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Aus- und Weiterbildung

Orte der Möglichkeiten: die SGB II-Kompetenzzentren

Lernen, austauschen, vernetzen: In den beiden SGB II-Kompetenzzentren in Weimar und Northeim bietet die Bundesagentur für Arbeit Weiterbildungen für Mitarbeitende der Jobcenter aus ganz Deutschland an. Ein Ortsbesuch in Weimar.   

Johannes Wirth

Mit anderen Teilnehmenden am runden Tisch diskutieren – kein Problem im Weimarer SGB II-Kompetenzzentrum.

Vom historischen Turm hat man den besten Blick. Auf die Stadt Weimar mit den Gebäuden, welche die Welt durch die Werke von Goethe und Schiller kennt. Aber auch über die weitläufige Anlage der Bildungs- und Tagungsstätte Weimar, in deren Garten an diesem kalten Januartag einige Schneeflocken fallen – und hinter deren bodentiefen Fensterfronten gerade mehrere Seminargruppen für ihre Arbeit in Jobcentern in ganz Deutschland weitergebildet werden.   

Das Haus oberhalb der Weimarer Innenstadt ist eines der beiden SGB II-Kompetenzzentren. Der zweite Standort liegt im südniedersächsischen Northeim. Die Häuser sind spezialisiert auf den überregionalen fachlichen und fachübergreifenden Austausch: Fach- und Führungskräfte kommen hierher, um zu lernen und ihr Netzwerk zu vergrößern.   

Die Bildungsangebote sind nicht regional begrenzt, sondern richten sich an alle Jobcenter in Deutschland. Sie ergänzen und vertiefen das grundständige Angebot in den regionalen Bildungs- und Tagungsstätten der Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie die Inhouse-Maßnahmen vor Ort in den Jobcentern.  

Johannes Wirth

Im Weimarer Kompetenzzentrum treffen historische und moderne Gebäude aufeinander.

Seminarprofis und Fachleute aus den Jobcentern lehren oft gemeinsam

In Weimar lehren 20 hauptamtlich Dozierende, in Northeim sind es knapp 40. Sie kümmern sich um die teils weit gereisten Gäste, sind aber nicht alle exklusiv für die Kompetenzzentren tätig. Das Team führt auch regionale SGB II-Maßnahmen durch und ist für die gesamte SGB III-Qualifizierung der jeweiligen Regionaldirektionsbezirke zuständig.  

Die SGB II-Kompetenzzentren planen im Jahr 2023 rund 30 verschiedene Themen – zusätzlich zum zentralen Qualifizierungsportfolio der BA – exklusiv in Northeim und Weimar. Viele Seminare werden von jeweils zwei Dozierenden, also von Trainerinnen und Trainern aus einem Pool des hauptamtlichen Lehrpersonals und nebenamtlichen Fachleuten, geleitet. Ein weiterer Schwerpunkt der beiden Häuser ist das Angebot von Thementagen für Führungskräfte zu geschäftspolitisch relevanten Themen, zuletzt etwa zur Einführung des Teilhabestärkungsgesetzes und dem Projekt „Jobcenter Digital“.

Standort Weimar hat bewegte Vergangenheit

Johannes Wirth ist im Weimarer Kompetenzzentrum verantwortlich für das Seminarprogramm. Beim Rundgang durch das Haus erzählt er dessen bewegte Geschichte, die auch bei den Seminaren immer wieder Thema ist: Der alte, in den dreißiger Jahren errichtete Gebäudeteil hat eine NS-Vergangenheit und wurde nach dem Mauerfall zum Seminarhaus um- und ausgebaut. An den denkmalgeschützten, sonnengelben Bau schließt der neue Gebäudeteil mit viel Glas, Holz und Sichtbeton an. In Weimar gibt es mehr als 80 Gästezimmer sowie zahlreiche moderne Seminar- und Gruppenräume.

Wirth selbst kam im Jahr 2005 nach Weimar. In seiner fränkischen Heimat hatte er bis dato als Vermittler gearbeitet und bald angefangen, andere Fachleute zu schulen. Nun schätzt er seine Arbeit im Kompetenzzentrum: Zu sehen, wie sich hier Wissen und Netzwerke bilden, das macht viel Freude , sagt Wirth. 

