Frau Pfefferkorn, was ist die Aufgabe von Welcome Saxony und was hat Sie persönlich dazu bewegt, die Initiative zu gründen?
Sylvia Pfefferkorn Ich war früher als Unternehmerin tätig und hatte eine eigene Werbeagentur. Als Reaktion auf die rassistischen Ausschreitungen in Sachsen habe ich mich 2016 mit einigen Unternehmerinnen und Unternehmer zusammengeschlossen. Wir wollten zeigen, dass es ein weltoffenes Sachsen gibt und internationale Fachkräfte für uns begeistern. Wir gründeten dann den Verein ‚Wirtschaft für ein Weltoffenes Sachsen‘. Heute sind wir ein Netzwerk von rund 160 Mitgliedern, darunter Kammern, Kliniken und andere Unternehmensverbände.
Welche Themen stehen bei Ihrer Arbeit im Mittelpunkt?
Sylvia Pfefferkorn Wir fokussieren uns auf Weltoffenheit, Demokratie, Fachkräftesicherung durch Einwanderung und den Wirtschaftsraum Europa. Sachsen ist ein starker Standort für das Ingenieurswesen. Mit Massenproduktion wird man hier langfristig nicht bestehen. Deshalb setzen wir auf Innovation und offene, internationale Märkte. Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig Europa als Wirtschaftsraum ist – gerade angesichts nationalistischer Tendenzen.
Warum ist Ihnen die Bekämpfung von Diskriminierung und die Förderung einer offenen Debattenkultur so wichtig?
Sylvia Pfefferkorn Wir argumentieren aus einer wirtschaftlichen Perspektive: Ein weltoffener Arbeitgeber ist ein moderner Arbeitgeber. Diskriminierung hemmt die Zusammenarbeit im Team und bremst Innovation. Vielfalt fördert hingegen neue Ideen und Lösungen. Außerdem wichtig: Gerade junge Menschen suchen einen Arbeitsplatz mit Sinn, und diesen finden sie eher in einem respektvollen und inklusiven Umfeld. Offene Debatten sind dabei für uns von zentraler Bedeutung. Wir wollen den Diskurs wieder an den Arbeitsplatz bringen. Denn: Debatten werden geführt, sowohl bei der Arbeit als auch im privaten Umfeld. Unsere Angebote helfen, diese Debatten konstruktiv zu gestalten und geben den Mitarbeitenden Werkzeuge an die Hand, um bei extremen oder diskriminierenden Aussagen ein klares ‚Stopp‘ zu sagen.
Warum ist Demokratiesicherung heute auch für Arbeitgebende ein Thema?
Sylvia Pfefferkorn Demokratie ist für Unternehmen entscheidend, weil ohne sie Stabilität und Planbarkeit fehlen. Früher war das Thema kaum vermittelbar. Aber inzwischen erkennen viele Unternehmen, dass eine stabile demokratische Gesellschaft die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg und eine positive Arbeitsumgebung ist. Daher bieten wir nicht nur Informationen zu Fachthemen, sondern auch Angebote zur demokratischen Bildung an – etwa zu Zivilcourage und dem Umgang mit Extremismus. Diese Themen sind heutzutage immer mehr gefragt.
Wie gelingt es, die verschiedenen Ebenen – insbesondere die Jobcenter und die Agenturen für Arbeit – zu erreichen?
Sylvia Pfefferkorn „Wir arbeiten auf vier Ebenen, die wir unsere ‚vier Teppiche‘ nennen:
- Der politische Teppich: Wir setzen uns auf Landes- und Bundesebene ein, etwa beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder dem Integrations- und Teilhabegesetz.
- Die sachliche Beratung: In unseren Fachinformationszentren unterstützen wir Unternehmen bei der Arbeitsmarktintegration, etwa bei der Anerkennung von Abschlüssen und aufenthaltsrechtlichen Fragen.
- Fortbildungen: Wir bieten unterschiedliche Formate und Weiterbildungen zur resilienten Demokratie, zu Diversity oder Integrationskonzepten an.
- Kommunikation: Wir bringen unsere Themen in den öffentlichen Diskurs, um für Weltoffenheit und für den attraktiven Arbeits- und Lebensort Sachsen zu werben.“
Können Sie den Beratungsprozess für Jobcenter skizzieren und was hat sich in den Fortbildungen besonders bewährt?
Sylvia Pfefferkorn Der Beratungsprozess ist individuell und beginnt mit einer Analyse der Ausgangssituation: Was möchte das Unternehmen? Welche Fragen bestehen? Wir erarbeiten dann Handlungsmöglichkeiten und koordinieren die relevanten Kontakte, etwa zu Behörden oder anderen Akteuren. Besonders bewährt hat sich die Schulung von Mitarbeitenden der Jobcentern. Durch unsere Fortbildungen werden sie für internationale Fachkräfte sensibilisiert. Die Offenheit der Jobcenter-Führungsebene ist oft der Schlüssel zum Erfolg, aber auch die Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion Sachsen läuft gut. Dennoch haben wir nicht die Kapazitäten, jedes Jobcenter dauerhaft zu betreuen, weshalb wir zunehmend Multiplikatorinnen und Multiplikatoren einsetzen.
Welche Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Jobcentern fließen in den Aufbau Ihres bundesweiten Netzwerks ein, und welche Rolle könnten Jobcenter darin spielen?
Sylvia Pfefferkorn Wir haben festgestellt, dass soziale Integration besser funktioniert, wenn Jobcenter aktiv auf Arbeitgeber zugehen. Diese Erfahrungen fließen in unser bundesweites Netzwerk ‚Wirtschaft für ein weltoffenes Deutschland‘ ein, dass Fachkräftesicherung und Demokratie miteinander verbindet. Jobcenter spielen eine zentrale Rolle, da sie die Schnittstelle zwischen Menschen, Arbeitsmarkt und Unternehmen darstellen. Hier besteht großes Potenzial, dass Matching von Unternehmen und Fachkräften erheblich zu verbessern. Allerdings gibt es noch Hürden, denn viele Jobcenter sehen es nicht als ihre Aufgabe, aktiv passende Fachkräfte mit den richtigen Arbeitgebenden zusammen zu bringen. Hier bemühen wir uns um ein stärkeres Engagement der Jobcenter. Denn wir wollen Integration einfacher machen. Durch Kooperation und die Entwicklung neuer Netzwerke schaffen wir eine einfachere Integration für Unternehmen und Fachkräfte.
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