Wenn Markus Israel von EMMA spricht, meint er nicht etwa eine neue Kollegin, sondern eine Software, den Enhanced Multimedia Assistant, genauer gesagt: ein RPA-System. RPA – das steht für Robotic Process Automation. Das System arbeitet im Hintergrund. EMMA sieht, liest, klickt, kopiert, überträgt Daten und lernt all das, was man „ihr“ antrainiert. „Immer dann, wenn Menschen das nicht machen müssen“, erklärt Israel, IT-Administrator in der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Jobcenter hat er EMMA zum Leben erweckt. Das Ziel: einfache, regelbasierte Prozesse automatisieren – damit mehr Zeit bleibt für das, was wirklich zählt.
Am Anfang stand viel Fleißarbeit
Die Idee für das Tool entstand nicht etwa am Reißbrett, sondern aus dem Alltag heraus. „Wir haben uns gefragt: Welche Aufgaben erfordern viel Zeit, aber nicht unbedingt viel Fachwissen?“, erklärt die Digitalisierungsbeauftragte Pia Koll. Schnell war klar: Es geht um pragmatische Entlastung, vor allem bei wiederkehrenden Routineaufgaben.
Doch bevor automatisiert werden konnte, waren erst einmal viel Fleiß und Geduld nötig: Prozesse wurden nachvollzogen und zerlegt, denn das Entwicklerteam musste die Arbeitsabläufe der Kolleginnen und Kollegen selbst erst einmal im Detail verstehen. Schritt für Schritt, Klick für Klick. „Man kann nur digitalisieren, was man selbst verstanden hat“, sagt Markus Israel. Und das bedeutet: zuhören, nachfragen, mitklicken – und vieles, was im Alltag ganz selbstverständlich abläuft, neu und analytisch betrachten.
Dabei zeigte sich, wie unterschiedlich die Abläufe selbst innerhalb desselben Fachverfahrens sein können – je nachdem, welche Klickwege sich eingeschliffen haben, wie Fenster angeordnet sind oder welche Eingabeschritte individuell als notwendig empfunden werden. „Allein das Öffnen eines Programms läuft bei jedem ein bisschen anders ab – und das muss man erst mal erfassen, strukturieren und standardisieren“, erzählt Jessica Gerhards, die im Jobcenter unter anderem als Qualitätsmanagementbeauftragte tätig ist.
Auch die Entwicklerinnen und Entwickler mussten sich als Team erst finden, denn sie alle kamen aus unterschiedlichen Abteilungen mit ganz verschiedenen Vorkenntnissen. Schulungen, interne Workshops und der ständige Austausch waren nötig, um ein gemeinsames Verständnis zu der Technologie und den Arbeitsprozessen zu entwickeln. Eine erste Umsetzung der gesammelten Erkenntnisse ließ dennoch nicht lange auf sich warten: Zunächst digitalisierte das Team den zentralen Post-versand. Eingehende Post wird nun automatisiert gesammelt, gebündelt und an den Dienstleister weitergeleitet. „Das war ein komplett neuer Prozess, den wir technisch sauber aufsetzen konnten“, so Gerhards. Dabei zeigte sich früh, worauf es ankommt: strukturierte Daten, klare Abläufe – und Geduld.
Vom Pilot zur Methode
Auf diesen Erfolg baute das Team auf. Dafür wurde eine Anforderungsanalyse entwickelt, um geeignete Prozesse systematisch anhand von Faktoren wie Häufigkeit, Automatisierungspotenzial und rechtlichen Rahmenbedingungen zu identifizieren. Im Zuge dieser Analyse zeigte sich auch, wie wichtig ein Grundverständnis moderner Technologien ist – insbesondere die Unterscheidung zwischen RPA und KI. Denn hier gab es viele Missverständnisse. „Uns war wichtig, dass alle im Haus verstehen, was EMMA kann und was nicht“, erläutert Koll.
Ergebnis der Anforderungsanalyse waren viele wertvolle Vorschläge und sogar ein Prozess, den gleich zwei Fachbereiche unabhängig voneinander eingebracht hatten. „Das war ein echter Glücksfall“, erinnert sich Gerhards, „so konnten wir mit beiden Teams gemeinsam arbeiten und einen übergreifenden Standard entwickeln.“ Bei dem Vorhaben, die Kolleginnen und Kollegen für das Thema Digitalisierung zu sensibilisieren, ging es dem Team aber nicht nur um ein technisches Verständnis. Auch die Haltung stand im Fokus. „Digitalisierung heißt für uns: mehr Zeit fürs Wesentliche“, sagt Koll.
