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Hintergrundbericht

30. August 2018

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern, motivieren und halten

Vogelperspektive auf Personen, die über Zebrastreifen laufen.
Zukunftsorientierte Personalentwicklung findet auf mehreren Wegen parallel statt. Für mehr Orientierung hat der Bund-Länder-Ausschuss SGB II ein Empfehlungspapier erarbeitet. Quelle: Ryoji Iwata/Unsplash

Eine Organisation, die ihre Ziele erreichen will, braucht qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das gilt in den Jobcentern genauso wie in der Privatwirtschaft. Die Herausforderungen sind dabei oft ähnlich: Fachkräftemangel, demographischer Wandel und sich verändernde Anforderungen zwingen zu vorausschauender Planung und flexiblen Reaktionen. Wenn Jobcenter ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen wollen, ist eine strategische Entwicklung der Mitarbeitenden daher ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Personalentwicklung ist ein vorausschauender und kontinuierlicher Prozess, der stets das Ganze im Blick behalten muss. Es geht darum, die Mitarbeiterschaft so aufzustellen, dass sie heute und zukünftig bestmögliche Qualität liefern kann. Ausbildung, Personalgewinnung und Qualifizierung sind das Fundament dieser Strategie. Aufgehen kann sie jedoch nur, wenn es zugleich gelingt, die Beschäftigten zu binden und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das Jobcenter muss daher auch ein attraktiver Arbeitgeber sein – in Zeiten eines starken Arbeitsmarktes gilt das heute mehr denn je.

Doch wie sieht strategische Personalentwicklung für Jobcenter in der Praxis aus?

Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbilden, finden und entwickeln

Ohne fähige und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht es nicht, darüber sind sich die Jobcenter in verschiedenen Teilen Deutschlands einig. „Qualität kommt von Qualifizierung“, bringt es Peter Schadl, Geschäftsführer des Jobcenters Dachau auf den Punkt. Dabei ist es keineswegs einfach, einen qualifizierten Mitarbeiterstab aufzubauen und zu erhalten, weder für kleinere und mittlere Jobcenter in der Fläche, noch für große Einrichtungen in den Metropolregionen. Eine zentrale Herausforderung ist der demographische Wandel, wie Dirk Heyden berichtet, der in Hamburg das größte Jobcenter Deutschlands leitet. „In den nächsten zehn Jahren werden viele Kolleginnen und Kollegen aus den Jahrgängen der Fünfziger- und Sechzigerjahre in den Ruhestand gehen. Da kommt ein Generationswechsel auf uns zu, auf den wir uns langfristig vorbereiten müssen.“

Wie andernorts auch setzt das Jobcenter Hamburg neben Ausbildung und Rekrutierung verstärkt auf die Weiterentwicklung der vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Doch die Nachwuchskräftequoten reichen vielerorts nicht aus, und der Fachkräftemangel macht es schwer, Arbeitskräfte auf dem freien Markt zu finden. Daher wird es immer wichtiger, die Potentiale des eigenen Personals zu entdecken und durch gezielte Weiterqualifizierung zu heben. Dabei gehen die Jobcenter auch neue Wege: So haben etwa die Einrichtungen in Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig und München im Mai 2018 ein gemeinsames standortübergreifendes Mentoring-Programm gestartet. Doch klassische Karrierewege von der Fach- zur Führungskraft sind nicht alles. Die horizontale Entwicklung in neue Aufgabenbereiche ist ebenso wichtig. „Die richtige Frau, der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, so lautet die Devise, die die Jobcenter auf pragmatische Weise umsetzen.

Links eine Frau mit Zertifikat über eine Fortbildung, dann ein Pfeil, der auf die stehende Frau neben einem am PC sitzenden Man deutet.
Gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg – und können ihre Kolleginnen und Kollegen anleiten und motivieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, greifen die Jobcenter auf eine ganze Reihe von Qualifizierungsangeboten zurück. Größere Jobcenter können dabei auf eigene Aus- und Weiterbildungsabteilungen zählen. Wie in Hamburg, wo erfahrene Beschäftigte ihre Kolleginnen und Kollegen in einem eigens eingerichteten Praxisbüro gezielt einarbeiten. So sichern sie die Qualität und entlasten zugleich die einzelnen Standorte. Aber auch mittelgroße Einrichtungen haben eigene Kapazitäten aufgebaut, wie etwa im Jobcenter Kreis Segeberg, wo 16 Beschäftigte durch die Bundesagentur für Arbeit als Trainerinnen und Trainer zertifiziert wurden.

