Wie können wir Frauen stärker bei der Integration in den Arbeitsmarkt unterstützen? Schröder horcht auf, als ihr Geschäftsführer dazu aufruft, sich Gedanken zu dieser Frage zu machen. Direkt kommt ihr eine Idee: In offenen Ganztagsschulen (OGS) gibt es einen starken Personalbedarf. Der Bereich ist für Erzieherinnen und Erzieher aufgrund der Verdienstmöglichkeiten aber eher unattraktiv. Woher sie das weiß? Schröder ist als gelernte Erzieherin und studierte Sozialarbeiterin „Quereinsteigerin“ beim Jobcenter Kreis Unna und hat viele Jahre als Leitung im offenen Ganztag gearbeitet. Sie hat unter anderem den Nachmittagsbereich OGS an einer Förderschule aufgebaut. Ich wusste, dass es einen Träger hier im Kreis Unna gibt, der intern eine Weiterbildung als OGS-Fachkraft durchführt. Den habe ich kontaktiert, leider erst einmal ohne Erfolg. Das Angebot passte nicht zu den Bedarfen der arbeitssuchenden Frauen.
Doch Schröder gibt nicht auf: Ich habe versucht herauszufinden, ob das Ganze nicht eine Aufbaumaßnahme sein könnte, um eine Qualifizierung ins Leben zu rufen. Bei meiner Recherche ist mir aufgefallen, dass es im Kreis Unna keine vergleichbare Qualifizierung gibt. Dann habe ich über die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) des Jobcenters Kreis Unna den Kontakt zu einem Bildungsträger bekommen, der gesagt hat, er könnte sich vorstellen, das mit uns anzugehen.
Es folgt die Umsetzung – Schröder schreibt mit BCA und Bildungsträger am Konzept. Dabei kann sie gut ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen miteinbringen. Wie spricht man Frauen an, die aus unterschiedlichen Gründen die Voraussetzungen für eine Erzieherinnenausbildung nicht erfüllen? Schröder empfiehlt einen niederschwelligen Ansatz. Ein Jahr später haben wir den ersten Durchgang mit 18 Teilnehmenden gestartet. Es waren sogar auch zwei Männer dabei
, erzählt Schröder stolz.
Direkteinstieg in den Beruf
Der Erfolg zeigt sich schnell: Von den Teilnehmenden schaffen einige den Direkteinstieg in die offene Ganztagsschule. Seit dem Start 2020 läuft das Projekt ohne Unterbrechung weiter – mittlerweile auch in Lünen als zweitem Standort. Wir bekommen weiterhin die Rückmeldung, dass die Teilnehmenden bereits sehr früh am Anfang der Weiterbildung schon Einstellungen zugesagt bekommen
, fügt Schröder hinzu.
Was erwartet die Teilnehmenden? Die Qualifizierung läuft sechs Monate, inklusive eines Praktikums. Beginn ist um 9 Uhr, damit vorher die Frauen mit Kindern ihre eigene Kinderbetreuung sicherstellen können. Zur Halbzeit der Qualifizierung ändert sich die Arbeitszeit: von 11 bis 16 Uhr, um die Leistungsbeziehenden an den normalen Tagesablauf in einer OGS zu gewöhnen. Doch es gibt auch einige Herausforderungen: Teilnehmende, die abspringen oder kurzfristig abbrechen. Außerdem können nicht alle nach Abschluss in den Schulen im Kreis Unna arbeiten. Deswegen sind wir in die Nachbarstädte übergegangen. Die Entfernung kann für einige aber schon zum großen Problem werden
, stellt Schröder fest. Auch könnten nicht alle die Betreuung der eigenen Kinder garantieren. Doch Schröder hat bereits eine neue Lösung: Wir sind momentan in der Planung auch in die Richtung Schulbegleitung Integrationskraft zu gehen, um eine Tätigkeit für den Vormittag anbieten zu können.
Die Maßnahme werde dafür nur leicht abgeändert.
Weiterbildungsgeld als Anreiz
Ob die zweite Stufe des Bürgergeld-Gesetzes mit dem Weiterbildungsgeld zu einem Anstieg führt? Wir hoffen natürlich, dass sich mehr Menschen für eine berufliche Qualifizierung durch die finanzielle Motivation bereit erklären werden
, bestätigt Schröder. Doch das Problem sei nicht unbedingt die Motivation. Es sind die Lebensumstände
, betont sie. Die Entfernung, die eigenen Kinder. All das. Die Frauen wollen arbeiten. Aber es ist auch irgendwie logisch: Wenn Personal bei der Kinderbetreuung fehlt, stehen die Menschen, die wir integrieren möchten, vor dem gleichen Problem.
Die Lücken zu stopfen funktioniere eben nur, wenn auf beiden Seiten die Kinderbetreuung gestärkt werde. Auch Ängste seien ein großes Thema: Qualifizierung abgeschlossen und direkt in der ersten Woche ist das Kind krank? Da könne es schon eine große Hürde sein, das dem Arbeitgeber mitzuteilen.
Doch die Maßnahme hat viel Potenzial: Die Frauen sind Teil des Teams. Sie lernen viel über Kommunikation aufgrund der vielen Kontakte, was auch neues Selbstbewusstsein für weitere Qualifikationen mit sich bringt. Schröder wünscht sich, dass das Angebot eine Tür zur Qualifizierung öffnet. Einfach dieses Gespür bekommen: Es ist nie zu spät, einen neuen Weg einzuschlagen.
Ab 2026 hat jede Person, deren Kind in die erste Klasse geht, einen gesetzlichen Anspruch auf eine Nachmittagsbetreuung bis mindestens 15 Uhr. Dadurch wird der Personalbedarf noch weiter ansteigen. Das wird überall zum Thema werden
, so Schröder. Betonen möchte sie, dass das Angebot nicht nur aus der Intention entstanden sei, etwas für den freien Markt zu schaffen. Das Allerwichtigste für mich ist: Das ist ein Herzensprojekt. Etwas, was für die Zukunft wirkt.