1. Für wen gilt der Rechtskreiswechsel?
Das Leistungsrechtsanpassungsgesetz setzt eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages für die 21. Wahlperiode um. Dieser sieht vor, dass Geflüchtete aus der Ukraine „mit Aufenthaltsrecht nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie (2001/55/EG), die nach dem 1. April 2025 eingereist sind, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten, sofern sie bedürftig sind.
Geflüchtete, die vor dem 1. April 2025 eingereist sind, betrifft das Gesetz nicht. Sie erhalten weiterhin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), wenn sie erwerbsfähig sind, bzw. der Sozialhilfe (SGB XII), wenn sie nicht erwerbsfähig sind.
2. Warum erhalten Geflüchtete aus der Ukraine künftig keine Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII mehr?
Seit dem 1. Juni 2022 haben Menschen aus der Ukraine, die zu uns geflüchtet sind, Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), wenn sie erwerbsfähig sind, bzw. der Sozialhilfe (SGB XII), wenn sie nicht erwerbsfähig sind. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart: Geflüchtete aus der Ukraine, die ab dem 1. April 2025 einreisen, sollen wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten. Mit diesem so genannten Rechtskreiswechsel sorgen wir dafür, dass auch die Geflüchteten aus der Ukraine erforderliche Leistungen aus dem System erhalten, das grundsätzlich für alle geflüchteten Menschen nach ihrer Ankunft zunächst vorgesehen ist.
3. Ab wann gelten die neuen Regelungen?
Das Gesetz soll, vorbehaltlich des parlamentarischen Verfahrens, zum 1. Juli 2026 in Kraft treten. Der Stichtag für die neuen Regelungen ist der 1. April 2025. Das bedeutet, dass ab Inkrafttreten grundsätzlich für alle ab dem 1. April 2025 eingereisten Geflüchteten aus der Ukraine die neuen Regelungen gelten. Für Personen, die nach dem Stichtag, aber vor Inkrafttreten des Gesetzes eingereist sind, werden Übergangsregelungen gelten.
4. Wird die Umstellung für seit dem 1. April eingereiste Geflüchtete aus der Ukraine rückwirkend umgesetzt?
Die Neuregelungen sollen für diejenigen Geflüchteten aus der Ukraine gelten, die ab dem Stichtag 1. April 2025 eingereist sind. Alle nach dem Stichtag Eingereisten aus diesem Personenkreis werden in das AsylbLG übergehen.
Der Übergang erfolgt zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Für diejenigen, die nach dem Stichtag, aber vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (vsl. 1. Juli 2026) bei den Ausländerbehörden einen Aufenthaltstitel nach § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erstmals beantragt oder erhalten haben, soll der Übergang so bürokratiearm wie möglich umgesetzt werden.
Leistungen des SGB II („Grundsicherung für Arbeitsuchende“), die dieser Personengruppe aufgrund einer Fiktionsbescheinigung der Ausländerbehörden oder einem Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG bewilligt wurden, werden bis zum Auslaufen des Bescheides, längstens aber für drei Monate weitergewährt.
Leistungen nach dem SGB XII („Sozialhilfe“) werden ebenfalls bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums, längstens bis zum Ende des dritten Monats nach Inkrafttreten des Gesetzes, weiter erbracht.
Mit den Übergangsregelungen wird in beiden Rechtsgebieten sichergestellt, dass Bescheide, deren Bewilligungszeitraum zeitnah endet, in der Regel nicht sofort zum Inkrafttreten des Rechtskreiswechsels aufgehoben werden müssen. Eine rückwirkende Aufhebung von Bescheiden oder eine Rückabwicklung von Leistungen ist mit dem Gesetz nicht vorgesehen.
5. Warum gibt es die Übergangsregelungen für nach dem Stichtag eingereiste Geflüchtete aus der Ukraine?
Der Übergang in das AsylbLG für Geflüchtete aus der Ukraine, die nach dem Stichtag eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt bekommen haben, wird in zwei Schritten vorgenommen. Dadurch soll vermieden werden, dass bereits gezahlte Leistungen aufwendig und rückwirkend verrechnet werden müssen.
1) Zwischen Verkündung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten werden grundsätzlich drei Monate liegen. Die Leistungsträger können bis zum 1. Juli 2026 Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erbringen. Nach Verkündung des Gesetzes sind neue Bewilligungen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli 2026 zu gewähren.
