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Erfahrungsaustausch: Jobcenter Berlin Lichtenberg und Kreis Offenbach

19. Dezember 2023

Am 29. August besuchten Mitarbeitende des kommunalen Jobcenters Pro Arbeit – Kreis Offenbach (AöR) einen ganzen Tag lang die gemeinsame Einrichtung Berlin Lichtenberg. Im Zentrum stand der Austausch über innovative Wege, Menschen mit psychischen Erkrankungen wieder in Arbeit zu bringen. Hintergrund des Besuches war das ERASMUS+ Projekt No Limit, welches die Abteilung Pro Arbeit gemeinsam mit vier weiteren europäischen Partnerinnen und Partnern durchgeführt hat. Die Servicestelle SGB II hat den Tag begleitet.

Gruppenfoto der Teams Berlin Lichtenberg und Offenbach
Das Team der Pro Arbeit und das Aktiv-Team (Berlin Lichtenberg). Quelle: Thomas Rafalzyk

Pünktlich um neun Uhr begann der Projekttag der beiden Jobcenter. Die erste Station war das rehapro-Projekt L.IGA in Berlin Lichtenberg. In der Möllendorffstrasse herrschte freudige Stimmung, während sich alle Anwesenden um einen großen Tisch versammelten. Denn an diesem Tag stand der Austausch von Erfahrungen an erster Stelle.

Jobcenter trifft auf Soziale Arbeit im Projekt L.IGA

Martin Schultz, Peer-Berater im L.IGA-Projekt, eröffnete den Projekttag und stellte das einzigartige Konzept des interdisziplinären Coachings vor. Jobcenter meets Soziale Arbeit, brachte es Schultz auf den Punkt. Das Besondere an dem Projekt: Das Coaching erfolgt in Tandems aus Arbeitsvermittlerinnen und -vermittlern sowie Sozialarbeiterinnen und -arbeitern. Insgesamt acht Mitarbeitende coachen bei L.IGA. Zusätzlich wird in der Peer-Beratung auf eigene Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen zurückgegriffen. Dieser Ansatz schafft ein besonderes Verständnis zwischen den Beratenden und den Betroffenen.

Darüber hinaus umfasst das L.IGA-Team eine Psychologin und einen Psychologen sowie einen Facharzt für Psychiatrie. Das Team konzentriert sich darauf, die Lebenssituation der Betroffenen zu verbessern und ihnen das nötige Vertrauen in ihre Fähigkeiten zurückzugeben. Die Ziele werden gemeinsam mit den Klientinnen und Klienten abgesteckt, erklärte Tobias Krüger, Coach bei L.IGA. Erfolg wird dabei individuell gemessen. Dazu gehören vermeintlich kleine Schritte, wie zu Terminen zu erscheinen, aber auch große Meilensteine, wie feste Strukturen im Alltag zu etablieren.

Ein zentraler Aspekt des Projekts ist, dass es keine Kooperationspläne gibt – alles geschieht auf freiwilliger Basis, aber dennoch verbindlich. Das Vertrauen zwischen den Klientinnen und Klienten und den Coaches steht im Mittelpunkt. Vertrauen ist keine Einbahnstraße, betonte Doreen Barth, Coachin im Projekt L.IGA. Bevor die Klientinnen und Klienten Schritt für Schritt in den Arbeitsmarkt integriert werden, muss ihre persönliche Situation stabil sein. Mit der Hilfe in allen Lebenslagen zeigt L.IGA den Klientinnen und Klienten, dass das Jobcenter ein Partner ist, der sie unterstützt.

