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Probleme bei der Wurzel packen

19. Oktober 2020

Jobcenter Essen Logo
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Mit einem Jobangebot allein ist es nicht getan. Wer ins Jobcenter Essen kommt, ist oft nicht nur arbeitslos, sondern hat auch weitere große Probleme im Leben: psychische Krankheiten, Übergewicht, Sucht, Schulden, Probleme mit Wohnung und Behörden oder Sorgen um die Kinderbetreuung. Für Sabine Kupferschmidt beginnt deshalb ihre Arbeit, lange bevor überhaupt an eine Arbeitsstelle zu denken ist.

Die Bereichsleiterin im Jobcenter Essen West schätzt für diese grundlegende Lebenshilfearbeit das niederschwellige KontaktCenter. Die Fachkräfte dort helfen bei drohender Wohnungslosigkeit und beim Ausfüllen von Anträgen und sie begleiten etwa bei Arztbesuchen. „Wir haben uns entschieden, auch diejenigen abzuholen, die einen steinigeren Weg vor sich haben und momentan nicht in der Lage sind, eine Arbeit aufzunehmen“, sagt Kupferschmidt.

Diese Form der intensiven Betreuung löst transformative Prozesse aus: „Wir haben sehr vielen Menschen die Gelegenheit gegeben, sich an ausgebildete Fachkräfte im Jobcenter und bei unseren Netzwerkpartnern zu wenden. Und viele haben es geschafft, trotz ihrer Einschränkungen etwas im Leben zu erreichen.“ Was ein Erfolg ist, hängt stark von der Ausgangslage ab. Für manche ist der Kampf gegen Schulden und Sucht ein großer Schritt – und für einige wird das KontaktCenter tatsächlich zum Sprungbrett in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Für Kupferschmidt ist dies ein Paradebeispiel für Partizipation: das Wiederankommen in der Gesellschaft und die Teilhabe am Leben. „Für mich persönlich ist es wichtig, den Menschen auf ihrem Weg zu helfen – mit dem Wunsch, dass sie uns als Jobcenter irgendwann nicht mehr brauchen.“ Wichtig dabei: Unvoreingenommenheit, ein frischer Blick, Begegnung auf Augenhöhe.

Auch Fallmanager Christoph Löbbert betont, wie wichtig es ist, auf die individuellen Bedürfnisse und Umstände zu achten. Er hält nichts davon, Menschen in Schubladen zu stecken. Löbbert weiß: Manche Schwierigkeiten haben mit einer komplexen familiären Situation oder mit fehlender Qualifikation zu tun. Manchmal liegen die Probleme tief – und die Lösungen nicht auf der Hand. Falls medizinische oder therapeutische Hilfe benötigt wird, vermittelt der Fallmanager Angebote. Er hat zugleich Verständnis, dass den Leistungsberechtigten viele Schritte Überwindung kosten: „Es ist nicht einfach, sich professionelle Hilfe zu holen und mit einer fremden Person über die eigenen Probleme zu reden.“

Löbbert fängt immer damit an, die Leistungsberechtigten nach ihren beruflichen Wünschen zu fragen. Allein diese Frage kann viele überfordern. Löbbert setzt seine Gesprächspartnerinnen und -partner nicht unter Druck, sondern lässt sie das Tempo bestimmen. „Wenn das am Anfang nicht klappt, reden wir beim nächsten Mal noch mal darüber und beim nächsten Mal noch mal“, sagt Löbbert. Es sei besser zu warten, als Menschen in Maßnahmen zu stecken, mit denen sie sich gar nicht identifizieren.

Das Prinzip Partizipation sei grundlegend, um die berufliche Zukunft der Menschen erfolgreich zu gestalten. „Es ist wichtig, den Kundinnen und Kunden zu vermitteln, dass sie ein großes Mitspracherecht haben“, betont Löbbert. Die Leistungsberechtigten bestimmen immer über Angebote und Maßnahmen mit, um sie an individuelle Lebenslagen anzupassen. Nur so könne es gelingen, Motivation auf der Seite der Leistungsberechtigten zu wecken und aufrechtzuerhalten.

Auch körperliche Gesundheit ist ein wichtiges Thema im Jobcenter Essen. Denn bei einigen Menschen steht zwar keine chronische Erkrankung, aber trotzdem ihr körperlicher Zustand einer Arbeitsaufnahme entgegen. In Kooperation mit dem Essener Sportbund, der Gesellschaft für Ernährung, Sport und Gesundheit, der Suchthilfe Direkt sowie vielen anderen Partnern aus dem Gesundheitswesen bietet das Jobcenter Gesundheits- und Präventionskurse und Coachings an.

Die Angebote des Jobcenters sind vor allem dank des Netzwerks von Partnerinstitutionen sehr breit gefächert. „Wir haben über die Jahre unsere Fühler in alle Richtungen ausgestreckt“, erzählt Kupferschmidt. Das Jobcenter ist am Essener Konsens beteiligt, einem Netzwerk aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, das verschiedene Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose schafft. „Mit unseren Netzwerkpartnern können wir alle unsere Kundinnen und Kunden erreichen und Beratungsangebote für alle Lebenslagen anbieten“, sagt Kupferschmidt stolz.

Ist die psychische und körperliche Gesundheit wieder intakt, können Leistungsberechtigte und Jobcenter einen Schritt weiter in Richtung Arbeitsleben gehen. Eine geeignete Lösung für Menschen, die länger keine Beschäftigung hatten und dadurch vom ersten Arbeitsmarkt entfernt sind, ist Gemeinwohlarbeit mit Kindern, mit älteren Menschen, in der Küche oder in der Gastronomie. Die Arbeitszeiten sind flexibel und lassen sich mit der Kinderbetreuung vereinbaren.

Was finden die Jobcenter-Mitarbeitenden an ihrem „Job“ am schönsten? Fallmanager Christoph Löbbert macht seine Arbeit am meisten Spaß, wenn Menschen ihre eigenen Ideen mitbringen. Sabine Kupferschmidt findet es toll zu sehen, wenn sich ihre Unterstützung auszahlt. So wie bei einem 35 Jahre alten Mann: Er entdeckte dank Gemeinwohlarbeit seine Leidenschaft fürs Kochen und absolvierte im Anschluss eine betriebliche Einzelumschulung zum Koch.