2) Bewilligungen, die vor Verkündung des Gesetzes ausgesprochen wurden, dürfen längstens bis zu drei Monate über das Inkrafttreten am 1. Juli 2026 hinaus durch die bisherigen Leistungsträger nach dem SGB II oder SGB XII weitergezahlt werden.
Insgesamt besteht so die Gelegenheit, die Leistungsgewährung rechtssicher an den bevorstehenden Wechsel anzupassen. So bekommen die Geflüchteten Planungssicherheit und können ihre Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft angehen. Den Behörden bleiben aufwendige Verwaltungsverfahren und Mehrbelastungen erspart. Durch die schrittweise Überführung der Geflüchteten aus dem SGB II und XII in den Rechtskreis des AsylbLG ist sichergestellt, dass der Übergang geordnet läuft und es nicht zu einer Überlastung der bearbeitenden Stellen kommt.
6. Können neu einreisende Geflüchtete aus der Ukraine nach Inkrafttreten des Gesetzes Grundsicherung nach dem SGB II bzw. dem SGB XII erhalten?
Nein. Wer nach Inkrafttreten des Gesetzes einreist und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG oder eine entsprechende Fiktionsbescheinigung erhält, hat keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II bzw. nach dem SGB XII mehr. Bis dahin gelten die beschriebenen Übergangsregeln. Geflüchtete, die vor dem 1. April 2025 eingereist sind, sind von dem Gesetz nicht betroffen.
7. Was ändert sich für die Geflüchteten aus der Ukraine bei den Leistungen?
Neu ankommende Geflüchtete erhalten durch den Rechtskreiswechsel geringere Leistungen - Alleinstehende erhalten dann 441 Euro pro Monat (ab 1. Januar 2026: 455 Euro). In der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) würden alleinstehende Personen 563 Euro monatlich erhalten.
Auch nach dem Rechtskreiswechsel haben Geflüchtete aus der Ukraine mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG Anspruch auf Erstattung angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung bzw. das Ankunftszentrum verlassen haben.
8. Wie werden die Geflüchteten aus der Ukraine künftig gesundheitlich versorgt?
Das AsylbLG sieht eine Basis-Gesundheitsversorgung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Geburt vor. Mit dem Gesetz wird sichergestellt, dass unbürokratisch Behandlungen und Therapien von Geflüchteten, die noch während des Leistungsbezugs nach dem SGB II bzw. SGB XII begonnen wurden, im Einzelfall zu Ende geführt werden können.
9. Werden Geflüchtete aus der Ukraine zukünftig mit einem temporären Arbeitsverbot nach ihrer Ankunft belegt?
Nein. Geflüchtete mit Schutzstatus auf Grundlage der sog. Massenzustrom‑Richtlinie dürfen sofort arbeiten. Es gibt für Geflüchtete aus der Ukraine, so lange die sog. Massenzustromrichtlinie auf europäischer Ebene für diese gilt, kein Arbeitsverbot.
10. Was ändert sich im Bereich der Integration in den Arbeitsmarkt durch das Gesetz?
Das Ziel bleibt eine schnelle und nachhaltige Integration in Arbeit und Gesellschaft. Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Geflüchtete werden verpflichtet, sich umgehend um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen. Zeigen sie keine Eigenbemühungen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, können sie zukünftig von den Behörden nach dem AsylbLG zur Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet werden. Ist die Vermittlung in Arbeit aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht möglich, sollen die Geflüchteten vorrangig an einem Integrationskurs teilnehmen.
Diese Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gilt grundsätzlich nicht für Personen, die eine Schule besuchen, eine Ausbildung absolvieren oder bereits eine Regelaltersrente beziehen.
11. Bisher wurden aus der Ukraine Geflüchtete bei der Integration in den Arbeitsmarkt durch die Jobcenter betreut und unterstützt. Was ändert sich hier durch das Gesetz?
Da die Geflüchteten aus der Ukraine, die nach dem 1. April 2025 eingereist sind, zukünftig Leistungen nach dem AsylbLG erhalten, werden sie nicht mehr durch die Jobcenter betreut. Zukünftig stehen diesen Geflüchteten aus der Ukraine die Agenturen für Arbeit vor Ort ebenso wie weitere Arbeitsmarktakteure in der Region (z.B. Kammern, kommunale Netzwerke) zur Verfügung. Die Agenturen für Arbeit können durch individuelle Beratung und Vermittlung auf dem Weg in den Arbeitsmarkt unterstützen.
