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„Wollen Bedürfnisse der Leistungsbeziehenden besser verstehen“: Jobcenter Köln gründet Kund*innenbeirat

„Von der Kundin und vom Kunden her denken“ – dieses Credo wird im Kölner Jobcenter sehr ernst genommen. Mit dem im Jahr 2022 ins Leben gerufenen Kund*innenbeirat möchte die Geschäftsleitung im direkten Austausch mit Leistungsbeziehenden erfahren, wie das Jobcenter seine Arbeit noch besser machen kann. Der Beirat liefert dafür wertvolle Impulse.

Bewerbungen zum Kund*innenbeirat liegen auf einem Schreibtisch. Foto: Jobcenter Köln

Sabine Mendez strahlt, wenn sie an den 7. Juli 2022 zurückdenkt: „Es herrschte wirklich ein Gänsehautfeeling, ganz toll war das.“ Was Mendez, Mitglied der Geschäftsführung des Jobcenters Köln, ins Schwärmen bringt? Der Gedanke an das erste Treffen des dato frisch gegründeten Kund*innenbeirats ihres Jobcenters. „Man hat gemerkt, wie stolz die 16 Mitglieder sind, dass sie für den Beirat ausgewählt wurden.“ Seit dem Kennenlernen im Juli fanden zwei weitere Treffen im Jobcenter statt, das vierte ist für Anfang März 2023 geplant. Neben Mendez sind auch Geschäftsführerin Martina Würker und Abteilungsleiterin Birgit Aulke bei jeder Zusammenkunft des Gremiums mit dabei.

Sabine Mendez, Birgit Aulke und Martina Würker waren von Beginn an vom Kund*innenbeirat überzeugt. Foto: Jobcenter Köln

Ein Workshop und ein Werbeschreiben gaben die Impulse zum Beirat 

Sich enger mit den Leistungsbeziehenden austauschen und mehr über deren Bedürfnisse und Anliegen erfahren: Darum bemüht sich das Kölner Jobcenter nicht erst seit der Gründung des Kund*innenbeirats. „Wir haben uns schon vorher öfters gefragt ‚Was wollen unsere Kundinnen und Kunden?‘“, berichtet Würker. Kurz vor der Corona-Pandemie, im Jahr 2020, initiierte die Geschäftsleitung unter anderem einen Workshop für Führungskräfte.

Diejenigen, die nicht täglich in Kontakt mit den Leistungsbeziehenden standen, wurden gebeten, mindestens ein Gespräch mit einer Person im Leistungsbezug zu führen. Ziel war es, mehr darüber herauszufinden, was die Leistungsbeziehenden bewegt, wie sie das Jobcenter wahrnehmen, welche Verbesserungswünsche sie hegen – und dabei auch das eigene Selbstbild zu hinterfragen. „Die Erfahrungen und Ideen haben wir dann im Workshop aufgearbeitet“, erläutert Würker. Ihre Kollegin Aulke ergänzt: „Alle, sowohl die Leistungsbeziehenden als auch die Führungskräfte, waren sehr angetan von den Gesprächen. Dieser Austausch hat Lust auf mehr gemacht.“

Den Auslöser, aufbauend auf diesen positiven Erfahrungen einen Beirat für Leistungsbeziehende zu gründen, fand Mendez schließlich in ihrem Briefkasten: „Mein Telefonanbieter hatte mir geschrieben, ob ich nicht in dessen Kundenbeirat mitmachen möchte. In dem Moment kam mir die Idee, solch ein Gremium für unser Jobcenter ins Leben zu rufen.“

Blaupausen für die Beiratsgründung? Fehlanzeige

Ihre Kolleginnen Aulke und Würker waren von dem Vorschlag sofort überzeugt. „Wir glaubten zu dem Zeitpunkt noch, so ein Beirat wäre ruckzuck gegründet“, schmunzelt Mendez. Erste Recherchen zeigten das Gegenteil: „Es gab kein Muster, keine Vorlage, wie etwa eine Satzung für einen Beirat in einem Jobcenter auszusehen hätte“, berichtet Aulke, welche die Vorbereitungen für das Gremium federführend mit vorantrieb. Sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter fingen bei Null an.

Was muss in der Satzung stehen? Wie soll sich der Beirat zusammensetzen, um die Bandbreite der Leistungsbeziehenden abzudecken? Und welche datenschutzrechtlichen Aspekte müssen beachtet werden? Im engen Austausch mit Fachleuten aus dem Jobcenter entstand so über mehrere Monate hinweg das Grundgerüst des Gremiums. Die Satzung wurde auch in Leichter Sprache verfasst, um möglichst vielen Interessierten die Chance zu geben, sich zu bewerben. Zusätzlich erklärt ein kurzes, selbst produziertes Video auf der Internetseite des Kund*innenbeirats die wichtigsten Punkte.

