Wenn es um gute Arbeit geht, laufen Jobcenter zu Höchstleistungen auf. Das gilt auch, wenn die eigene Arbeit im Mittelpunkt steht. Geschäftsführende von Jobcentern aus ganz Deutschland kamen nach Berlin, um rege über neue Konzepte des Arbeitens zu diskutieren. Die Höchstleistung zeigte sich in so mancher Workshop-Debatte. Teilnehmende sprachen über Homeoffice, Arbeitskräfte-Nachwuchs und gute Führung. Dabei prallten Meinungen aufeinander. „Bei uns sind die Teams mit der stringentesten Führung am zufriedensten“, warf ein Geschäftsführer in die Runde. „Nein, mit so einem Ansatz entsteht nichts Neues“, erwiderte eine Kollegin. „So eine Art von Führung akzeptieren viele nicht mehr.“
Expertin Höltmann: Organisationen brauchen mehr innere Komplexität
Die Teilnehmenden starteten mit einem Impulsvortrag in den Workshop-Tag. New-Work-Expertin Inga Höltmann gab einen kundigen Überblick über die Zukunft des Arbeitens – und stieß mit ihren Thesen einige Gedanken an. Höltmann stellte klar, dass Neue Arbeit kein Trendthema sei. „Arbeit verändert sich, ebenso wie die Welt sich verändert.“
New-Work-Expertin Inga Höltmann gab den Teilnehmenden Impulse.
Ein zentrales Merkmal für Höltmann ist die gestiegene Komplexität – in der Welt allgemein, in Unternehmen und auch in Jobcentern. „Es gibt so viele Aufgaben. Alle fragen sich: Wie können wir in unserer Organisation darauf reagieren – und dies in einem angemessenen Zeitrahmen?“ Höltmanns Lösungsvorschlag: Führungskräfte und ihre Mitarbeitenden müssen eine im Inneren komplexere Organisation bauen. Die innere Komplexität ist dabei ein Spiegel der äußeren Realität.
Neue Arbeit bedeutet neue Form der Zusammenarbeit
Innere Komplexität meint weder Chaos noch Kompliziertheit, sondern ein vielfältigeres Arbeiten. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass es Teams brauche mit unterschiedlichen Perspektiven, Kompetenzen und Erfahrungen. „Mit Neuer Arbeit meinen wir die Veränderung der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation“, sagte Höltmann. „Neue Arbeit bietet den Werkzeugkasten, um eine innere Komplexität in der Organisation aufzubauen.“
„Gewohnheiten aufbrechen“ notiert hier Eike Belle, Geschäftsführerin im Jobcenter Cottbus.
Der Weg in eine Organisation, die mehr Komplexität bietet, ist jedoch anspruchsvoll. Im Kern geht es darum, Menschen von der Notwendigkeit der Veränderung zu überzeugen und Angst vor Veränderungen zu nehmen. „Eine Organisation, die sich verändert, ist eine Organisation, in der sich die Menschen verändern – nicht verändert werden, sondern in der sie sich selbst verändern“, erläuterte Höltmann. Dies sei jedoch ein emotionaler Prozess. „Wir empfinden Veränderungen immer als Krise. Veränderung ist ungewohnt und anstrengend.“
Auch „organisationale Gewohnheiten“ müssen sich ändern
Wer Veränderungen – etwa im Jobcenter – einleiten wolle, müsse die Emotionen berücksichtigen, aber unbedingt auch die „organisationalen Gewohnheiten“. Mehr noch als offizielle Prozesse oder Organigramme hielten Gewohnheiten eine Organisation zusammen, die aus Erfahrungen der Vergangenheit entstanden sind. Wer etwas zur Reisekostenabrechnung wissen will, geht oft nicht den offiziellen Weg, sondern ruft – wie immer – bei der netten Kollegin „Brigitte“ an. Auch organisationale Gewohnheiten müssen sich manchmal ändern – diesen Prozess beschreibe der Begriff Kulturwandel, erläuterte Höltmann.
Geschäftsführer Thomas Friedrich aus dem Jobcenter Coburg Land schaltet sich in die Diskussion ein.
