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Verknüpft statt verkopft 

Wie bringt Vernetzung die Digitalisierung voran? Das haben wir Nadia Arndt, Geschäftsführerin des Jobcenters Leipzig, und Robert Hoffmann, Vorstand des Kommunalen Jobcenters Kreis Groß-Gerau, gefragt.

Im Interview sprechen Nadia Arndt und Robert Hoffman über mutige Schritte und wie sie digitale Lösungen gemeinsam mit anderen Jobcentern entwickeln und umsetzen.

Welche Rolle spielt Digitalisierung in Ihrer Arbeit?

Robert Hoffmann: Unser Haus ist sehr offen für digitale Prozesse und Vernetzung in diesem Bereich. Wichtig ist meines Erachtens, dies in der Organisation und Orga­nisationskultur fest zu verankern und Raum zu geben. Wir haben hausintern einen Jour fixe „Digitale Transfor­mation“, an dem unsere Digitalisierungsbeauf­tragte und ihr Mitarbeiter, der Stabsstellenleiter der IT und die Öffent­lichkeitsarbeit beteiligt sind. Hier ta­u­schen wir uns zu aktuellen Themen, Bedarfen und zum Ent­wicklungs­stand laufender Projekte aus, seien sie intern oder in der Vernetzung mit Kooperationspartnern.

Nadia Arndt: Die Rahmenbedingungen unserer Arbeit ändern sich ständig. Die Leistungsberechtigten in Leipzig werden jünger und internationaler. Gleichzeitig sind unsere Ressourcen begrenzt. Hier ist Digitalisierung natürlich ein riesiges Thema, um den individuellen Wünschen gerecht zu werden. Die Herausforderung ist, alle Menschen mitzunehmen und digitale Zugangs­möglichkeiten niedri­gschwellig zu gestalten. Denn nicht alle Menschen haben die Mittel oder das Know-how, um digitale Wege zu nutzen.

Welche Schnittstellen gibt es in ihren Jobcentern zu externen Partnern im Rahmen von Digitalisierungsvorhaben?

Nadia Arndt: Für uns sind andere Jobcenter wichtige Netzwerkpartner, insbesondere gemeinsame ­Einrich­tungen. Es ist essenziell, dass wir gut vernetzt sind zu allen Fachthemen, die bundesweit bewegt werden. Anders als bei den kommunalen Jobcentern sind für uns auch die Agenturen für Arbeit wichtige Impuls­geber, was Digitalisierung betrifft. Als großes Jobcenter sind wir gut mit anderen gemeinsamen Einrichtungen vernetzt. Hinzu kommt der Kontakt in den sogenann­ten Vergleichstypen, also zu Jobcentern mit vergleich­baren Arbeitsmärkten. Hier stehen wir auf jeder Fachebene eng miteinander im Austausch. Aber auch der kommu­nale Träger ist ein wichtiger Akteur in der externen Vernetzung. Als kommunale Mitarbeiterin habe ich einen guten Kontakt zum Referat Digitali­sierung der Stadt Leipzig. Das sind wichtige Partner­schaften.

Robert Hoffmann: Von zentraler Bedeutung ist unser strategisches Netzwerk der kommunalen Jobcenter in Hessen, die Arbeitsgemeinschaft Digitalisierung. Sie schafft Räume, um sich gemeinschaftlich über die digitale Strategie auszutauschen und neue Vorhaben jobcenterübergreifend anzustoßen. Eine weitere sehr bedeutsame Schnittstelle für uns als kommunales Jobcenter ist die K4K, in der alle 16 kommunalen Jobcenter in Hessen vertreten sind. Dabei handelt es sich um eine Genossenschaft, die daran arbeitet, Digitalisierung in der Verwaltung voranzubringen. Gemeinsam erarbeiten wir digitale Strategien, die dann auch andere Einrichtungen nutzen können. Aktuell planen wir, ein Bürgerportal umzusetzen. Dafür arbeiten wir sehr eng mit den anderen kommunalen Jobcentern in Hessen zusammen. Sie sind unsere wichtigsten Kooperationspartner.

Welche Kooperationen verfolgen Sie im Moment?

Robert Hoffmann: Es gibt aktuell drei zentrale Projekte, die uns beschäftigen. In einem Bürgerportal wollen wir wichtige Funktionen zusammenführen, etwa die Online-Terminierung sowie den verschlüsselten Mailverkehr und die Dokumenten-Up- und Downloads. Die Leis­tungs­be­rechtigten können sich dort einmal anmelden und haben dann alle Funktionen zur Verfügung. Zudem arbeiten wir an einer intelligenten Verarbeitung von Dokumenten mithilfe von Robotik. Das ist auch für andere Jobcenter spannend. Als drittes Projekt entwickeln wir über die kommunale Genossenschaft K4K einen Chatbot, der die Jobcenter-Mitarbeitenden ent­lasten soll. Ab Ende des Jahres können alle Jobcenter aus der K4K das Tool nutzen und individuell anpassen. Darüber hinaus identifizieren wir gerade weitere Projekte, die für die kommunalen Häuser von Belang sein könnten. Da muss man miteinander im Gespräch bleiben und aushandeln, was gerade Priorität hat.