„Das alles war mit viel Arbeit verbunden“, erinnert sich Aulke. „Aber es hat auch sehr viel Spaß gemacht. Und am Ende war es auch gut, dass es noch nichts Vergleichbares gab. So konnten wir etwas ganz Eigenes schaffen.“ Von anfänglich offenen Fragen dürfe man sich nicht abschrecken lassen, beschreibt Aulke ihr Motivationscredo: „Wir haben irgendwann gesagt ‚Wir machen das jetzt und bereiten es gut vor‘. Ich glaube, das ist das ganze Geheimnis.“

Der Kund*innenbeirat des Kölner Jobcenters hat ein eigenes Logo. Quelle: Jobcenter Köln

Bewerbungen brachten Überraschungen mit sich

Mit Plakaten im und am Jobcenter, einer eigens eingerichteten Infohotline und einem eigenen Bereich auf der Internetseite des Jobcenters Köln riefen die Initiatorinnen und Initiatoren die Leistungsbeziehenden schließlich im April 2022 dazu auf, sich für den Beirat zu bewerben. Zusätzlich erhielten alle Bedarfsgemeinschaften – im Jobcenter Köln rund 57.000 – ein Informations- und Einladungsschreiben. „Und dann ging das große Warten los“, so Aulke.

Der geplante Beirat sollte paritätisch besetzt sein, 16 Mitglieder umfassen und möglichst viele Nationalitäten, Altersgruppen sowie Gründe für den Leistungsbezug abdecken. „Ehrlich gesagt hatten wir zunächst Bedenken, ob sich überhaupt ausreichend Menschen bewerben“, blickt Mendez zurück. Zweifel, ob die Leistungsbeziehenden überhaupt Interesse hätten, regelmäßig mit dem Jobcenter in den Austausch zu treten, hätten anfangs durchaus bestanden.

Doch die Skepsis war unbegründet: Rund 600 ausgefüllte Bewerbungsformulare erreichten das Jobcenter. Darunter seien aber auch einige gewesen, die nicht als „echte Bewerbung“ akzeptiert worden wären, berichtet Würker: „Bei vielen Einsendungen wurde deutlich, dass die Leistungsbeziehenden das Formular aus Pflichtbewusstsein ausgefüllt und eingesandt haben. Nach dem Motto ‚Das Jobcenter schreibt, ich muss das Formular zurückschicken‘. Daran erkennt man gut, in welchem System sich die Menschen befinden“, zeigt sich die Geschäftsführerin nachdenklich. 

Austausch und Zusammenarbeit: was die Mitglieder motiviert

Auf jede der fast 600 eingereichten Bewerbungen reagierte Aulke mit einem persönlichen Schreiben. Bedankte sich für das Engagement, hakte nach, ob fehlende Unterschriften noch nachgereicht würden. Letztlich blieben 387 Einsendungen übrig, aus denen sie die 16 künftigen Mitglieder auswählte. Mit einer Altersspanne von derzeit 21 bis 63 Jahren, sieben verschiedenen Nationalitäten, mit und ohne Migrationshintergrund und aus verschiedenen Gründen des Leistungsbezugs – von Aufstockung über derzeit in einer Maßnahme bis hin zu arbeitsuchend – bilden die Mitglieder nun einen repräsentativen Querschnitt der Leistungsbeziehenden des Jobcenters Köln.

Die Entscheidungen seien ihr nicht leichtgefallen: „Es tat mir leid um jede Absage, die ich rausschicken musste. Wir haben viele tolle Bewerbungen von spannenden Menschen erhalten.“ Die Motivationen der Bewerberinnen und Bewerber seien sehr individuell gewesen. Aulke gibt einen kleinen Einblick in die Beweggründe der Leistungsbeziehenden:  

  • „Ich möchte beide Seiten unterstützen und die Kunden und das Jobcenter näher zueinander bringen.“

  • „Wenn ich das Jobcenter besser kenne und weiß, was es alles macht, kann ich das auch anderen Kunden erklären und ihnen helfen.“

  • „Das Jobcenter könnte manche Dinge noch anders, vielleicht sogar besser machen. Zum Beispiel wäre es gut, wenn es den Onlineantrag in vielen Sprachen gäbe. Mich interessiert der gegenseitige Austausch und dass ich dem Jobcenter Feedback geben könnte.“

  • „Ich möchte Dinge aus Sicht der Kunden erklären und auch wissen, was das Jobcenter davon hält. Es ist eine prima Idee, die Sicht der Betroffenen einzunehmen.“

Mitglieder bringen frische Impulse mit zu den Treffen

Diese Neugier und das Interesse an einem konstruktiven Austausch miteinander sei auch beim Kennenlerntreffen des Beirats Anfang Juli 2022 spürbar gewesen, berichten Aulke, Mendez und Würker. In den Vorstellungsrunden erzählten nicht nur die Mitglieder etwas über sich. Auch die Geschäftsführung bot Einblicke in ihre Arbeit und erläuterte, wie die Arbeit des Kund*innenbeirats ablaufen wird und was dessen Ziel ist: Die Bedürfnisse der Leistungsbeziehenden besser zu verstehen und deren Wahrnehmung von der Arbeit des Jobcenters zu erfahren – Fragen und kritisches Feedback ausdrücklich erwünscht. 