Teilnehmende diskutierten im Barcamp-Format
Ulrich Nehring, Geschäftsführer des Jobcenters Hildesheim, zeigte sich inspiriert von dem Vortrag. Er bedauerte: „Wir verlieren uns oft in Kennzahlen und dabei gerät dieses große Ganze aus dem Blick.“ Um dieses große Ganze, also diese neue Sicht auf Arbeit, und welche Auswirkung dies auf einzelne Jobcenter hat, ging es in den folgenden zwei Arbeits-Sessions. Dem Konzept des Barcamps folgend waren die Teilnehmenden die Gestalter des Workshoptages: Sie legten die Diskussionsthemen fest, organisierten die Sessions selbst und wurden nur sanft von Moderator Martin Hoffmann durch den Tag geführt. Folgende Diskussionspunkte prägten den Tag:
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Gewohnheiten durchbrechen: Mehrere Teilnehmende diskutierten über die Einrichtung von Mischteams aus Leistungssachbearbeitung und Arbeitsvermittlung. In den meisten Jobcentern gebe es die strikte Trennung. „Aber wir arbeiten ja mit demselben Kunden.“ Gewohnheiten zu durchbrechen könne bedeuten, ganz regulär gemeinsame Beratungen durchzuführen – und damit ein neues Arbeiten innerhalb des Jobcenters anzustoßen.
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Mehr Austausch: Einige Teilnehmende stellten fest, dass sich auf Netzwerktreffen wie diesem meist Personen mit höheren Führungspositionen austauschen. Es brauche aber ebenso häufigeren Austausch auch auf Ebene der Teamleiter, bis zu einem Austausch-Praktikum zwischen Jobcentern, um andere Arbeitsweisen kennenzulernen. „Wir haben Mitarbeiter, die sind seit dem Jahr 2005 dabei und haben noch nie ein anderes Jobcenter von innen gesehen“, sagte ein Teilnehmer.
Michelle Flohr, Geschäftsführerin des Jobcenters Ulm, diskutiert mit drei Kollegen.
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Moderne Führung: Eine Teilnehmerin merkte an, dass die Einführung von Neuer Arbeit eine Herausforderung für Führungskräfte werde. „Wir hatten schon viele Veränderungen in Bezug auf New Work – und da wird noch einiges kommen.“ Langjährigen Mitarbeitenden sei schon der eigene Drucker genommen worden, als Nächstes werde die IP-Telefonie den gewohnten Telefonapparat ersetzen. Peter Schwarz, Geschäftsführer des Jobcenters Pirmasens, mahnte, Mitarbeitenden auch nicht zu viel auf einmal zuzumuten. „Es kann passieren, dass gerade die lebensälteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Überforderung zumachen und darüber dann auch krank werden.“
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Neue Sichtweisen: Für Mitarbeitende verändert sich die Welt nicht nur am Arbeitsplatz, sondern ebenso in ihrem Privatleben. Thomas Brincker, Geschäftsführer des Jobcenters Potsdam, empfahl, bei Mitarbeitenden, die etwa mit der Digitalisierung fremdeln, mal eine Verbindung zu privaten Erfahrungen zu suchen. „Fast alle haben ein Smartphone und sie haben sich diese Welt selbst erschlossen. Wer ständig nach Schulungen ruft, den erinnere ich sanft: ‚Haben Sie mal selbst eine App heruntergeladen? Und haben Sie dafür eine Schulung bekommen?‘ Das geht natürlich nicht in allen Bereichen.“
Austausch zwischen Berlin (links) und Köln: Die Geschäftsführenden Lutz Mania und Sabine Mendez.
Das Thema Neue Arbeit beschäftigte die Teilnehmenden sichtbar. Dies beobachtete auch Moderator Martin Hoffmann. „Viele Teilnehmende waren im selben Hotel wie ich“, erzählte Hoffmann, „und selbst abends an der Bar drehten sich die Gespräche um die Zukunft der Arbeit.“ Dies zeigt: Der Wandel ist ein langer Prozess – und steht erst am Anfang. Aus der Zukunftswerkstatt nahmen die Geschäftsführenden viele Ideen für ihren Weg mit.
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