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Personal gewinnen und halten – Strategien aus dem Jobcenter Stadt Regensburg

Im Interview spricht Birgitt Ehrl, Geschäftsführerin im Jobcenter Stadt Regensburg, über Fachkräftesicherung in gemeinsamer Trägerschaft und warum Ausdauer sich lohnt.

Jobcenter Regensburg

Frau Ehrl, Sie leiten ein Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft. Was sind die besonderen Herausforderungen, wenn es um Personal und Führung geht?


Birgitt Ehrl: Die gemeinsame Trägerschaft bringt viele Chancen, aber auch Komplexität mit sich. Wir profitieren davon, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Kommune ihre jeweiligen Stärken einbringen. Gleichzeitig treffen unterschiedliche Systeme aufeinander: verschiedene Tarifverträge, divergente Besoldungsstrukturen, Verwaltungslogiken. Das muss man verstehen. Dafür braucht es gute Beziehungen zu beiden Trägern auf Augenhöhe und mit klarem Fokus auf gemeinsame Ziele.

Viele Jobcenter suchen händeringend Fachkräfte – besonders in der Leistung. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?

Birgitt Ehrl: Wir haben in den letzten Jahren intensiv unserem Recruiting- und Onboarding-Prozesse überarbeitet. Denn wir haben festgestellt: Es bringt nichts, wenn wir Mitarbeitende einstellen, die überfordert sind mit der Materie. Deswegen besetzen wir Stellen primär, wenn wir vom Potenzial der bewerbenden Person überzeugt sind. Qualität geht bei uns vor Schnelligkeit. Gleichzeitig investieren wir viel in die Einarbeitung: Neue Kolleginnen und Kollegen begleiten wir intensiv über mehrere Monate hinweg. Unsere Erfahrung zeigt: Wer gut eingearbeitet wird, bleibt länger und arbeitet souveräner.

Mit Erfolg: Ihr Jobcenter kann heute viele Fachassistenzstellen mit Nachwuchskräften aus der Ausbildung besetzen. Wie haben Sie das erreicht?


Birgitt Ehrl: Die Stadt Regensburg hat frühzeitig die Zahl ihrer Ausbildungsplätze erhöht. Auch mit dem Ziel, den Fachkräftebedarf in der Verwaltung zu decken. Wir haben diese Chance genutzt und viele junge Menschen übernommen. Das war am Anfang mit viel Aufwand verbunden, lohnt sich aber: Wir binden Auszubildende eng ein, geben früh Verantwortung und sorgen für gute Betreuung. Das spricht sich herum – inzwischen bewerben sich viele gezielt bei uns, weil sie positive Erfahrungen mit den Rahmenbedingungen, der Arbeitsatmosphäre und dem Zusammenhalt im Jobcenter gemacht haben.

Die Gehaltsunterschiede zwischen Beschäftigten der BA und Kommune sorgen oft für Spannungen. Wie gehen Sie damit um?


Birgitt Ehrl: Ich habe über Jahre hinweg konsequent an besseren Eingruppierungen gearbeitet. Dazu gehörten interkommunale Vergleiche, Arbeitsplatzbeschreibungen, aber vor allem sehr viele Gespräche mit dem kommunalen Träger. Das hat Zeit gekostet und Nerven, aber wir haben dadurch höhere Eingruppierungen und Arbeitsmarktzulagen erreicht. Die Schere ist noch nicht ganz geschlossen, aber deutlich kleiner geworden. Mein Fazit: Dranbleiben lohnt sich.

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht eine offene Führungskultur für die Bindung von Mitarbeitenden?

Birgitt Ehrl: Sie ist entscheidend. Unsere Teamleitungen sind nah dran an ihren Teams, erkennen Belastungen früh und reagieren flexibel auf persönliche Situationen. Außerdem ermöglichen wir Beteiligung: In vierteljährlichen Gesprächsrunden können alle Mitarbeitenden direkt mit der Geschäftsführung sprechen, Fragen stellen, Kritik äußern und Vorschläge einbringen. Diese Transparenz schafft Vertrauen. Es geht ums Zuhören, Erklären, Einordnen. Wer sich gesehen und wertgeschätzt fühlt, bleibt – gerade in Zeiten von Veränderung.

