergeld-Rechner, also ein technisches Tool entwickeln lassen, das wir auf unserer Internetseite einbinden. In vielen Fällen stellen die Menschen ihren Antrag digital. Mit dem Tool haben sie die Möglichkeit, ihren Anspruch einmal durchrechnen zu lassen. So erfahren sie, ob überhaupt eine Chance in ihrer derzeitigen Lebenssituation besteht, einen Anspruch auf Bürgergeld zu erwirken. Das Tool koppeln wir mit einem Erklärvideo und einer Terminvereinbarung, sodass mit uns direkt ein Beratungstermin vereinbart werden kann.

Steck­brief

  • Standort: Jobcenter München
  • Organisationsform: gemeinsame Einrichtung
  • Anzahl der Beschäftigten: 1000
  • Anzahl der Bedarfsgemeinschaften: rund 39.000
  • Thema: Kooperation und Schlichtung
  • Projekt: Schlichtungsstelle

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