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Hintergrundbericht

15. Mai 2017

Jugendberufsagenturen – Arbeitsbündnisse für junge Menschen

Eine Frau berät eine andere junge Frau am Computer.
In den Jugendberufsagenturen können sich junge Erwachsene über passende Ausbildungen und Karrierewege informieren. Quelle: iStock

Wenn es darum geht, junge Menschen in Ausbildung oder Arbeit zu bringen, leisten die Jugendberufsagenturen einen wichtigen Beitrag. Durch vernetzte Beratung, kurze Wege und schnelle Kontakte stellen diese Arbeitsbündnisse für junge Menschen einen reibungslosen Ablauf zwischen den verschiedenen Sozialleistungsträgern sicher – damit Jugendliche und junge Erwachsene im Berufsleben besser Fuß fassen können.

Jungen Erwachsenen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen, um in Ausbildung oder Arbeit zu kommen – das ist das Ziel der Arbeitsbündnisse von Jobcenter, Jugendamt und Agentur für Arbeit, die oft unter dem Sammelbegriff Jugendberufsagenturen firmieren. Die enge rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit erleichtert es vor allem denjenigen mit besonderem Förderungsbedarf, etwa Jugendlichen ohne Schulabschluss, mit psychosozialen Schwierigkeiten oder auch jungen Geflüchteten alle für sie notwendigen Leistungen während des Übergangs von der Schule in die Ausbildungs- und Arbeitswelt zu erhalten. Deutschlandweit gibt es über 200 solcher Kooperationen der drei Sozialleistungsträger.

Wie wichtig dieser Ansatz ist, zeigt die Erfahrung, dass in der Vergangenheit viele junge Menschen zwischen den Institutionen verloren gingen – weil Jugendliche die komplexen Zuständigkeiten von Jobcenter, Agentur für Arbeit und Jugendamt nicht immer überblicken können: Für die Leistungen des SGB II ist das Jobcenter zuständig, für die Berufsberatung, Berufsvorbereitung und Ausbildungsförderung die Arbeitsagentur, für die Betreuung zum Beispiel in familiären Konfliktsituationen das Jugendamt. Hier setzen die Jugendberufsagenturen an – durch eine engere Verzahnung der Behörden und Rechtskreise.

Ein Meister hilft einem jungen Mann in der Werkstatt beim Zeichnen.
Zentrales Anliegen der Jugendberufsagenturen ist es, junge Menschen in eine qualifizierte Ausbildung zu bringen. Quelle: iStock

Dabei sollen junge Menschen ohne Berufsabschluss vorrangig in Ausbildung gebracht werden, um ihnen durch eine nachhaltig wirksame Qualifizierung das notwendige Rüstzeug für ein erfolgreiches Erwerbsleben mit auf den Weg zu geben. Das Primat der Ausbildung wurde auch mit dem 9. SGB-II-Änderungsgesetz, das am 1. August 2016 in Kraft trat, festgeschrieben. Das Gesetz schloss zudem eine Lücke: Auszubildende mit Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) haben – von wenigen Ausnahmen abgesehen (zum Beispiel Auszubildende nach dem SGB III mit internatsmäßiger Unterbringung) nun auch Anspruch auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des SGB II.

Partner auf Augenhöhe

Jobcenter, Agentur für Arbeit und Jugendamt bilden die drei Kerninstitutionen einer jeden Jugendberufsagentur. Durch ihre Kooperation soll sichergestellt werden, dass die Leistungen, nach dem SGB II, III und VIII abgestimmt und gebündelt werden. Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen und Herausforderungen vor Ort müssen lokale Lösungsansätze gefunden werden. Viele Jugendberufsagenturen holen weitere Kooperations- und Netzwerkpartner wie Schulen oder Schulbehörden, Schuldner- oder Suchtberatungen, Kammern oder Unternehmensverbände an Bord.