Auch stehen - soweit individuell die Fördervoraussetzungen erfüllt sind - die Instrumente der Arbeitsförderung der Agenturen für Arbeit (z. B. Förderung von Weiterbildungen oder Bewerbungstrainings) unterstützend zur Verfügung.
Eingliederungsleistungen, welche die Jobcenter vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bewilligt haben, können nach einem Wechsel in das AsylbLG fortgesetzt werden.
12. Müssen erwerbsfähige Geflüchtete sich um Arbeit bemühen?
Ja. Geflüchtete aus der Ukraine müssen sich um Arbeit bemühen. Diejenigen, die dem Rechtskreiswechsel unterfallen, sind verpflichtet, ihre Eigenbemühungen (Wahrnehmung von Beratungs-, Vermittlungs- und Vorstellungsgesprächen, aktive Jobsuche o. ä.) zur Arbeitsmarktintegration gegenüber den Behörden nach dem AsylbLG nachzuweisen. Die Bemühungen werden durch die Behörden nach dem AsylbLG in geeigneten Abständen überprüft. Geflüchtete aus der Ukraine können sich nach dem Rechtskreiswechsel bei der Agentur für Arbeit vor Ort melden. Diese unterstützen die Vermittlung, wo immer die Sprachkenntnisse dafür reichen.
13. Welchen Zugang zu Sprach- und Integrationskursen haben Geflüchtete aus der Ukraine?
Die neu eingereisten Geflüchteten haben weiterhin Zugang zu Integrations- und Berufssprachkursen. Wenn Sprachkenntnisse für eine Vermittlung in Arbeit oder in gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten erforderlich sind, sollen die Leistungsbehörden nach dem AsylbLG Geflüchtete verpflichten, an einem Integrationskurs teilzunehmen. Die Agenturen für Arbeit können neu einreisende Geflüchtete beispielweise auch dabei unterstützen, an einem berufsbegleitenden Berufssprachkurs teilzunehmen. Weitere Informationen finden Geflüchtete auf der Website des BAMF (Integrationskurse / Berufssprachkurse).
14. Erhalten prinzipiell alle aus der Ukraine eingereisten Geflüchteten nun Leistungen nach dem AsylbLG?
Nein. Ein Anspruch besteht nur bei Bedürftigkeit – vorhandenes Vermögen und Einkommen müssen angegeben und vorrangig eingesetzt werden, bevor Leistungen nach dem AsylbLG beantragt werden können.
15. Ist ein Wechsel vom AsylbLG zurück in die Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für Geflüchtete aus der Ukraine möglich?
Nein. Für diejenigen, die ab dem 1. April 2025 einreisen, erstmals einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG beantragen oder erhalten und damit unter das AsylbLG fallen, ist grundsätzlich keine Rückkehr in das SGB II vorgesehen. Andere Aufenthaltstitel und daraus ggf. entstehende Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bleiben vom Rechtskreiswechsel unberührt.
16. Was ist die „Massenzustromrichtlinie“?
Das ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001, die Regelungen für den Fall eines Massenzustroms von Vertriebenen enthält. Die Richtlinie wurde 2022 erstmals aktiviert. Hierdurch wird den Geflüchteten aus der Ukraine ohne vorheriges Asylverfahren ein Schutzstatus und damit eine Aufenthaltserlaubnis gewährt. Die Anwendung dieser Richtlinie wurde zuletzt bis März 2027 verlängert.
17. Können Geflüchtete aus der Ukraine nach dem Rechtskreiswechsel in einen langfristigen Aufenthaltstitel wechseln, um sich eine Perspektive in Deutschland zu erarbeiten?
Die Möglichkeiten zum Wechsel in einen längerfristigen Aufenthaltstitel ist als aufenthaltsrechtliche Frage unabhängig von dem Leistungssystem, welches grundsätzlich für die Geflüchteten aus der Ukraine gilt. Aus dem Titel zum vorübergehenden Schutz (§ 24 AufenthG) ist der Wechsel in bestehende Erwerbs- oder Bildungstitel möglich, wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt werden, wie beispielsweise die Sicherung des Lebensunterhalts. Erwerbs- oder Bildungstitel können zudem grundsätzlich auch parallel zum vorübergehenden Schutz erteilt werden. Wer sich erfolgreich in Arbeit und Gesellschaft integriert hat, soll die Möglichkeit bekommen, auch nach Ende der Anwendung des vorübergehenden Schutzes in Deutschland zu bleiben.