Das erste Arbeitstreffen Anfang September 2022 hielt bereits einige Überraschungen bereit, erzählt Würker. „Wir hatten die Beiratsmitglieder gefragt, wie sie die Erreichbarkeit unseres Jobcenters sehen. Könnte die noch besser sein? Vorab hatten wir uns einige Gedanken gemacht und mit Kritik gerechnet.“ Doch die Rückmeldungen fielen anders aus als erwartet – nämlich überwiegend zufrieden. „Ein Mitglied regte außerdem an, einen QR-Code auf unsere Einladungsschreiben zu drucken, der als Fahrkarte zu den vereinbarten Gesprächen gilt. An so etwas hatten wir noch gar nicht gedacht“, freut sich Würker über die Idee.

Angeregte Diskussionen machen vorbereitete Agenda unnötig

Angeregt wurde auch, die Antragsformulare in noch mehr Sprachen anzubieten. „Einige Mitglieder berichteten, häufig anderen Leistungsbeziehenden beim Ausfüllen zu helfen. Gäbe es die Dokumente in mehreren Sprachen, würde diese Hürde entfallen“, so Würker.

Genau um solche Impulse gehe es bei der Zusammenarbeit mit dem Beirat, bestätigt Mendez. „Für das zweite Treffen hatten wir uns eine Agenda zurechtgelegt, aber die Mitglieder haben so angeregt mit uns diskutiert, dass wir uns schnell davon verabschiedet haben. Uns ist wichtig, dass die Menschen am Austausch mit uns interessiert sind.“ Worum es in den Zusammenkünften geht, können die Mitglieder auch selbst vorschlagen. „Ende November 2022 haben wir zum Beispiel über die Beratung geredet. Dieses Thema war unseren Leistungsbeziehenden ein Anliegen.“

Zeit der Mitgliedschaft ist auf zwei Jahre begrenzt

Die bisherigen Treffen bestärken Aulke, Mendez und Würker darin, mit dem Beirat die richtige Entscheidung getroffen zu haben – auch wenn es anfangs teils aus den eigenen Reihen vorsichtige Stimmen gegeben hat. Solch ein Gremium halte die Leistungsbeziehenden länger in der Erwerbslosigkeit, wurde etwa gemunkelt. „Das geht schon allein deswegen nicht, weil die Mitgliedschaft auf zwei Jahre begrenzt ist. Dann wird neu gewählt“, stellt Würker klar. Und es seien bereits zwei Mitglieder wieder ausgeschieden – weil sie eine Arbeit aufgenommen hätten.

„Bei den Mitarbeitenden herrschte auch hier und da die Sorge, dass sie durch den Beirat unter Druck gesetzt werden könnten“, räumt zudem Würker ein. „Doch uns interessiert überhaupt nicht, ob ein Mitglied nun diese oder jene Erfahrung mit Frau Müller oder Herrn Meier gemacht hat. Namen spielen keine Rolle. Wir möchten generelle Einblicke in unsere Arbeit aus der Sicht der Leistungsbeziehenden bekommen. Die Mitglieder dürfen uns den Spiegel vorhalten.“ Vertrauen und Verschwiegenheit stünden auch in der Satzung – und zwar für beide Seiten. Auch die Mitarbeitenden in den verschiedenen Abteilungen des Jobcenters wissen nicht, welche Leistungsbeziehenden derzeit im Beirat sitzen.

„Kein Mecker-Club“: beide Seiten begegnen sich mit Respekt

„Außerdem haben wir den Mitgliedern von Beginn an verdeutlicht, dass deren Empfehlungen unverbindlich sind. Wir sind kein Mecker-Club, in dem man sich mal eben über das Jobcenter beschweren kann, und dann wird alles anders“, betont Würker. „Aber bisher ist es dazu auch noch nicht gekommen. Der Austausch ist sehr konstruktiv und erfrischend.“

Das nächste Treffen ist für Anfang März 2023 geplant. Ob dabei auch das frisch an den Start gegangene Bürgergeld ein Thema sein wird? „Wenn Informationsbedarf besteht und die Mitglieder Fragen haben, warum nicht. Aber wir werden unsere Beiratsmitglieder nicht für Informationszwecke einsetzen“, verrät Würker verschmitzt.