Herr Heyden, wie ist das café digital organisatorisch aufgebaut und welche Ziele verfolgt die Anlaufstelle?
Dirk Heyden: „Das café digital ist ein niedrigschwelliges Angebot speziell für Leistungsbeziehende des Jobcenters mit Unterstützungsbedarf im Umgang mit digitalen Medien. Die Nutzung von Internet, Smartphone oder PC ist heute in fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen unerlässlich. Für viele ist das selbstverständlich, für andere jedoch eine große Hürde. Genau hier setzt das café digital an: Wir möchten unsere Leistungsberechtigten individuell fördern und für gleiche Chancen sorgen – und damit mehr gesellschaftliche, soziale und berufliche Teilhabe ermöglichen.
Organisatorisch gliedert sich das Café in vier Bereiche: Der Lounge-Bereich bietet in der Atmospäre eines Internetcafés einen offenen Raum zur Begegnung und niederschwelligen Nutzung digitaler Angebote, unterstützt durch technische Betreuerinnen und Betreuer. Für konzentriertes Arbeiten stehen im Café-Büro moderne PC-Arbeitsplätze zur Verfügung. Das Café-Digitallabor bietet die Möglichkeit, mit verschiedenen digitalen Endgeräten wie Smartphones, Tablets oder auch VR-Brillen zu arbeiten. Und im Workshop-Raum finden unsere Schulungen und Vorträge statt.“
Welche konkreten Unterstützungsangebote stehen Leistungsbeziehenden zur Verfügung?
Dirk Heyden: „Das café digital bietet viele praktische Lernmöglichkeiten rund um digitale Themen: Von der Erstellung eines Dokuments über das Versenden von E-Mails bis hin zur sicheren Nutzung von Videoberatung oder Online-Angeboten wie jobcenter.digital. Auch Themen wie Recherche, Bewerbungsunterlagen erstellen, Online-Kommunikation oder digitale Sicherheit sind Teil des Angebots. Dazu bieten wir auch sogenannte E-Learning-Nuggets an. Das sind kurze, nach Themen selektierte Aufgaben zum Selbstlernen am PC oder Laptop. Diese können im café digital oder auch zu Hause im eigenen Lerntempo bearbeitet werden.
Die Teilnehmenden lernen außerdem den Umgang mit verschiedenen Geräten, darunter auch moderne Technologien wie 3D-Drucker oder VR-Brillen. Darüber hinaus können sie Laptops vor Ort ausleihen, um Bewerbungen zu schreiben oder Videogespräche zu führen. Wichtig ist: Das Angebot ist freiwillig. Interessierte können an bis zu zwei Probetagen einfach reinschnuppern und beispielsweise die Endgeräte im Café-Büro nutzen. Die Café-Ebene ist für alle Leistungsbeziehenden montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr frei zugänglich und bietet in dieser Zeit ohne Anmeldung Unterstützung zu digitalen Themen und Endgeräten an. Wer das umfangreiche Angebot an Workshops nutzen möchte, benötigt eine Zuweisung durch die Integrationsfachkraft.“
Wie gelingt es Ihnen, die Zielgruppe aktiv einzubinden?
Dirk Heyden: „Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist unser wertschätzender, vertrauensvoller Umgang auf Augenhöhe. Viele unserer Leistungsbeziehenden bringen Unsicherheiten im digitalen Bereich mit. Wir begegnen dem mit Verständnis, Empathie und praktischer Hilfe. Durch den offenen Empfangsbereich, die zentrale Lage und die Möglichkeit der Probetage bauen wir Berührungsängste ab. Die Teilnahme ist freiwillig und genau das sorgt für Motivation. Die persönliche Entwicklung, die viele Teilnehmende bei uns erleben, führt zu mehr Selbstvertrauen und Vertrauen in eigene digitale Fähigkeiten.“
Welche Rolle spielen externe Partner oder ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer?
Dirk Heyden: „Kooperationen sind für uns sehr wichtig. Wir arbeiten mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammen – vom Handwerk über Logistik bis hin zur IT. Die Anforderungen aus der Arbeitswelt fließen direkt in unsere Lerninhalte ein. So profitieren unsere Leistungsbeziehenden von praxisnahen Angeboten und Unternehmen erhalten potenzielle Bewerberinnen und Bewerber, die über die notwendigen digitalen Grundkompetenzen verfügen. Das ist eine echte Win-win-Situation.“
Wie evaluieren Sie die Wirkung des Angebots?
Dirk Heyden: „Die Wirkung messen wir auf mehreren Ebenen. Einerseits über das sogenannte Absolventenmanagement: Unsere Integrationsfachkräfte bewerten gemeinsam mit den Teilnehmenden den individuellen Lernerfolg. Andererseits führen wir regelmäßig Befragungen durch, mit durchweg sehr positiver Resonanz: Die Zufriedenheit der Teilnehmenden liegt aktuell bei über 94 Prozent.
Darüber hinaus sorgt der Einsatz von Maßnahmenbetreuerinnen und -betreuern für eine kontinuierliche Qualitätssicherung. Das ist uns sehr wichtig, denn nur so können wir das Angebot stetig weiterentwickeln.“
Gab es besondere Herausforderungen bei der Etablierung des Cafés – und wie wurden diese gemeistert?
Dirk Heyden: „Ja, wie bei jedem neuen Projekt mussten wir zunächst Aufmerksamkeit schaffen, intern wie extern. Das haben wir durch umfangreiche und gezielte Informationskampagnen und Veranstaltungen erreicht, teilweise direkt im café digital selbst. Heute ist das Angebot sehr erfolgreich und gut etabliert. Wir haben sogar gerade das dritte café digital in Hamburg eröffnet. Zusätzlich bieten wir jetzt eine mobile Version an, die abwechselnd in unseren Standorten vor Ort informiert und berät.“
Einladender Lounge-Bereich im café digital im Zentrum Hamburgs – moderne Einrichtung, viel Grün und gemütliche Sitzgelegenheiten schaffen eine angenehme Lern- und Aufenthaltsatmosphäre.
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Im Praxisblick erzählen wir mehr spannende Geschichten zum Thema Digitalisierung. Erfahren Sie im Interview, wie das Jobcenter Werra-Meißner Online-Anträge nutzt, um digitale Fähigkeiten von Leistungsberechtigten frühzeitig einzuschätzen und gezielt zu fördern.
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