Nadia Arndt: Das ist in gemeinsamen Einrichtungen natürlich anders. Echte Kooperationen gibt es in unse­rem Jobcenter durch die Anbindung an die Bundes­agentur für Arbeit nicht. Zwar habe ich Kontakt zu einzelnen kommunalen Jobcentern, aber hier geht es eher um gegenseitige Updates. Auch wenn die Themen manchmal ähnlich sind, unterscheiden sich die Strukturen der Häuser sehr stark und damit auch ihr Handlungsrahmen.

Auf unserer Digitalisierungsfan-Skala stuft Nadia Arndt sich selbst recht mittig bei einer 5 ein.

Ich finde Digitalisierung wichtig, bin aber absolut kein Nerd. Ich mag es auch, wenn ich Papier vor mir liegen habe, und ich genieße jede Stunde, in der Technik keine Rolle spielt.

Wie wichtig ist der Erfahrungsaustausch mit anderen Standorten?

Nadia Arndt: Der direkte Austausch ist wichtig, um einordnen zu können: Was bewegen wir schon als Haus? Wo gibt es neue Ansätze? Das Jobcenter Leipzig nimmt hierfür beispielsweise am Vorhaben „Digitales Jobcenter“ teil. Da haben wir die Rückmeldung erhalten, dass wir als Einrichtung schon relativ weit sind, was digitale Prozesse angeht. Das wäre uns ohne den Aus­tausch gar nicht so klar gewesen. Für zukünftige Schritte ist es hilfreich zu sehen, was andere schon bewältigt haben. Da kann viel voneinander gelernt werden. Ich sehe zum Beispiel, dass wir in unserer Einrichtung mutiger ge­worden sind. Das zeigt unser Schritt, die externe E-Mail-Erreichbarkeit zu reduzieren, um die tägliche Mail-Flut auf andere Kanäle zu lenken. Diesen Schritt haben wir ge­wagt, weil andere ihn schon erfolgreich gegangen sind. Bei der Vorbereitung – organisatorisch wie kommunikativ – konnten wir voneinan­der lernen. Mein wichtigstes Learning: Es braucht Mut und Offenheit für Veränderung. Denn wer digital unterwegs sein will, muss alte Zöpfe auch mal abschneiden.

Robert Hoffmann: Für die Entwicklung komplexer Digitalisierungsvorhaben ist eine gute Vernetzung ein Schlüsselfaktor. Unser Know-how offen miteinander zu teilen, voneinander zu lernen und unsere Ressourcen ­zu bündeln, führt uns zu innovativen und effizienten Lösungen. Davon profitiert jedes kommunale Jobcenter – auch wir. Wie wichtig Vernetzung für die Digitalisierung ist, zeigt sich für uns zum Beispiel an der gemeinsamen Entwick­lung eines Chatbots. Denn um so ein Tool auf den Weg zu bringen, braucht es Strukturen, die alle Beteiligten zusammenbringen. Hier haben wir in einem intensiven, einjährigen Arbeitsprozess immer wieder ausloten müssen: Was braucht es grundlegend für alle – und wo unterscheiden sich die Bedarfe? Für so ein Projekt braucht es die Verbindlichkeit, sich regelmäßig zu treffen und kontinuierlich an den Themen weiterzuarbeiten. Gleichzeitig sind die kommunalen Jobcenter sehr indivi­duell. Hier muss die Zusammenarbeit flexibel blei­ben und agile Prozesse erlauben. Da gibt es keine Lösung von der Stange und man muss miteinander reden.

Auf unserer Digitalisierungsfan-Skala stuft sich Robert Hoffmann recht weit oben bei einer 9 ein.

Digitale Anwendungen sind enorm wichtig für unsere Arbeit. Sie eröffnen unseren Leistungsberechtigten schnelle und unkomplizierte Möglichkeiten, mit uns in ­Kontakt zu ­treten, papierlos Anträge zu stellen, Gespräche zu vereinbaren et cetera, und können die Mitarbeitenden erheblich unterstützen und entlasten. Das sind aber zugleich die Prüfkriterien, denen sich digi­tale Anwendungen schon in der Entwicklung unter­ziehen müssen, damit wir sie gutheißen. Digitalisierung ­sollte kein Selbstzweck sein.

Wie organisieren Sie die Vernetzung in ihren Jobcentern?

Nadia Arndt: Ich habe wirklich Glück, so gute und enga­gierte Mitarbeitende zu haben, denen das Thema Vernetzung sehr wichtig ist. Da braucht es von meiner persönlichen Seite gar nicht so viel Orchest­rie­rung. Wir hatten bereits vor der bundesweiten Empfeh­lung ein Digi-Kernteam, das schon viele Themen für unser Haus bewegt hat. Die Kolleginnen und Kollegen nehmen auch regelmäßig an Austauschformaten teil und treiben die Vernetzung voran.

