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"Ich spürte so viel Druck"

31. Oktober 2018

Verena Michele und Alexandra Munsch sind gesundheitlich beeinträchtigt. Über das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe“ fanden beide eine 20-Stunden-Stelle. Freimütig sprechen die beiden Nürnbergerinnen über ihre Situation.

Die drei Frauen stehen vor dem Kleiderladen.
Alexandra Munsch (l.) und Verena Michele (r.) zusammen mit ihrer Chefin vom Kleiderladen des paritätischen Wohlfartsverbands. Quelle: Jens Wegener

Alexandra Munsch: Ich habe als Kind einen Autounfall gehabt, bin seitdem auf einem Ohr taub. Bis heute leide ich unter Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen. „Quelle“ hatte meine Beeinträchtigungen damals akzeptiert. Ich hab meine Arbeit gemacht und auch gute Leistungen erbracht. Tja, aber dann ging der Konzern pleite.

Verena Michele: Ich hab eine schwere Essstörung, die ist auch noch aktuell. Ich war damit auch zweimal in der Klinik, das Ganze war von schweren Depressionen begleitet, und deshalb war ich über sieben Jahre arbeitslos.

Verena Michele besuchte im Herbst 2017 einen der Fokusgruppen-Workshops zur Bedarfserhebung. Ein Glücksfall für die alleinerziehende Mutter.

Verena Michele: Das war super! Ich hab zum ersten Mal begriffen, dass andere dieselben Probleme haben wie ich. Vorher spürte ich so viel Druck, zum Beispiel wegen der schulischen Leistungen meiner Tochter. Durch den Workshop bin ich viel entspannter geworden, das hat mir sehr geholfen.

Michele und Munsch betrachten eine Jacke.
Verena Michele und Alexandra Munsch in der Herrenabteilung des Kleiderladens. Quelle: Jens Wegener

Zur Mittagszeit herrscht im Kleiderladen in der Nürnberger Weststadt ziemlicher Andrang. Eine junge Familie interessiert sich für die Sommerkleidung, zwei ältere Männer probieren Hemden an. Die beiden Verkäuferinnen führen uns durch die verschiedenen Bereiche. Obgleich das Geschäft wirklich klein ist, benutzt Verena Michele stolz Kaufhaus-Begriffe.

Verena Michele: Das hier ist die Herrenabteilung. Die Damenabteilung haben wir nach Größen unterteilt. Da hinten sehen Sie die Umkleidekabine mit der Schuhabteilung.

Der Fotograf bittet für eine seiner Aufnahmen um eine bestimmte Körperhaltung. Michele und Munsch drehen ihre Köpfe und stellen sich etwas seitlicher auf. Sie lachen herzlich dabei und entschuldigen sich.

Alexandra Munsch: Wir sind nicht geübt!

Nahaufnahme einer Kleiderstange
Quelle: Jens Wegener

Man sieht, die beiden fühlen sich wohl. Wie eine zweite Familie sei es hier, sagt Munsch. Es ist eine Momentaufnahme, die Stelle im Kleiderladen läuft bis zum Jahresende. Angst vor der Zukunft kommt bei den beiden Frauen trotzdem nicht auf.

Alexandra Munsch: Also der Wohlfahrtsverband würde uns gern behalten. Die sind sehr zufrieden mit uns.

Verena Michele: Wir sind ganz hoffnungsvoll, dass es hier für uns weitergeht.