Auch die Fallmanager werden in den Kompetenzzentren ausgebildet  

In den beiden Kompetenzzentren gibt es die kompakten Fach-Seminare, die einen Tag oder mehrere Tage dauern. Die Lehrenden bilden aber auch Fachkräfte für die Individuelle Lernbegleitung (ILB) aus. Ein weiterer Schwerpunkt sind die angehenden zertifizierten Fallmanagerinnen und Fallmanager – so wie Kerstin Dillenburger. Sie arbeitet in dieser Position im Jobcenter Neunkirchen im Saarland, wo sie sich vor allem um Leistungsberechtigte mit Kindern, darunter viele Alleinerziehende, kümmert. Dillenburger hat BWL studiert, war dann zunächst in Trier und ist nun seit fünf Jahren in Neunkirchen tätig. Der intensive Austausch macht mir großen Spaß , sagt Dillenburger. Sie hat die drei Pflichtmodule mit jeweils einer Woche Seminarzeit bereits in Weimar absolviert. Heute, am Mittwochmorgen, endet das Wahlmodul zum Thema Sucht. Ich komme ja eher von den Zahlen, da hilft mir eine solche Weiterbildung enorm , sagt die Fallmanagerin.

Dass die Weiterbildungen so beliebt sind, liegt auch am Hintergrund der Lehrenden. Der nebenamtliche Trainer Michael Enders etwa kann eine Menge an Erfahrung teilen. Er ist Fallmanager seit dem 1. Januar 2005 – wie er nicht ohne Stolz sagt. Rund 75 Leistungsberechtigte betreut Enders aktuell. Er ist im Thema, er kennt die Sorgen der Teilnehmenden. Die Schulungen gibt der Fallmanager zusätzlich, ist mehrmals im Jahr in Weimar und bald auch wieder am Standort Northeim. Mir gibt das enorm viel, und ich nehme auch immer wieder neue Themen und Ideen mit an meinen eigentlichen Arbeitsplatz im Jobcenter , sagt Enders. Und die Teilnehmenden wissen gleich: Der kommt aus der Praxis und weiß, wovon er spricht.  

Johannes Wirth

In den Kompetenzzentren wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch der intensive Austausch zwischen den Teilnehmenden gefördert.

Die Probleme der Leistungsberechtigten besser verstehen lernen

Wie gut die Verbindung von theoretischem Wissen und Praxiserfahrung bei den Lehrenden funktioniert, sieht man auch beim Seminarthema Sucht. Im Fallmanagement sind suchtkranke Leistungsberechtigte keine Seltenheit. Dozent Enders kennt die Anzeichen von Süchten aus seinen Gesprächen im Jobcenter, bindet das im Seminar in Weimar immer wieder ein – etwa, wenn er den Teilnehmenden erklärt, wie sie eine Computerspielsucht oder die Abhängigkeit von Crystal Meth besser erkennen können. Enders führt aus, was Süchte mit den Betroffenen machen und wie die Handlungsoptionen als Fallmanagerin oder Fallmanager sind. Und er wirbt um Verständnis, das eine Sucht eine Krankheit ist. Wichtig sei hierbei Zeit: Ein Jahr braucht man, um Vertrauen aufzubauen, noch ein Jahr, um die Leistungsberechtigten auf dem Weg zur Therapie zu begleiten , sagt er. Eine grobe Rechnung, doch diese zeigt, dass im Fallmanagement neben der Expertise auch Geduld notwendig ist – und Akzeptanz. Dies führt Enders im Seminar den Teilnehmenden vor Augen: Ihr werdet nicht alle erreichen, es wird nicht bei allen klappen. Damit müsst ihr umgehen können, das müsst ihr im Büro lassen. In der Runde wird im Anschluss angeregt besprochen, wie die Abgrenzung am besten gelingt.   

Seminare fördern die Vernetzung untereinander  

Die Teilnehmenden kommen in dieser Januarwoche aus Jobcentern in Remscheid, Potsdam, Aschaffenburg, Bremerhaven oder Plauen. Einer der Sätze, den man hier schon in der ersten Stunde des Seminars oft hört: Und, wie macht ihr das? . Eine Frage, die viele auch nach dem Seminar noch untereinander besprechen werden, wenn sie längst wieder an ihren Standorten sind. Fortbildungen sind immer auch Gelegenheiten, andere Herangehensweisen kennenzulernen. Einer unserer Markenkerne ist die Vernetzung , sagt Johannes Wirth. Vor den meisten Seminaren gebe es ein kurzes Online-Kennenlernen, und nach den Seminaren blieben die Teilnehmenden oft noch lange in Kontakt, berichtet Wirth.   

