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Beratung

Gespräch im Grünen - "Walk and Talk" im Jobcenter Dessau

Jobcenter Dessau

Monika Wagner wird nach der Coronazeit wohl an einen anderen Arbeitsplatz zurückkehren. Dafür sorgt Wagner zum Teil auch selbst – denn die Teamleiterin ist in der Krise auf neue Ideen für das Jobcenter Dessau-Roßlau gekommen. Dafür hat nicht zuletzt auch eine ganz neue Form des Gesprächs gesorgt: Die Mitarbeitenden haben ihre Dienstberatungen in den Park verlagert. Auch Jobcenter-Leiterin Ines Blaschczok geht mit ihren Teamleitungen spazieren. „Das ist eine andere Art des Umgangs und die Gedanken sind freier“, sagt Wagner zu dem Konzept „walk & talk“, das es in anderen Regionen auch mit Leistungsberechtigten gibt.

In Dessau entstehen in dieser Atmosphäre Ideen für Reformen. Wagner ist Teamleiterin der Eingangszone für Markt und Integration. Deren zentraler Bestandteil, der Kundentresen im Eingangsbereich, ist durch Corona zu einem einsamen Ort geworden. Denn viel weniger Anliegen als vorher werden dort erledigt. Wagner schließt daraus: „Vielleicht brauchen wir einen Tresen wie vorher überhaupt nicht mehr. Wie es wird, wissen wir noch nicht. Neue Lösungen entstehen aber gerade.“ Sicher scheint nur: Die Arbeit der Mitarbeitenden wird anders aussehen als zuvor.

„Viele Kundinnen und Kunden – und auch wir – sehen gerade, dass wir viele Dinge telefonisch klären können“, sagt Wagner. Vor Corona seien einige schlicht aus Gewohnheit persönlich zum Jobcenter gegangen. Mit Beginn des Lockdowns nimmt ein großer Teil des Teams der Eingangszone den Telefonhörer in die Hand. Die elf Fachassistentinnen und -assistenten und drei reguläre Telefonservicekräfte füllen Anträge gemeinsam mit den Leistungsberechtigten Stück für Stück aus. So erreicht die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter ein möglichst komplettes Papier. „Mein Team ist zufrieden und noch wichtiger: Auch die Kundinnen und Kunden sind zufrieden mit uns.“

Zur Zufriedenheit trägt jedoch auch die Kommunikation im Haus bei. Gespräche an der frischen Luft hat es auch vor der Coronazeit schon gegeben. Etabliert und bewährt hat sich walk & talk aber besonders in der Krise. Im August trommelt Wagner ihr Team persönlich zusammen. Einige Mitglieder arbeiten im Haus, andere mobil von zu Hause. Statt in die Telefonkonferenz geht das Team im August zur Dienstberatung in den nahegelegenen Georgengarten. „Wir wollten uns auch einfach mal wiedersehen“, meint Wagner.

Ein walk & talk brauche eine andere Vorbereitung als ein Treffen am Tisch. Die Teilnehmenden haben im Wesentlichen ihre Worte zur Verfügung. Auch Zettel und Stift für Notizen bieten sich an, einige machen Sprachnotizen mit ihrem Handy, aber große Präsentationen funktionieren draußen nicht. Wagner findet das nicht schlimm und meint: „Man stellt fest, dass beim Laufen noch andere Ideen entstehen.“

Einen weiteren Vorteil sieht Wagner in der generell dynamischen Situation, die bisherige Gewohnheiten und Hierarchien aufbricht: „In jedem Team gibt es unterschiedliche Charaktere und Temperamente. Manche sind still, andere schäumen über und können kaum still sitzen. Durch die Bewegung gleicht sich das aus.“ So kommen auch die Stilleren beim walk & talk öfter zu Wort.

Garantiert ins Gespräch kommen die Teilnehmenden beim walk & talk mit Geschäftsführerin Ines Blaschczok. Sie hat alle Teamleiterinnen und Teamleiter einzeln zu einstündigen Rundgängen eingeladen. Katja Dorn denkt zuerst, das sei viel zu lang. Doch die Teamleiterin für jüngere Leistungsberechtigte, die U28, findet eine Stunde am Ende beinahe zu kurz. Das Gespräch mit der Chefin sei „frei von der Leber weg“ gewesen: „Wir haben viel darüber gesprochen, was das Team bewegt. Auch unsere ganz persönlichen Sorgen in dieser Situation haben wir besprochen.“ Dorn erlebt das walk & talk als einen regelrechten Motivationsschub. Es sei angenehm zu merken, dass die Vorgesetzte sich auch um Persönliches kümmert, statt rein auf die Arbeitsergebnisse zu schauen.

„Zu Beginn ist so ein Arbeitsgespräch draußen kurz ungewohnt“, erinnert sich Wagner an ihren Spaziergang mit der Chefin, meint aber auch: „Wenn man einmal im Fluss ist, wird es schnell normal.“

Geschäftsführerin Ines Blaschczok

„Es geht um dich, um mich, um uns.“

Warum sind Sie in der Coronakrise mit Ihren Teamleitungen spazieren gegangen?

Ich habe 2016 die Geschäfte im Jobcenter Dessau-Roßlau übernommen. Seitdem haben wir gemeinsam viel im Kreis der Führungskräfte verändert. Ich lege Wert auf Kommunikation. Das bedeutet: Wir sprechen viel persönlich miteinander. Das war durch Corona-Auflagen aber nicht möglich. Da habe ich befürchtet, dass unser hart erarbeitetes, gutes Miteinander in Schieflage gerät. walk & talk war die Lösung. Wir mussten einfach dringend besprechen, wie wir miteinander arbeiten und wie wir unseren Kundinnen und Kunden gerecht werden.

Wie haben Sie die Gespräche vorbereitet?

Schnell und spontan. Ich habe meinen Teamleitungen im Jour fixe per Telefon erläutert, dass wir uns eine Stunde Auszeit vom Büroalltag nehmen. Dann habe ich allen geschrieben: „Hallo Moni, sei herzlich eingeladen (…) es bedarf keiner Vorbereitung (…) es geht um dich, um mich, um uns.“ Kurz vor dem Termin habe ich mir noch überlegt, welches Thema ich platzieren könnte, falls wir so gar nicht ins Gespräch kommen. Das habe ich bei den zehn Treffen aber nie gebraucht.

Weshalb ist es für Sie wichtig zu wissen, wie es Ihren Mitarbeitenden persönlich geht?

Weil die Mitarbeitenden unser Schatz sind. Das ist im Jobcenter genauso wie in der Privatwirtschaft. Wir wollen ja alle gemeinsam gut durch die Coronazeit kommen. Deshalb haben wir nicht nur über die Arbeit, sondern auch über Gefühle und persönliche Sorgen wie Kinderbetreuung geredet. Übrigens konnte ich so auch über mich sprechen. Das tat gut, mal zu erzählen, wie es meiner Familie geht. Es war so viel los, viele Arbeitstage waren lang – da ist es auch als Geschäftsführerin schön, Wertschätzung zu erfahren.