In der Regel greifen die Jobcenter auf Bildungsangebote der Bundesagentur für Arbeit, der jeweiligen kommunalen Anstellungsträger oder externer Studieninstitute zurück. Das Weiterbildungsportal bildungsmarkt sgb2 der Servicestelle SGB II bietet einen umfassenden Überblick. Hier können Jobcenter-Beschäftigte über eine Suchmaske gezielt nach für sie relevanten Angeboten etwa zu Fallmanagement, Führung, Leistungsrecht oder Selbstmanagement suchen.

Personalentwicklung und Organisationskultur

In Sachen Weiterqualifizierung sind die Führungskräfte Schlüsselfiguren – und für viele Jobcenter die ersten Personalentwickler vor Ort. „Bei uns gilt das Leitbild: Den Dialog vor Ort stärken“, erklärt Ana Paula May, die in der Geschäftsführung des Jobcenters Region Hannover die Personalentwicklung verantwortet. „Unsere Führungskräfte müssen daher fit sein in unserem Personalentwicklungskonzept, sie müssen wissen, wie sie Entwicklungspfade spinnen können. Vor allem müssen sie sensibel sein für die Wünsche der Beschäftigten. Denn schließlich müssen sie auch erklären, warum sich manches gegenwärtig noch nicht umsetzen lässt, wie aber vielleicht der Weg dorthin aussehen könnte.“

Infografik: Ein Mann steht neben einer Checkliste und dem Gebäude eines Jobcenters.
Strategisch aufgesetzte Personalentwicklung nimmt die gesamte Organisation in den Blick. Denn die Qualifizierung berührt auch das Arbeitsumfeld und verändert die Zusammenarbeit und Organisationskultur.

Führungskräfte tragen dazu bei, eine Kultur der Förderung zu schaffen, die individuelle Freiräume bietet und es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht, berufliche und familiäre Verantwortung in Einklang zu bringen. Diese Kultur ist Voraussetzung, wenn ein Jobcenter attraktiv werden und bleiben will – zum gegenseitigen Nutzen. „Eine gute Personalentwicklungsstrategie bedeutet weniger Fluktuation. Wechsel bringen immer Unruhe, und Unruhe bringt schlechte Ergebnisse“, fasst Peter Schadl zusammen. Der Geschäftsführer aus Dachau erläutert, dass auch Teamevents ein wichtiges Instrument innerhalb dieser Strategie sein können: „Solche Veranstaltungen schaffen einen Raum, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Verständnis füreinander entwickeln können. Dieses Verständnis stärkt nicht nur die Bereitschaft, füreinander einzustehen. Es unterstützt auch bei Personalentscheidungen. Denn Führungskräfte können besser entscheiden, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können diese Entscheidungen besser nachvollziehen und akzeptieren, wenn sie einander kennen. Und schließlich helfen Teamevents auch, Konflikte unter Kolleginnen und Kollegen zu befrieden. Allerdings sind sie kein Allheilmittel, sondern nur ein Baustein unter vielen.“

Die einzelnen Instrumente der Personalentwicklung müssen immer im Kontext der gesamten Organisation betrachtet werden. Denn die Qualifizierung berührt auch das Arbeitsumfeld: Wenn Beschäftigte neue Kenntnisse erwerben und neue Perspektiven kennenlernen, verändern sich auch Zusammenarbeit und Organisationskultur. Individuelle Weiterbildung und die Gestaltung der internen Prozesse müssen zusammengedacht werden. „Die beste Personalentwicklung nützt nichts, wenn sie nicht authentisch in ein Gesamtkonzept eingebettet ist“, unterstreicht Dirk Heyden, Geschäftsführer in Hamburg. „Dazu gehören ein Leitbild, verbunden mit Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit, aber auch betriebliches Gesundheits- und Eingliederungsmanagement. All diese Aspekte tragen zum Wohlbefinden bei. Personalentwicklung kann nicht losgelöst davon betrachtet werden.“

Gemeinsame Einrichtungen sind besonders gefordert

Die Anforderungen an die Personalentwicklung sind also hoch. Zugleich sind Jobcenter kein Arbeitsort wie jeder andere. So etwa stehen die gemeinsamen Einrichtungen vor besonderen Herausforderungen, denn die einzelnen Anstellungsträger bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen und nicht zuletzt Tarifstrukturen mit. Umso wichtiger ist ein gemeinsames Selbstverständnis. Die jeweiligen Bedingungen können dabei von Ort zu Ort stark variieren. Entsprechend unterschiedlich fallen die strategischen Antworten aus.

Zwei Männchen deuten auf Diagramme, eine Ampel und eine Uhr.
Personalentwicklung stellt die Jobcenter vor besondere Herausforderungen. Dafür finden sie unterschiedliche Lösungen: Überstunden-Ampelsysteme oder einheitliche Bewertungssysteme.