Robert Hoffmann: Innerhalb des Hauses empfehle ich, eine digitalisierungsbeauftragte Person zu bestimmen und ausreichend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, wir machen damit gute Erfahrungen. Über den Horizont des eigenen Hauses hinaus, bleiben wir über die AG Digitali­sierung in Hessen sehr gut im Austausch. Außer­halb von Hessen ist wichtig zu schauen, wer die gleichen Anwen­dungen nutzt. Über Anwendergemein­schaften und spezielle Foren kann man mit anderen ins Gespräch kommen und sich zu Tools austauschen. Hier würde ich mir allerdings mehr Möglichkeiten wünschen, digitale Lösungen zentral einzubringen, um diese mit anderen Jobcentern auch außerhalb Hessens zu teilen. So etwas erfährt man oft durch Zufälle. Hier wünsche ich mir eine zentrale Plattform.

Wo sehen Sie die größten Hürden bei der ­Zusammenarbeit und wie könnten sie ­überwunden werden?

Robert Hoffmann: Über die hohe Individualität der Einrichtungen hatten wir schon gesprochen. Ein weiterer Punkt sind die komplexen und langwierigen Entschei­dungsprozesse, wenn viele Akteure bei einem Thema mitreden. Das nimmt manchmal viel Zeit in Anspruch. Hier ist mir aber wichtig zu betonen, dass die Vorteile der Zusammenarbeit überwiegen. Koopera­tionen sind not­wendig, um etwas Gutes auf die Beine zu stellen. Selbst wenn ein Kompromiss am Ende für eine einzelne Ein­richtung nicht perfekt ist: Es ist immer noch besser, als wenn jeder es selbst macht. Mal ganz abgesehen von den finanziellen Vorteilen.

Nadia Arndt: Herr Hoffmann hatte es eben schon gesagt: Digitalisierung ist eine Frage von Ressourcen. Wir sind ein Haus mit 850 Mitarbeitenden. Da kann ich ganz andere Mittel bereitstellen als eine kleine Ein­richtung. In jedem Fall ist es hilfreich, proaktiv nach aktu­ellen Projekten zu suchen. Wenn wir etwas Neues auf den Weg bringen, dann versuchen wir, das im Leipziger Land auch mit kleineren Häusern zu teilen. Was das Wissensmanagement angeht, sehe ich aber auch für die gemein­samen Einrichtungen noch Verbesserungspoten­zial. Beim Tag der Jobcenter berichtete ein Haus kürzlich darüber, dass es Erklärvideos zu digi­talen Kommuni­kationswegen produziert hat. Das ist natürlich für alle spannend. Hier wäre es wichtig, dass das Wissen in der gesamten Repu­blik noch einfacher gestreut wird, um Synergien zu nutzen.

Was würden Sie anderen Jobcentern raten, die sich noch stärker vernetzen wollen?

Nadia Arndt: Die Augen offen halten und mutig sein – das ist ganz wichtig, denke ich. Ich würde anderen Häusern raten, sich mit Vorreitern in Sachen Digitalisie­rung zu vernetzen, bei denen es schon gut läuft. Über das Projekt „Digitales Jobcenter“ bekommen wir immer wieder Anfragen, neue Kolleginnen und Kollegen mit aufzunehmen. Ich würde immer versuchen, mich an den Besten zu orientieren. Ich empfehle auch, Visionen zu erarbeiten, wie die Zusammenarbeit in Zukunft aussehen soll. Das ist vor allem wichtig, wenn es um die Sicherung von Fachkräften geht. Denn wir spüren schon heute, dass Bewerberinnen und Bewerber lieber digitale Postfächer statt verstaubte Papierakten bearbeiten wollen.

Robert Hoffmann: Man sollte sich zunächst die Frage stellen, welchen Stellenwert Digitalisierung im eigenen Haus generell hat. Das beginnt mit einem internen Bekenntnis der Geschäftsführung. Denn die Digitalisie­rung betrifft interne wie externe Prozesse, die in Hinblick auf unterschiedliche Zielgruppen wichtig sind. Hier gilt es, den Wunsch nach digitalen Prozessen und Vernet­zung auch in das Haus zu tragen und Stabsstellen mit entspre­chenden Ressourcen auszustatten. Wenn der Wille da ist, kann man sich Verbündete suchen und sich mit Leuchtturm-Häusern vernetzen. Insbesondere die kommunalen Jobcenter können die Digitalisierung nicht allein stemmen. Sie sind auf Zusammenschlüsse an­gewiesen und müssen Kräfte bündeln. Aber gemein­sam können wir den Stein ins Rollen bringen.

Das Vorhaben: Digitales Jobcenter

Online Anträge stellen, Dokumente sicher hochladen: In gemeinsamen Einrichtungen gibt es bereits viele digitale Lösungen für leistungsberechtigte Bürgerinnen und Bürger. Dennoch werden diese Wege noch nicht oft genug genutzt. Beim Vorhaben „Digitales Jobcenter“ erproben acht ausgewählte gemeinsame Einrichtungen Maßnahmen, um die Nutzung zu erhöhen.

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