Informeller Austausch und Pizza: Ein Erfolgsrezept

Nach zweieinhalb Stunden des intensiven Austausches ging es zur nächsten Station: das Jobcenter Berlin Lichtenberg. Während des zehnminütigen Fußwegs zum Jobcenter reflektierte das Team aus Offenbach angeregt über die bisherigen Eindrücke. Am Jobcenter Berlin Lichtenberg angekommen, war es an der Zeit für eine verdiente Mittagspause. In den Sozialräumen des Jobcenters erwartete uns Lutz Neumann, Geschäftsführer vom Jobcenter Berlin Lichtenberg, mit dampfender Pizza. In geselliger Runde erfuhren wir viel über den Bezirk und die Arbeit des Jobcenters: Mit 308.286 Einwohnerinnen und Einwohnern (Stand: 31.12.2022) liegt Lichtenberg im Mittelfeld der zwölf Berliner Bezirke. Es ist ein vielfältiger Bezirk mit einem Migrationsanteil von 22,6 Prozent, weshalb die Themen Flucht und Asyl für das Jobcenter eine wichtige Rolle spielen. Insgesamt betreut das Jobcenter über 26.000 Leistungsbeziehende.

Der fachliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen hat einen hohen Stellenwert beim Jobcenter Berlin Lichtenberg. Wir tauschen uns oft aus, erzählte Neumann, nicht nur intern, sondern auch mit unseren vielfältigen Netzwerkpartnerinnen und Netzwerkpartnern. Wir sind zudem auf Fachkongressen vertreten. Es ist sehr wichtig, voneinander zu lernen. Gerade bei der Eingliederung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sei es eine der größten Herausforderungen, diese zu erreichen. Die große Stärke von Projekten wie L.IGA ist die ganzheitliche Zusammenarbeit. Die Menschen werden nicht aus dem Blick verloren und durch eine intensive Betreuung und die vielfältigen Gruppenangebote wird eine passgenaue Unterstützung möglich, sagte Neumann.

Vertrauen als Schlüssel für eine gute Beratung

Nach einer informativen Mittagspause und weiteren Gesprächen führte uns das Programm des Projekttags weiter zum Aktiv-Team, dessen Räumlichkeiten in einer Außenstelle des Jobcenters Berlin Lichtenberg liegen. Das Aktiv-Team begleitet Langzeitarbeitslose, unter anderem auch mit psychischen Einschränkungen und Schwerbehinderungen. Wir berichteten bereits über die Arbeit des Aktiv-Teams. Die Mitarbeitenden des Aktiv-Teams gaben Einblicke in ihre täglichen Herausforderungen und Erfolge: Auch hier spielt Vertrauen zwischen den Leistungsbeziehenden und den Integrationsfachkräften eine Schlüsselrolle. Wir möchten für die Klientinnen und Klienten eine vertrauensvolle Beratungssituation schaffen, in der sie sich wohl fühlen, erklärte Cindy Zentsch, Leiterin des Aktiv-Teams.

Geschützte Räume für Menschen mit psychischen Erkrankungen schaffen

Als letzte Station des Tages stand das Psychosoziale Coaching auf dem Programm. Diese Zusammenarbeit zwischen dem Jobcenter Berlin Lichtenberg und dem Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) besteht bereits seit mehreren Jahren und dient als direkte Schnittstelle des Jobcenters zu psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsangeboten. Das Psychosoziale Coaching ist ein freiwilliges Angebot für die Leistungsbeziehenden und bietet einen wertvollen Expertisen-Transfer. In den Beratungsgesprächen steht die psychische Erkrankung der Leistungsbeziehenden im Vordergrund. Das Ziel ist es, einen geschützten Raum zu schaffen, in denen die psychischen Probleme der Leistungsbeziehenden fernab der Arbeitsvermittlung Raum finden. Darüber hinaus kann eine passgenaue Weiterleitung in die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung im Bezirk erfolgen.

Das Projekt läuft dieses Jahr aus, die Fortsetzung im kommenden Jahr ist geplant. Von 2017 bis 2019 haben insgesamt 1.057 Menschen am psychosozialen Coaching teilgenommen und die Beratungsgespräche oder Überleitung in Behandlung in Anspruch genommen.