Beispiel Kreis Segeberg: Das Jobcenter war 2013 mit seiner Dienstvereinbarung Personalentwicklung für den Deutschen Personalrätepreis nominiert. „Als wir 2011 gegründet wurden, wussten wir, dass sich das Prinzip ‚Gleiches Geld für gleiche Arbeit‘ nicht immer umsetzen lässt“, erzählt Geschäftsführer Michael Knapp. „Aber uns war auch klar, dass wir nicht bei null anfangen müssen. Daher haben wir uns die Bundesagentur für Arbeit und unseren Kreis genau angeschaut und dann versucht, aus beiden Welten das jeweils Beste zusammenzuführen. Zum Beispiel haben wir aus einer kleinen Gemeinde ein Ampelsystem für Überstunden übernommen, das dafür sorgt, dass die Arbeitszeit der Mitarbeitenden nicht aus dem Ruder läuft.“

Beispiel Hannover: In der Region arbeiten neben der Bundesagentur für Arbeit 18 kommunale Anstellungsträger zusammen – entsprechend groß war bei Gründung des Jobcenters auch die Vielfalt an Bewertungssystemen. „Den unterschiedlichen tariflichen Voraussetzungen können wir nur durch Transparenz begegnen. Wenn sich aber dann auch noch die Bewertungsgrundlagen für gute Arbeit oder die Besetzung von Stellen unterscheiden, wird es schwierig“, erklärt Ana Paula May. Daher hat das Jobcenter auf Basis der Kriterien der Bundesagentur für Arbeit ein einheitliches Bewertungssystem entwickelt und 2017 eingeführt – mit vollem Erfolg. „Das hat viel Kommunikation erfordert, doch je eher Sie Übersetzungsangebote schaffen, desto schneller schaffen Sie Vertrauen“, so May.

Aber auch die zugelassenen kommunalen Träger stehen unter Druck, denn die Anforderungen sind verglichen mit anderen Arbeitsbereichen in der Kommune höher. Die Herausforderungen beim Finden und Halten von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind für die kommunalen Jobcenter daher besonders groß. Deshalb spielen neue Strategien zur Weiterentwicklung der bestehenden Belegschaft eine zentrale Rolle. So etwa im Jobcenter Lahn-Dill-Kreis, das ein Konzept zur Qualifizierung von der Fachassistenz zur Leistungssachbearbeitung entwickelt hat, um die vorhandenen Potenziale bestmöglich zu nutzen. Diese Weiterqualifizierung stützt sich im Kern auf den „Zertifikatslehrgang Leistungssachbearbeiter/in im SGB II“, den der Hessische Verwaltungsschulverband anbietet, und wurde komplett mit internen Ressourcen umgesetzt.

Feedback ist entscheidend

Grafik: Zwei Männchen sitzen an einem Tisch, um sie herum Sprechblasen.
Direktes Feedback hilft, das eigene Personalentwicklungskonzept auf die Probe zu stellen, Probleme zu identifizieren und gemeinsam an ihnen zu arbeiten.

Aktive Personalentwicklung stößt in der Regel auf positive Resonanz. Das verwundert nicht, denn Personalentwicklung dient immer auch den Beschäftigten. Damit sie in der Praxis gelingt, ist direktes Feedback wichtig. Dabei können Mitarbeiterbefragungen ein wichtiges Instrument sein. Sie bieten die Möglichkeit, Problemfelder systematisch zu erheben, um anschließend Aktionspläne zu entwickeln. Dabei kann die Lage in einzelnen Bereichen nicht nur anhand von Indikatoren quantifiziert werden. Auch detaillierte Beschreibungen, die tiefe Einblicke in konkrete Problemlagen bieten, sind möglich. Die Bundesagentur für Arbeit bietet mit der „Engagement- Befragung“ eine Befragung an, die alle gemeinsamen Einrichtungen ab Herbst über das Serviceportfolio 2019 einkaufen können. Siehe hierzu auch die 3 Fragen an Ines Blaschczok, die als Geschäftsführerin des Jobcenters Dessau-Roßlau bereits Erfahrungen damit gemacht hat, diese Mitarbeiterbefragung auch im Rechtskreis SGB II einzusetzen.

Ein Gewinn für alle

Strategische Personalentwicklung ist anspruchsvoll und zwingt zum ganzheitlichen Denken. Doch viele gute Beispiele aus Jobcentern in ganz Deutschland zeigen, wie groß die Vorteile sein können. „Letztendlich geht es darum, dass wir unsere Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger so gut wie möglich machen“, schließt Michael Knapp aus Bad Segeberg. Gelingt Personalentwicklung, profitieren Beschäftigte sowie Kundinnen und Kunden gleichermaßen.