Im Fokus stehen in der Regel junge Menschen bis 25 Jahre. Es gibt jedoch auch Arbeitsbündnisse, die junge Erwachsene bis 27 oder eine bestimmte Zielgruppe in den Blick nehmen. Allen Bündnissen ist gemein, dass sich die Partnerinstitutionen zusammen auf verbindliche Ziele verpflichten, üblicherweise in einer Kooperationsvereinbarung. Wie sie ihre Ziele im Einzelnen erreichen wollen, bestimmen die Beteiligten vor Ort. Die Ansätze reichen hier von einem engeren Informations- und Erfahrungsaustausch, etwa durch gemeinsame Besprechungen oder Fortbildungen, über harmonisierte Abläufe und Schnittstellen bis hin zu einer gemeinsamen Anlaufstelle, bei der die Partner unter einem Dach zusammenarbeiten. Dies muss nicht zwangsläufig ein gemeinsames Gebäude, sondern kann auch ein virtuelles Dach sein, wie gemeinsame Sprechstunden und eine Webseite, auf der die jungen Erwachsenen schnell Orientierung über Angebote und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden.

An Schreibtischen informieren Beraterinnen und Berater junge Menschen über passende Ausbildungsberufe
Im Jugendberufsagenturen werden junge Erwachsene umfassend beraten, hier das U25-Haus in Mülheim Quelle: BMAS

Ein Ziel – viele individuelle Lösungen

Insbesondere in größeren Städten setzen viele Jugendberufsagenturen auf Angebote unter einem Dach, zum Beispiel in Berlin, Mülheim, Essen, Rostock, Hamburg oder Bremen und Bremerhaven. Auch die Jugendberufsagentur im Landkreis Neunkirchen und der JugendServiceMSE im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sitzen in einem gemeinsamen Gebäude – zwei Beispiele für Jugendberufsagenturen im ländlichen Raum.

Neben Jugendberufsagenturen unter einem Dach existieren zahlreiche weitere Kooperationsformen. In Flächenländern müssen oft größere Entfernungen überbrückt werden. Hier werden zum Beispiel Beratung in gemeinsamen Sprechstunden an Schulen angeboten, Mobilitätstickets eingesetzt, Infobusse oder virtuelle Plattformen mit geschützten Log-In-Bereichen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung gestellt.

Weicher Übergang von der Schule in den Beruf

Vor allem die enge Zusammenarbeit mit Schulen und Schulbehörden gilt in vielen Jugendberufsagenturen als Schlüssel zum Erfolg. So setzt zum Beispiel die Jugendberufsagentur im niedersächsischen Garbsen auf Kooperationsvereinbarungen mit den Schulen vor Ort. Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Ausbildungslotsen, Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleiter und Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter sollen gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Jobperspektiven entwickeln. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne berufliches Ziel dastehen.

Eine junge Frau mit Helm und Schutzbrille beim Anschrauben einer Glasplatte
Berufsorientierung und Berufsberatung gehören zum Leistungsspektrum der Jugendberufsagenturen. Eine junge Frau hat ihren Ausbildungsplatz im Baugewerbe gefunden Quelle: iStock

Zudem ermöglicht die Einbindung von Schulen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendberufsagenturen die jungen Menschen dort abholen können, wo sie sind. Die Hilfe muss im Flächenkreis zu den Jugendlichen, so lautet ein Grundgedanke im JugendServiceMSE, der u.a. eng mit Schulen, der Jugendsozialarbeit und Streetworkerinnen und Streetworkern arbeitet.

Auch im Landkreis Warendorf bieten Jobcenter, Agentur für Arbeit und Jugendamt gemeinsame Sprechstunden und Beratungen in den Schulen an. Hier ist die Einbindung des Jobcenters zudem in der Beratung von neuzugewanderten Jugendlichen in den internationalen Förderklassen geplant. Im Landkreis Neunkirchen wiederum werden in den 8. Schulkassen der Gemeinschaftsschulen Förderkonferenzen durchgeführt, an denen mit den jeweiligen Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern sowie Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern Förderbedarfe identifiziert und Möglichkeiten zur Unterstützung besprochen werden.