Die Mitarbeitenden wurden deshalb gezielt eingebunden, zum Beispiel mit einer Präsentation in Form einer Systemvorstellung, die Neugier wecken und Vertrauen schaffen sollte. Mit jedem Gespräch veränderte sich etwas im Haus. So entstand eine neue Offenheit, Prozesse zu hinterfragen und diese gemeinsam zu verbessern.
Herausforderung „Prozesswissen“
Vor allem die Kleinteiligkeit vieler Prozesse forderte das Entwicklerteam heraus. „Das Tool muss jeden einzelnen Klick lernen“, erklärt Israel. Schon das Öffnen eines Programms muss exakt modelliert werden. Unterschiede im Desktop-Hintergrund oder in der Fenstergröße können zum Problem werden. Hinzu kommt: Viele Prozesse leben von implizitem Wissen. Was für eine Sachbearbeiterin selbsterklärend ist, muss für EMMA erst nachvollziehbar werden.
Deshalb setzte das Team bei der Modellierung mit EMMA auf Interviews mit den Mitarbeitenden. Hier wurden die Abläufe intensiv besprochen, hinterfragt und aufgezeichnet. Aus dem Gelernten entstanden Ablaufskizzen, die dann technisch umgesetzt wurden. „Das ist der aufwendigste Teil – aber auch der entscheidendste“, betont Gerhards. Denn erst wenn die Praxis klar ist, kann die Automatisierung greifen.
Teamarbeit mit Aha-Momenten
Bei der Entwicklung von EMMA war die Vielfalt des Entwicklerteams ein entscheidender Vorteil. Da alle Mitglieder aus unterschiedlichen Bereichen kommen – von der IT über das Qualitätsmanagement und die Rechtsabteilung bis hin zu den Fachbereichen selbst –, bringen sie verschiedene Perspektiven mit ein: technisches Know-how, juristisches Gespür und Erfahrung über Strukturen und Abläufe. Das hat für viele „Aha-Momente“ gesorgt, etwa als sich herausstellte, dass EMMA eher auf einem eigenen Server arbeiten sollte als beispielsweise auf einem Terminalserver mit Zugriff durch verschiedene Nutzende. Oder dass man bestehende Prozessmodule mehrfach verwenden kann. „Plötzlich wurde klar: Wir müssen das Rad nicht jedes Mal neu erfinden“, erzählt Israel.
Besonders stolz ist das Team auf die Dynamik, die sich inzwischen entwickelt hat. Die Mitarbeitenden denken mit, schlagen neue Prozesse vor und diskutieren offen über Umsetzungsideen. „Natürlich gab es anfangs Skepsis“, erinnert sich Israel. „Aber mittlerweile ist da viel Offenheit – und manchmal sogar Begeisterung.“
Ausblick: Noch mehr EMMA
Aktuell ist EMMA auf einem System implementiert und arbeitet dort sequenziell den erstellten Aufgabenplan ab. Zunächst konzentriert sich das Team auf die weitere Analyse interner Abläufe. „Wir ermutigen Kolleginnen und Kollegen, auch an die kleinen Aufgaben zu denken, die viel Zeit kosten“, sagt Koll. Denn gerade diese Prozesse lassen sich oft gut automatisieren – ganz oder in Teilen. Gerade nachts können automatisierte Abläufe im Hintergrund viel leisten.
Auch eine stärkere Verankerung im Regelbetrieb ist geplant: mit klaren Zuständigkeiten, Dienstanweisungen und festen Zeitfenstern für die automatisierten Abläufe. Ziel ist es, EMMA als verlässliches Werkzeug in der täglichen Arbeit zu etablieren – nicht als Ausnahme, sondern als Teil der Routine.
Und der wichtigste Rat?
„Entscheidend ist, dass Technik, Prozesswissen und die Zielrichtung zusammengedacht werden“, resümiert Israel. „Wenn EMMA uns entlastet, haben wir mehr Zeit für die Menschen. Darum geht’s.“
Für EMMA mussten sämtliche Prozesse in einzelne, nachvollziehbare Schritte zerlegt werden.
Pia Koll, Digitalisierungsbeauftragte im Jobcenter Mayen-Koblenz, macht Digitalisierung im Haus zu einer Frage von Haltung und Entlastung.
Jessica Gerhards, Qualitätsmanagementbeauftragte im Jobcenter Mayen-Koblenz, übersetzt Praxiswissen in strukturierte, automatisierbare Abläufe.
Markus Israel, IT-Administrator der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz, hat EMMA programmiert und macht digitale Routinearbeiten möglich..
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