Die Kompetenzzentren entwickeln regelmäßig neue Seminarkonzepte  

Im Northeimer Kompetenzzentrum verantwortet Wirths Kollegin Antje Mahlau das Seminarprogramm. Neben den Qualifizierungsangeboten konzipieren und erproben wir neue Qualifizierungsthemen, die im SGB II eine hohe geschäftspolitische Relevanz und Aktualität haben , sagt Mahlau . Das Ziel: Angebote, die passgenau und praxisorientiert an den Bedarfen der Jobcenter ausgerichtet sind. Labormaßnahmen nennt Mahlau die Seminare, die oft als Idee im Austausch mit den Jobcentern entstehen und dann in den beiden Kompetenzzentren ausprobiert werden. Wenn das Thema gut gebucht wird, nehmen wir es fest ins Programm auf , erläutert Mahlau . Sie nennt ein Beispiel: Ihr Haus bietet jetzt ein Seminar an, das sich mit dem Thema Selbstständigkeit im SGB II befasst. Es geht darum, die ganzheitliche Betreuung von Selbständigen als gemeinsame Aufgabe der beiden Abteilungen Markt und Integration und Leistungsservice zu betrachten. Hierfür kommen Fachleute aus beiden Bereichen zusammen, um sich fortzubilden und dabei die Perspektive des anderen Bereichs besser verstehen zu können.   

Johannes Wirth

Außenansicht des SGB II-Kompetenzzentrums in Northeim.

Neue Ansätze lernen – auch und gerade bei den täglichen Themen  

Es gibt die Gesetze, es gibt die Weisungen dazu – und in allen Jobcentern Fachleute mit teils mehreren Jahrzehnten Erfahrung. Warum braucht es da gesonderte Fortbildungen? Wirth schmunzelt. Er kenne die Frage natürlich – auch, weil die Seminare von den Jobcentern bezahlt werden und die Mitarbeitenden an den Seminartagen fehlen. Da frage manche Führungskraft schon einmal kritisch nach, erzählt er. Weiterbildung ist enorm wichtig , fährt Wirth fort. Fortbildung biete den Teilnehmenden neue Lösungsansätze, bringe Verständnis und Sicherheit. Zum Beispiel im Verwaltungsrecht: Für die Leistungsberechtigten geht es bei solchen Aspekten um viel: Etwa, wenn die Leistungen gekürzt oder sogar Geld zurückgezahlt werden soll. Und wer die Fälle im Jobcenter bearbeitet, freut sich über eine sichere Grundlage.   

So sieht es auch Tatjana Meyer. In Lehrraum 2 im modernen Anbau geht es gerade um viele Paragrafen: Das Thema lautet Verwaltungsrecht für Beschäftigte im Bereich der Integrationsmaßnahmen SGB II. Die Teilnehmenden hatten am Vortag einige Gruppenaufgaben vor sich. Nun, am dritten und letzten Seminartag, kommt der hauptamtliche Trainer René Wötzel zur Auflösung. Wann ist ein Bescheid rechtmäßig, und anhand welches Paragrafen lässt sich ein rechtswidriger Verwaltungsakt korrekt zurücknehmen? 

Nach der Fortbildung ist vor der Fortbildung  

Das Thema beschäftigt uns täglich , sagt Tatjana Meyer. Und doch hat sie viel Neues gelernt und anhand von vielen Beispielen gesehen, wie man in anderen Jobcentern ähnliche Fallkonstellationen angeht, berichtet sie. Meyer ist Quereinsteigerin und nach dem Wechsel von einem Bildungsträger heute im Arbeitgeber-Träger-Team beim Jobcenter in Worms tätig. Sie hat während der Einarbeitungsphase in zwei Häusern hospitiert und noch frisch in Erinnerung, wie wichtig das Netzwerken und die Erfahrungen von anderen sein können. Das will sie nutzen: Ich werde sicher mal andere Teilnehmende anrufen und fragen: Ich habe hier ein Problem, wie macht ihr das denn? Und auch die nächste Weiterbildung ist schon gebucht: Im April fährt Meyer zur Bildungs- und Tagungsstätte in Daun , dann wird sie Neues zum Zuwendungsrecht nach §16h SGB II lernen. 

Sie haben Interesse an den Angeboten für Fach- und Führungskräfte in Weimar und Northeim? Oder wollen Ihr Team Inhouse fortbilden? Aktuelle Angebote finden Sie unter folgendem Link .