Wie haben Sie die Einführung des Bürgergelds erlebt? Gab es Herausforderungen?
Martin Greiner: Im Bereich Leistung hat die Umstellung wirklich gut funktioniert. Wir haben die Zeit bis zur Einführung genutzt, um uns mit den vielen neuen Informationen zur Einführung vertraut zu machen. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir vieles bereits umsetzen. Diese Erkenntnis, die gute Vorbereitung und letztlich auch die ruhige Herangehensweise aller Beteiligten, haben uns die Umsetzung des Bürgergeldes erleichtert. Dennoch gab es viele leistungsrechtliche Unsicherheiten auf Grund der doch sehr schnellen Verabschiedung der gesetzlichen Regelungen.
Silvia Frank: Im Bereich Markt und Integration haben wir uns regelmäßig zusammengefunden und über aktuelle Entwicklungen ausgetauscht. Mit unserer Regionaldirektion standen wir permanent im Austausch und haben uns gegenseitig auf dem Laufenden gehalten. Eine Herausforderung bei der Umsetzung des Bürgergeldes im Bereich Markt und Integration war die sprachliche Vermittlung der neuen Inhalte an Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen.
Martin Greiner: Offene Kommunikation und Transparenz nach innen waren wesentliche Elemente, um unsere Beschäftigten auf die Umsetzung des Bürgergeldes vorzubereiten. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir vieles von dem, was uns zunächst neu erschien, bereits umsetzen. Dies hat uns die Umsetzung des Bürgergeldes erleichtert.
Wo sehen Sie aktuell noch Handlungsbedarf?
Martin Greiner: Wir haben noch immer eine hohe Anzahl an Eingängen von Anträgen auf Bürgergeld, die es zu bearbeiten gilt. Anträge, die bewilligt aber auch die, die abgelehnt werden, sind sehr ressourcenintensiv. Wir merken grundsätzlich, dass die Anzahl der Anträge deutlich gestiegen ist. Dies bildet sich leider noch nicht in der Personalausstattung wider.
Silvia Frank: Wir möchten unsere Leistungsberechtigten motivieren, sich wieder mehr zuzutrauen. Deswegen investieren wir in Beratungsqualität und Qualifizierung. An diesem Verständnis halten wir fest. Die Förderleistungen Weiterbildungsgeld und Bürgergeld-Bonus und auch der Kooperationsplan waren für alle neu. Wir mussten lernen, wie wir diese Neuerungen bestmöglich in der Praxis umsetzen.
Martin Greiner: Unter den geringeren Haushaltsmitteln, die uns erwarten, ist es eine Herausforderung die Balance zu finden, zwischen dem, was wir gerne umsetzen wollen und dem, was wir umsetzen müssen.
Ihr Jobcenter hat einen Kundenbeirat. Was macht der Beirat?
Martin Greiner: Der Beirat ist mit einer Personengruppe besetzt, die zwischen 25 und 45 Jahre alt ist. Wir haben uns zunächst der Zielgruppe der Frauen gewidmet, da diese unserer Erfahrung nach deutlich offener und direkter in der Kommunikation sind. Daher haben wir ausgewählte Kundinnen eingeladen und ein erstes Telefongespräch geführt. Der Kundenbeirat wird sehr gut angenommen – unsere Kundinnen und Kunden fühlen sich wertgeschätzt. Mit dabei bin ich als Geschäftsführer, unsere Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und zwei Führungskräfte. Das Ganze findet anonym statt. Wir freuen uns über jede und jeden Teilnehmenden.
Welche Erkenntnis konnten Sie aus diesem Format bisher gewinnen?
Martin Greiner: Zum einen wirken viele unserer Schreiben sehr formal und können durchaus auch bedrohlich auf die Menschen wirken. Dies betrifft insbesondere die Mitwirkungsschreiben. Deswegen sind wir dazu in einigen Fällen vorab übergegangen, die Personen anzurufen und um die Einsendung der noch fehlenden Antragsunterlagen zu bitten. Außerdem haben wir festgestellt, dass viele der kontaktierten Personen lieber mit uns telefonieren, als dass sie beispielsweise per Brief eingeladen werden. Das war die ersten Erkenntnisse, die wir aus unserem Kundenbeirat gewonnen haben. Die Menschen möchten in einen direkten Dialog mit uns treten, entweder persönlich oder telefonisch.
Silvia Frank: Oft gehen wir davon aus, dass die Themen, die wir an die Menschen herantragen, auch verständlich von uns kommuniziert werden. Ich glaube, wir müssen unsere Art der Kommunikation überdenken und uns vergewissern, ob das, was wir den Menschen mitteilen auch genauso ankommt. Mit dem zweiten Treffen des Kundenbeirats ist uns bewusst geworden, dass der direkte Dialog immer wichtiger wird. Unsere Leistungsberechtigten sollen besser nachvollziehen können, wieso es nicht immer leicht ist, behördliche Schreiben einfach zu formulieren. Wir hoffen, dass wir so langfristig ein anderes Image bei den Menschen aufbauen, in dem sie anderen davon berichten.
Steckbrief
- Standort: Jobcenter Nordwestmecklenburg
- Organisationsform: gemeinsame Einrichtung
- Anzahl der Beschäftigen: 170
- Anzahl der Leistungsbeziehenden: 10.000
- Projekt: Kundenbeirat
- Thema: Kommunikation