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Ganz nah dran

15. November 2021

Im Kreis Recklinghausen und in Münster zeigen die Jobcenter starke Präsenz vor Ort. Das bewährt sich auch in digitalen Zeiten.

Herr Bierstedt
Ralf Bierstedt rückt mit dem Jobcenter Münster in die einzelnen Stadtviertel vor.

Das Jobcenter Kreis Recklinghausen gibt es gleich 15-fach. Diese Zahl ist kein Zufall, sondern gut durchdachte Strategie. Im bevölkerungsreichsten deutschen Landkreis ist es bis zum nächsten Jobcenter-Standort nicht weit – für Bewohner*innen der Industriestadt Castrop-Rauxel ebenso wenig wie für Leistungsberechtigte aus dem idyllischen Haltern am See. „Alle Standorte in den zehn kreisangehörigen Städten liegen zentral und sind gut mit Bus und Bahn erreichbar“, sagt Geschäftsführer Dominik Schad. „Die Coronazeit hat uns sogar bewiesen, wie wichtig diese persönliche Präsenz ist.“

Dominik Schad
Dominik Schad bietet im Jobcenter Kreis Recklinghausen kurze Wege trotz großer Fläche.

Schad leitet das kommunale Jobcenter aus der Zentrale in Recklinghausen. Wer das persönliche Gespräch sucht, geht in eine der zehn Bezirksstellen vor Ort. Die Mitarbeitenden dort sind Beschäftigte der jeweiligen Stadt und daher eng verknüpft mit den weiteren Ämtern. Dazu gibt es ein Rehapro-Haus, das medizinische Angebote und berufliche Orientierung verknüpft, sowie drei Jobakademien. An den Akademiestandorten betreut das Jobcenter-Personal jährlich 3.500 Teilnehmende besonders intensiv. „Wer Leistungen beantragt und noch nah am Arbeitsmarkt ist, bekommt schnellstmöglich einen Termin“, sagt Schad. „Wir ergreifen Sofortmaßnahmen, um Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden.“ Bis zu drei Tage pro Woche kommen Menschen in die Akademie, teils zu Einzelcoachings.

„Bei aller Digitalisierung ist uns noch einmal klar geworden, wie wichtig das Beratungsgeschäft vor Ort ist“, berichtet Schad. Aktuelle Befragungen von Mitarbeitenden und auch Kund*innen ergeben, dass persönliche Vor-Ort-Betreuung gewünscht und effektiv ist. „Unsere Arbeitsvermittler*innen sagen: Wir brauchen die Leistungsempfänger*innen zum persönlichen Gespräch am Tisch. Auch die Leistungssachbearbeitenden meinen: Beim ersten Antrag müssen wir die Kunden vor uns haben und kennenlernen.“

Ähnlich persönlich und individuell geht es auch in Münster zu. Das kommunale Jobcenter der Stadt betreut zwar kein so großes Gebiet wie in Recklinghausen, aber ebenfalls ein heterogenes. So ist zum Beispiel die Quote der Leistungsempfänger*innen in den nördlichen Stadtbezirken höher als in den südlichen. Das Jobcenter reagierte darauf ab 2017 mit einer „sozialräumlichen Aufstellung“. Es ist radikal dezentral: Sieben Nebenstellen kümmern sich um die Leistungsberechtigten, je nach Stadtbezirk. Jede Nebenstelle hat eigene Bereiche für Vermittlung und Leistung und auch einen eigenen Eingangsbereich. „Die Kund*innen kennen ihre Mitarbeiter*innen vor Ort beinahe so, wie sie auch die Verkäuferin oder den Verkäufer ihrer Bäckerei um die Ecke kennen“, sagt Geschäftsführer Ralf Bierstedt.

Die kleinteilige Organisation bietet nicht nur mehr Nähe zu Leistungsberechtigten, sondern auch zu lokalen Akteur*innen: „Die Mitarbeitenden gehen zu Treffen von Stadtteilinitiativen, sie kennen alle Kitas im Bezirk und die ehrenamtlichen Initiativen. Sie wissen, wo Beratungscafés stattfinden, und gehen teilweise mit Sozialarbeiter*innen zur Streetwork.“ Bierstedt glaubt – etwas stärker als sein Kollege in Recklinghausen –, dass sich viele Vorgänge digitalisieren werden und dies auch sinnvoll ist. Das Jobcenter vor Ort verliere dadurch aber nicht seine Berechtigung. Trotz mehr Kontakten auf Distanz – um das Leben vor Ort zu kennen – brauche es ein Jobcenter direkt vor Ort.

Auf sgb2.info finden Sie außerdem „3 Fragen an Ralf Bierstedt“.