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Tagung in NRW: Wie müssen sich Jugendberufsagenturen weiterentwickeln?

22. Dezember 2022

Die Fachkräfte von morgen: In Bielefeld haben Mitarbeitende aus nordrhein-westfälischen Jobcentern und Arbeitsagenturen diskutiert, was nötig ist, um die Jugendberufsagenturen besser aufzustellen. Eine wichtige Diskussion in Zeiten des Fachkräftemangels.

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Die Tagung in Bielefeld hat sich mit Chancen und Herausforderungen der Jugendberufsagenturen befasst. Quelle: Graphic Recordings vom Fachdialog „JBA der Zukunft“

Die Ausbildung junger Menschen gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Sozialstaats. Die Dringlichkeit dieser Aufgaben wird in Zeiten von akutem Fachkräftemangel noch einmal besonders deutlich. Schließlich sind die Auszubildenden und Studierenden von heute die Fachkräfte von morgen. Um junge Menschen beim Übergang von Schule zu Beruf zu unterstützen, entstanden deshalb aus verschiedenen Kooperationsformen seit den Neunzigerjahren die Jugendberufsagenturen (JBA). Dort werden die Kompetenzen von Jobcentern (SGB II), der Agenturen für Arbeit (SGB III) und der kommunalen Jugendhilfe (SGB VIII) zu einem Angebot für Jugendliche gebündelt.

Leider wurde nie richtig festgelegt, was Jugendberufsagenturen genau sind und wie die Behörden miteinander kooperieren sollen, sagt Rainer Radloff, Geschäftsführer des Jobcenters Arbeitplus Bielefeld. So viele unterschiedliche Regionen wie wir in Deutschland haben, so viele Organisationsformen der Jugendberufsagenturen gibt es auch, so Radloff. Das erschwere die Kooperation miteinander, die Versuche gemeinsame Vorgehen zu finden und auch voneinander zu lernen. Deshalb hat Radloff Ende November 2022 zu einer Tagung mit dem Titel Jugendberufsagentur der Zukunft – Wie arbeiten SGB II und III erfolgreich zusammen? in den Ratssaal der Stadt Bielefeld geladen.

Jugendberufsagenturen brauchen eine gesetzliche Grundlage

Etwa 80 Mitarbeitende kamen – zur Hälfte aus Jobcentern und zur Hälfte aus Arbeitsagenturen in Nordrhein-Westfalen –, um sich auszutauschen, Antworten zu finden und am Ende Forderungen an die Politik herauszuarbeiten. Mehr als Radloff erwartet hätte und ein klares Zeichen dafür, dass das Thema einerseits bei allen präsent ist und andererseits viel Klärungsbedarf besteht. In zweieinhalb Stunden gab es drei Vorträge und zwei Arbeitsdurchgänge in Gruppen. Im Kern der Tagung standen zwei Fragen: Wie gelingt es, die Potenziale der Jugendberufsagentur besser zu nutzen? Und warum ist die Jugendberufsagentur gerade jetzt ein gutes Instrument?

Haben die Anwesenden Antworten gefunden? Ja, wir müssen gemeinsam auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und gemeinsame Strategien entwickeln, sagt Radloff mit Blick auf die erste Frage. Aber wir dürfen uns nicht in die Tasche lügen und sagen: Bei uns läuft alles toll. Wir müssen transparent die Probleme ansprechen und gemeinsame Lösungen entwickeln. Doch damit das gelingen kann, sei eine gesetzliche Grundlage für die Jugendberufsagentur notwendig, erklärt Radloff. Aktuell handelt jeder nach seiner eigenen Vorstellung, was so eine Agentur leisten kann und auch darf. Ohne rechtliche Regelung blieben die Jugendberufsagenturen hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Und warum braucht es gerade jetzt die JBA? Wir haben das allein schon bei dieser Veranstaltung erlebt: Einige Teilnehmende kamen später oder gar nicht, weil Regionalzüge wegen Personalmangels einfach ausgefallen sind, erzählt Radloff. Der Fachkräftemangel ist für jeden im Alltag spürbar und deshalb müsse die Gesellschaft jetzt dringend die Potenziale der Jugendlichen nutzen. Die Jugendberufsagenturen seien hier ein wichtiges Instrument. Natürlich spielt auch die Corona-Pandemie eine Rolle: Viele Jugendliche konnten während der Pandemie keine betrieblichen Erfahrungen wie Praktika sammeln. Ihnen fehlt die Orientierung, welche Berufe es bei ihnen vor Ort überhaupt gibt, sagt Radloff.

Fünf Forderungen für die Zukunft der JBA

Schnell wurde bei der Tagung klar, dass zweieinhalb Stunden nicht ausreichen würden: Viele Fragen waren noch offen, der Austausch blieb rege. Im Anschluss an die Veranstaltung wurden fünf Oberthemen herausgearbeitet, die bei der Weiterentwicklung der Jugendberufsagenturen helfen sollen:

  1. Die Jugendberufsagenturen benötigen eine gemeinsame rechtliche Grundlage, ein Selbstverständnis als eine gemeinsame Organisation sowie ein gemeinsames Maßnahmeangebot aller Beteiligten aus allen Rechtskreisen.
  2. Die Jugendberufsagenturen sollten als Gesamtorganisation verantwortlich sein für die Unterstützung junger Menschen beginnend von der beruflichen Orientierung bis hin zum Übergang in ein Arbeitsverhältnis.
  3. Jugendberufsagenturen müssen junge Menschen niedrigschwellig und aus einer Hand mit einem einheitlichen Beratungsverständnis unterstützen.
  4. Die Jugendberufsagenturen benötigen Strukturen und Technik, die Schnittstellen in der Förderplanung vereinfachen und minimieren. Die verbindliche Zusammenarbeit von Schulen und Jugendberufsagenturen sollte gesetzlich verankert werden.
  5. Die Zugänge zu Hilfsangeboten müssen adressatengerecht und inklusiv sein. Erstkontakt, Beratungsleistungen und aufsuchende Hilfen benötigen ein zeitgemäßes Setting, das eine Kommunikation auf Augenhöhe ermöglicht.

Die Tagung hat mir deutlich gemacht, wie wichtig das Thema ist. So wichtig, dass es auch bundesweit diskutiert werden sollte, fasst Rainer Radloff zusammen. Er könne das leider nicht mehr organisieren, denn er gehe demnächst in Rente. Dann muss der Nachwuchs übernehmen.