Netzwerke für eine gute Praxis

Ein langer Tag mit vielen Eindrücken und Erkenntnissen neigte sich dem Ende zu. Stefan Renner, Jobcoach der Pro Arbeit, zog ein Fazit: Ich fand es sehr aufschlussreich, sich mit den Kolleginnen und Kollegen aus den hiesigen Projekten auszutauschen. Ich halte die zusätzlichen Angebote für Menschen mit besonderen Bedarfen grundsätzlich für sehr, sehr wichtig. Vieles, was gut läuft, läuft überall gut und lässt sich auf andere Kontexte übertragen. Deshalb ist es so wichtig, sich zu vernetzen und auszutauschen.

Solch ein Austausch sollte verstetigt werden, wünschte sich Claudia Ramsay von der Pro Arbeit. Der Austausch ist auch wichtig in der Bestätigung der Arbeit. Ansonsten ist man im Jobcenter wie auf einer Insel und weiß nicht, was da draußen passiert und was die anderen machen. Es erweitert den Horizont und vereinfacht die Kommunikation untereinander.

Voneinander lernen und sich zu vernetzen ist für die Praxis der Jobcenter essenziell. Netzwerke zu schaffen und den Austausch bewährter Praktiken zu ermöglichen, können den Jobcentern helfen ihre Angebote zu verbessern. Gleichzeitig können die Menschen so ihre beruflichen und persönlichen Ziele besser erreichen.

Weitere inspirierende Beispiele für gute Praxis der Jobcenter finden Sie zudem in unserem Ideenkompass Bürgergeld und in unserem Magazin chancen.

Bildergalerie

  • Es wird eine Tasse Kaffee eingeschenkt.

    Auftakt des Projekttags

    Mit frischem Kaffee und frischen Ideen startet der Projekttag des Jobcenters Berlin Lichtenberg und der Pro Arbeit – Kreis Offenbach. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Foto des Teams der Pro Arbeit

    Freudige Stimmung

    Das Team der Pro Arbeit zu Besuch bei L.IGA. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Ein Mann spricht zu einer Gruppe.

    Austausch am Projekttag

    Es wird sich über innovative Beratungsansätze ausgetauscht. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Eine Hand schreibt etwas in ein Notizbuch.

    Ideen

    Neue Ideen werden festgehalten. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Foto von einem Hund.

    Ohren gespitzt

    L.IGA-Hund Bahar lauscht den Diskussionen. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Geschäftsführer Lutz Neumann im Portrait.

    Lutz Neumann

    Geschäftsführer Lutz Neumann erzählt über sein Jobcenter und den Bezirk Berlin Lichtenberg. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Eine Frau hält den Flyer des European Project Managements in der Hand.

    European Project Management

    Das Aktiv-Team informiert sich über die Abteilung European Project Management der Pro Arbeit. Quelle:  Thomas Rafalzyk
  • Menschen sitzen in einem Kreis zusammen und reden.

    Im Austausch

    Das Aktiv-Team und die Pro Arbeit im Austausch. Quelle: Thomas Rafalzyk
  • Lachende Menschen.

    Psychosoziales Coaching

    Zu Besuch beim psychosozialen Coaching. Quelle:  Thomas Rafalzyk

In­fo­box: No Li­mit

Das Projekt No Limit hat sich zur Aufgabe gemacht, Erwachsenen, die mit psychischen Problemen oder schweren psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, bei ihrer beruflichen Eingliederung zu helfen. Gemeinsam mit zwei italienischen, einem belgischen und einem weiteren deutschen Projektpartner stand dabei der Austausch erfolgreicher Praktiken und bewährter Ansätze im Fokus. Es soll ein gemeinsames Interventionsmodell entwickelt werden, das in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten anwendbar ist. Von Juni 2022 bis Mai 2023 wurde das Projekt durch das ERASMUS+ Programm der EU gefördert. Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite von EPM.