Markus Launer mag den Blick in fremde Lebenswirklichkeiten. Der Professor der Ostfalia Hochschule hat selbst eine spannende Vita: Früher war er als Berater international unterwegs, heute forscht er im kleinen Suderburg in Niedersachsen zu digitalem Vertrauen. Dabei verfolgt er streitbare, aber durchaus spannende Thesen. Launer sagt etwa: Wir sollten von Flüchtlingen lernen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland kamen.
Für Flüchtlinge, beobachtet Launer, seien Smartphone und Internet selbstverständliche Begleiter auf ihrer beschwerlichen Reise. Genug Akku und guter Empfang genießen höchste Priorität, weil die selbstbewusste Nutzung digitaler Werkzeuge für sie ein Überlebensfaktor ist: Flüchtlinge navigieren, lernen Sprache und kommunizieren digital – nicht zuletzt erklären sich viele untereinander die deutsche Bürokratie über Chats und Sprachnachrichten.
Launer leitet daraus ab: „Vertrauen wird geschaffen durch positive Erfahrungen und Bestätigungen. Digitale Systeme müssen dem Menschen also nutzen, nicht sie überwachen.“ Beim Vertrauen in digitale Technologien, sagt Launer, habe Deutschland noch Nachholbedarf. Dies behindere auch Jobcenter und Leistungsberechtigte: „Es gibt so viele digitale Helfer und immer mehr Behördendienstleistungen online – ohne Internet verpassen manche Menschen behördliche Termine und riskieren Mahnungen.“
Die Ursache hinter geringem digitalem Vertrauen ist nicht einfach mit „typisch deutscher“ Skepsis zu erklären. Es sei auch der mangelnden Verfügbarkeit geschuldet, sagt Launer. 75 Prozent der Menschen in Deutschland haben ein höheres Vertrauen in digitale Systeme und Technologien, wenn sie unbeschränkten Zugriff aufs Internet haben, geht aus einer Befragung aus dem Jahr 2020 hervor, die Launer leitete.
In vielen Haushalten gibt es bis heute kein W-LAN, und speziell sozial Schwächere leisten sich nur ein winziges Datenvolumen. 9 Prozent der deutschen Haushalte hatten im Jahr 2019 keinen Internetzugang, meldet das Statistische Bundesamt. Je geringer das Einkommen, desto schlechter der Zugang: Bei den Haushalten mit Nettoeinkommen unter 1.500 Euro waren immerhin noch 19 % ohne Anschluss.
Wer in einem solchen Haushalt lebt, greift oft auf billige Prepaid-Tarife zurück. Anschlüsse mit unbegrenztem Datenvolumen sollten finanziert werden, wünscht sich Launer. „Natürlich können die Menschen darüber auch Spiele spielen und Serien gucken – aber sie haben eben auch Zugang zu Erklärfilmen und Onlinekursen.“
Wie gelingt mehr digitales Vertrauen ins Jobcenter? Sechs Punkte von Prof. Launer: |
Zwecke ändern: „Mitarbeitende wie auch Arbeitslose verbinden digitale Tools oft mit Überwachung. Dabei nehmen die Jobcenter Datenschutz ernst. Wie sie diesen gewährleisten, sollten sie transparent erläutern – nicht nur in AGB, die keiner liest.“ Perspektiven wechseln: „Jobcenter gestalten bürokratische Vorgänge zu häufig aus ihrer Perspektive. Dabei sollte die Perspektive der Zielgruppe im Fokus stehen – das minimiert zugleich falsche Eingaben und Nachfragen.“ Bewerbung modernisieren: „Fast alle Bewerbungsprozesse laufen heute online. Auf diese Realität müssen Arbeitsvermittler vorbereiten – und sich auch persönlich Wissen zum Beispiel über Videokonferenzen aneignen.“ Technologie nutzen: „Nur wenige Jobcenter tun, was heute schon möglich ist: etwa Erklärfilme produzieren. Auch automatisierte Bots können heute Fragen immer besser beantworten, sie sind Papierflyern und Website-Suchfunktionen überlegen.“ Einmischung praktizieren: „Jobcenter sollten auf sozialen Medien präsent sein. Online finden sich Tipps, wie man ‚nicht arbeiten muss, ohne Fragen vom Amt‘. Warum gibt es keine Motivation, wie man einen erfüllenden Job findet?“ Zuversicht leben: „Digitalisierung bedeutet nicht nur, dass Jobs wegfallen, weil Computer sie übernehmen. Mit digitaler Hilfe lassen sich auch neue Fähigkeiten schneller lernen – sofern man zulässt, dass der Computer einen dabei leitet.“ |
Prof. Dr. Markus Launer lehrt und forscht an der Ostfalia Hochschule in Suderburg. Dort widmet er sich dem „digitalen Vertrauen“. Vor seiner wissenschaftlichen Laufbahn war Launer als Manager für große Konzerne im Kapitalmarkt aktiv, etwa bei der Hoechst AG, der Philipp Holzmann AG und Merck KGaA. Heute arbeitet er neben seiner Professur auch als Berater und Geschäftsführer eines gemeinnützigen Institutes.