Herausforderungen und Chancen für die Jobcenter

Wenn sich unterschiedliche Partner zusammentun, erfordert das Offenheit und einen Perspektivwechsel aller Beteiligten. Jobcenter, Agentur für Arbeit und Jugendämter bringen verschiedene Arbeitskulturen in die Kooperation ein. Sie erfüllen unterschiedliche rechtliche Aufgaben und verfolgen entsprechend eigene Zielstellungen. Die permanente Abstimmung über die gemeinsamen Aufgaben und Strategien und das gemeinsame Vorgehen in einer Jugendberufsagentur ist aufwändig, umso mehr in Flächenlandkreisen, in denen gleich mehrere Kommunen und kommunale Einrichtungen mit an Bord sind – oder wenn mit Schulen und Schulämtern weitere Institutionen mit ihren eigenen Gesetzes- und Handlungslogiken Teil des Gesamtgefüges Jugendberufsagentur sind bzw. werden.

Doch die enge Zusammenarbeit lohnt sich. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat im vergangenen Jahr mit seinen Mitgliedern Empfehlungen für eine gelingende Zusammenarbeit an den Schnittstellen für die Leistungen nach SGB II, SGB III und SGB VIII erarbeitet. Aus diesen Empfehlungen hat er zehn Erfolgsmerkmale guter Jugendberufsagenturen als Grundlage für ein Leitbild abgeleitet, die in der Veranstaltung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Erfolgskriterien guter Jugendberufsagenturen am 21. Oktober 2015 auf breite Zustimmung gestoßen sind. Im Januar 2016 veröffentlichte der Deutsche Verein das gemeinschaftlich mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit abgestimmte und weiterentwickelte Grundlagenpapier Erfolgsmerkmale guter Jugendberufsagenturen . Das Papier soll Grundlage für für eine gute und erfolgreiche Kooperation vor Ort sein. Die gelebte Praxis der bestehenden Arbeitsbündnisse zeigt, dass diese Merkmale auch aus Sicht der Praktiker in Jobcentern, Agenturen für Arbeit und Jugendämtern als Erfolgskriterien gelten: Ein gemeinsamer Gestaltungswille, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, kurze Wege zwischen den beteiligten Akteuren, die Einbindung von Schulen und Schulämtern und das eigene Verständnis der Jugendberufsagentur als ein entwicklungsoffenes, lernendes System werden wiederholt als Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit genannt. Dort, wo die Zusammenarbeit von einem gemeinsamen Willen getragen wird, profitieren Jobcenter, Jugendamt und Agentur für Arbeit von der Zusammenarbeit: Schnittstellen zwischen den Rechtskreisen werden anders beachtet, Zuständigkeiten klarer voneinander abgegrenzt, ein besseres Aufgabenverständnis für die Netzwerkpartner gewonnen. Und es entwickelt sich eine lokale Verantwortungsgemeinschaft für junge Menschen am Übergang in den Beruf.

Junge Bauarbeiterin in einer Lagerhalle
Jugendberufsagenturen stellen die jungen Erwachsenen mit ihren Berufswünschen und Bedarfen in den Mittelpunkt Quelle: iStock

Wer die Prozesse des Anderen kennt, kann schneller und zielführender passgenaue Lösungen für die Zielgruppe anbieten – mit so wenig Reibungsverlust wie möglich, so Mario Geißenhöfer und Rico Pretzsch vom Haus der Jugend in Leipzig. Wesentlich für den Erfolg ist daher der Blick für die Bedarfe der Menschen: Die soziale und berufliche Integration junger Menschen muss in den Fokus der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit gerückt werden, erläutern Joachim Gölzer, Stefan Gerber und Marc Rousselange aus Neunkirchen. Auch Dr. Matthias Peilert vom Landkreis Warendorf betont: Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe rückt die berufliche Integration junger Menschen in den Fokus.

Die Früchte des gemeinsamen Vorgehens sind aufeinander abgestimmte Förderketten für all jene, die auf die gebündelte Hilfe und Expertise der Sozialleistungsträger angewiesen sind.