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3 Fragen an Christian Sengeleitner

6. Dezember 2021

Christian Sengeleitner teilt gerne sein Wissen. Der Bereichsleiter im Jobcenter Berlin Reinickendorf war schon am Aufbau mehrerer Wiki-Systeme beteiligt.

Christian Sengeleitner
Christian Sengeleitner hat das Wissen im Jobcenter Berlin Reinickendorf neu organisiert.

Jobcenter haben viele Aufgaben und oft mehrere hundert Mitarbeitende. Zur Organisation gibt es eine Vielzahl an Regelungen und internen Anweisungen. Wie läuft das Wissensmanagement darüber hinaus? Wie geben Beschäftigte ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter und wie speichern sie Gelerntes?

Christian Sengeleitner: Klassisch lief es oft so: Jeder Mitarbeitende hatte seine eigenen Ablagen, manchmal lag die gleiche Datei parallel in drei Ordnern, und zwar in drei verschiedenen Versionen. Wissensmanagement geschah nur, wenn neue Kolleginnen und Kollegen eingearbeitet wurden. Oder wenn man nicht mehr weiterwusste – dann fragte man den Wissenden und der musste viermal die Woche dieselbe Auskunft geben. Wissen ist eng mit Hierarchie verbunden. In hierarchisch strukturierten Organisationen wurde Wissen immer von oben durchgeträufelt. Da verlässt sich der Sachbearbeiter darauf, dass die Wissenden über ihm schon sagen, was richtig ist. So eine Kultur muss aufgebrochen werden und das passiert seit einigen Jahren in den Jobcentern. Immer mehr Mitarbeitenden wird klar: Es ist gut, Wissen zu teilen.

Welche Vorteile bietet da ein digitales Wissensmanagement?

Christian Sengeleitner: Digital gespeichertes Wissen ist zum einen gesichert und zum anderen geteilt, sofern alle Kolleginnen und Kollegen Zugriff haben. Das ist bei einem Wiki-System der Fall, also einem Angebot ähnlich dem bekannten Internetlexikon. Wir haben ein Wiki in Berlin Reinickendorf und zuvor habe ich eines in Berlin Tempelhof-Schöneberg mit eingeführt. Alle Kolleginnen und Kollegen können das Wiki nutzen und sie können freiwillig Artikel schreiben. Das ist einfach – wer eine E-Mail schreiben kann, schafft auch einen Wiki-Artikel. Für unser Wiki haben wir eine Redaktion. Vier Leute schauen immer freitags bei allen neu bearbeiteten Seiten, ob die Struktur stimmt, das Layout passt und Links korrekt sind. Außerdem prüft die Redaktion bestehende Artikel einmal pro Jahr und bittet die fachlich Verantwortlichen, wenn nötig, um Aktualisierung. Wir löschen nichts, sondern packen alte Inhalte in ein Archiv. Über den Verlauf bleiben auch frühere Versionen von Artikel gespeichert.

Sie haben schon in mehreren Jobcentern die Einführung von Wiki-Systemen zum Wissensaustausch begleitet. Welche Hürden stehen auf dem Weg – und wie lassen sie sich überwinden?

Christian Sengeleitner: Die hauptsächliche Frage lautet: Trauen wir uns den großen Wurf und führen ein Wiki ein, in dem alle schreiben dürfen? Wer sich dafür entscheidet, hat meistens eine Befürchtung: dass jemand Falsches schreibt, andere dies lesen und Fehlentscheidungen treffen. Das passiert aber nicht, wenn jemand unterstützend draufschaut. Ich meine damit keinen klassischen Freigabeprozess über die Vorgesetzten. Bei uns gibt es dafür die Redaktion, die aus vier unserer 500 Mitarbeitenden besteht, ich bin einer davon. Außerdem gibt es Diskussionsseiten zu den Artikeln im Wiki. Dort können alle Nutzenden mögliche Fehler anmerken. Alle 14 Tage gibt es eine Videokonferenz für die derzeit 50 Kolleginnen und Kollegen, die aktiv schreiben. Eine der Hürden ist, fortlaufend im Jobcenter für das Wiki zu werben. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und gibt seine eigenen Ablagen ungerne auf. Bei uns verbreiten wir das „Wiki Weekly“, eine kurze Videobotschaft, in der wir Neuigkeiten präsentieren und damit für die Nutzung werben. Es braucht darüber hinaus klare Kommunikationsregeln. Alles was im Haus als Information kursiert, muss zuerst im Wiki platziert werden und nicht als E-Mail mit tausend Anhängen, die sich jeder irgendwo ablegt. Außerdem muss den Autorinnen und Autoren klar sein: Was im Wiki steht, gehört allen. Artikel sollen von anderen weiterentwickelt werden. Wiki bedeutet: Alle arbeiten gemeinsam an allen Texten. „Der Artikel ist vom Bereichsleiter, darf ich den ändern?“ Ja, natürlich darfst du! Da sind Hürden in den Köpfen zu überwinden, die über hunderte Jahre anerzogen wurden.

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So funktioniert das Jobcenter-Wiki Kiel.