Was können andere Jobcenter von Ihrem Umgang mit Personalentwicklung lernen? Welche Empfehlung würden Sie ihnen mitgeben?

Birgitt Ehrl: Gute Personalentwicklung braucht ein starkes Führungsteam, das klar kommuniziert und an einem Strang zieht. Wir fördern Eigenverantwortung, investieren in Qualifizierung und schaffen Perspektiven. Mein Rat: Seien Sie nah an Ihren Mitarbeitenden. Und denken Sie Personal immer im Zusammenspiel beider Träger. Gemeinsam lassen sich tragfähige Lösungen finden, auch wenn wir manchmal dafür kämpfen müssen.

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften: Was müsste sich strukturell ändern, damit Jobcenter als attraktive Arbeitsorte wahrgenommen werden?



Birgitt Ehrl: „Zunächst einmal braucht es einen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung. Jobcenter leisten tagtäglich einen unverzichtbaren Beitrag zur sozialen Stabilität, indem sie Existenzen sichern und Menschen mit Unterstützungsbedarf begleiten. Dennoch wird ihre Arbeit in öffentlichen Debatten häufig pauschal kritisiert. Diese einseitige Wahrnehmung ist nicht nur ungerecht, sondern erschwert auch neue Fachkräfte zu gewinnen. Eine gesellschaftliche und politische Wertschätzung wäre ein wichtiger Schritt.

Strukturell sehe ich drei zentrale Handlungsfelder:

1. Jobcenter müssen innerhalb der Strukturen der BA auf Augenhöhe mit dem Bereich der Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III agieren können – fachlich, technisch und organisatorisch. Viele digitale Lösungen oder Fachstandards werden heute aus Sicht des SGB III entwickelt und dann auf das SGB II übertragen Das funktioniert nicht immer gut. Wir brauchen abgestimmte, aber eigenständige Lösungen, die die Komplexität des SGB II angemessen abbilden.

2. Kommunale Träger sollten Arbeitsmarktpolitik als strategische Gestaltungsaufgabe verstehen. Wer dauerhaft Personal bereitstellen oder mitfinanzieren soll, muss auch Verantwortung übernehmen – für moderne Arbeitsbedingungen, nachhaltige Personalentwicklung und lokale Lösungen. Eine stärkere Verankerung der Jobcenter in der kommunalen Arbeitsmarktpolitik wäre hier hilfreich.

3. Wir brauchen mehr Koordination zwischen Bundesagentur und Kommunen – weniger Nebeneinander, mehr Miteinander. 
Aktuell agieren beide Seiten häufig in parallelen Systemen mit eigene IT-Lösungen, Personalkonzepten und Arbeitsweisen. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, voneinander zu lernen, Prozesse zu vereinfachen oder zu vereinheitlichen – ohne gleich alles zu vereinheitlichen. Eine bessere Verzahnung würde die Arbeit effizienter machen und die Attraktivität der Jobcenter als Arbeitgeber steigern.

Und nicht zuletzt: wir müssen die tägliche Praxis entbürokratisieren mit klaren Zuständigkeiten, schlanken Prozessen und weniger Dokumentationspflichten. So bleibt mehr Zeit für das, worauf es ankommt: die Arbeit mit den Menschen."

Sie möchten mehr zum Thema Personalgewinnung erfahren?

Im Praxisblick erzählen wir mehr Geschichten, wie Mitarbeitende im Jobcenter Fuß fassen. Zwei davon sind Thalia und Elias, die dank des Bachelorstudiengangs „Soziale Sicherung & Sozialverwaltungswirtschaft“ (kurz: BASS) durchstarten.

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