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Stimmen aus den Jobcentern: Meine Vision für 2024

29. April 2019

Wie stelle ich mir „mein“ Jobcenter in fünf Jahren vor? Welche Prozesse sollten bis dahin digital sein? − Jobcenter-Geschäftsführungen berichten, wie sie sich die digitale Zukunft für ihr Jobcenter vorstellen.

Grafik: Drei unterschiedlich große Sprechblasen.

Nutznießer werden vor allem die Bürgerinnen und Bürger sein

Porträtfoto von Bernd Schade
Bernd Schade, Jobcenter Potsdam Mittelmark MAIA

Man kann durchaus gespannt sein. Ich rechne damit, dass wir dann Online-Antragstellung haben, dass man online Termine machen und Unterlagen einreichen kann, dass wir per ePost unsere Bescheide verschicken, und dass wir die eAkte haben − das wären die Digitalisierungsvorhaben, die wir in fünf Jahren sicherlich erreicht haben. Bei der ePost und der eAkte laufen die Einführungsprojekte bereits, die anderen Themen sind noch in der Konzeptionsphase. Nutznießer werden vor allem die Bürgerinnen und Bürger sein, für uns im Haus bleibt die Arbeit ja im Wesentlichen dieselbe, denn es macht keinen großen Unterschied, ob wir eine Datei oder einen Papierbrief öffnen. Deshalb verspreche ich mir von der Digitalisierung − außer ein paar Synergieeffekten − auch keine nennenswerten Personaleinsparungen. Die Dienstleistungsqualität, die verbessern wir damit allerdings enorm.

Technik muss immer Mittel zum Zweck bleiben

Porträtfoto von Mathias Bielich
Mathias Bielich, Jobcenter Bautzen

Die Kommunikation wird sich verschieben: es wird mehr über digitale Kanäle abgewickelt werden − Videochats, Sprachnachrichten, Datenbereitstellung werden der Normalfall sein. All dies wird jedoch kein Vollersatz für die klassischen Kommunikationswege sein. Das individuelle Beratungsgespräch vor Ort können wir nicht technisch ersetzen, im Gegenteil, wir müssen es schützen und bewahren. Was die interne Arbeit betrifft: Papier wird weiter verschwinden. Das klassische Ein- oder Zwei-Personen-Büro dürfte sich nach und nach verabschieden zugunsten von Telearbeit und Home-Office. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden künftig eine hohe Digitalkompetenz, ein hohes Technologieverständnis benötigen. Aber: Technik muss immer Mittel zum Zweck bleiben. Das heißt, auch 2024 werden bei uns Menschen für Menschen arbeiten.

Die Digitalisierung darf nur ein Zusatzangebot sein

Porträtfoto von Michael Müller
Michael Müller, Jobcenter Kreis Wesel

Die erste Vision, die ich habe, ist, dass alle unsere Kundinnen und Kunden über eine Chipkarte verfügen, mit der man sofort alle Daten auf dem Schirm hat − bundesweit, auch wenn man sich mal in einer anderen Stadt befindet. Was ich mir auch vorstellen kann, sind Online-Terminierungen, mit denen es kaum noch Warte- und Leerlaufzeiten gibt. Damit verbunden die Antragstellung, die flächendeckend für alle Bereiche zumindest als Angebot vorhanden sein wird. Darüber hinaus denke ich an einen Online-Rechner im Internet, also einen SGB-II-Rechner, der einem nach Dateneingabe schon mal grob sagt, ob und welche Ansprüche man hat. Trotz all dieser Ideen möchte ich betonen, dass die technische Weiterentwicklung immer nur ein Zusatzangebot zum persönlichen Kontakt mit den Kundinnen und Kunden bleiben muss.

Gute Beratung wird stets eine persönliche Beratung bleiben

Porträtfoto von Kerstin Wendt
Kerstin Wendt, Vorständin der Arbeit im Landkreis Verden, kommunales Jobcenter Verden

Ich stelle mir vor, dass wir im passiven Bereich, also dem Leistungsrecht, einen automatisierten Workflow von Antragstellung bis -bewilligung haben werden, mit praktischen Funktionen wie etwa Plausibilisierungstools − ähnlich wie bei ELSTER. Die Leistungsberechtigten müssen dann nicht mehr achtseitige Formulare zu den Kindern durchgehen, wenn sie gar keine haben. Auch die Sachbearbeitung gewinnt Zeit und kann sich stattdessen intensiver um Rechtsprüfungen und Beratungen kümmern. Im aktiven Bereich, der Vermittlung und Qualifizierungsberatung, sehe ich ebenfalls automatisierte Verfahren rund um Geldzahlungen. Wir werden aber mehr als jetzt außerhalb von Büroräumen beraten und mit den Leistungsberechtigten interagieren können. Gute Beratung in schwierigen Lebenssituationen wird stets eine persönliche Beratung bleiben müssen. Eine reale Anlaufstelle ist aus meiner Sicht deshalb immer erforderlich.

Auch die Führungskräfte werden sich weiterentwickeln

Porträtfoto von Thomas Friedrich
Thomas Friedrich, Jobcenter Coburg

Es werden auch in fünf oder zehn Jahren Menschen in schwierigen Lebenssituationen ins Jobcenter kommen und dort Beratung benötigen. Dafür wird es weiterhin Fachkräfte brauchen, die ihnen zur Seite stehen. Die Digitalisierung entlastet unsere Kolleginnen und Kollegen dabei mehr und mehr von Routinearbeiten und setzt Ressourcen frei für die individuelle Zuwendung. Sie hat mit Sicherheit große Auswirkungen auf die Arbeitsprozesse, die flexibler und agiler werden. Es ändert sich, wann und von wo aus sie erledigt werden; es bieten sich viele Möglichkeiten, Beruf, Familie und private Interessen besser miteinander zu verbinden. Man wird mehr in flexiblen Projektgruppen arbeiten, beispielsweise wenn es um bestimmte, klar definierte Zielgruppen für die Integration geht. Auch die Führungskräfte werden sich weiterentwickeln müssen, ihre Rolle wird sich massiv verändern − weg vom situativen oder autoritären Stil dahin, dass sie zum Dienstleister und Mentor des Teams werden.