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Alle Infos an einem Platz: Das „Jobcenter-Wiki“ in Kiel

6. Dezember 2021

Das Jobcenter Kiel organisiert sein Wissen in einem hausinternen Wiki. Innerhalb kurzer Zeit wurde es zum digitalen Gedächtnis des Jobcenters.

Kiel Wiki Logo

E-Mails, Ablagen, ein Handbuch – wenn Mitarbeitende des Jobcenters Kiel früher eine Frage hatten, mussten sie zunächst eine andere Frage klären: Wo könnte ich wohl meine Antwort bekommen? „Es wurde sehr viel Wissen über E-Mails verteilt, über Schulungen und viele Mitarbeitende hatten ihre eigenen Speicherorte“, erinnert sich Mandy Anderle, die seit 2006 im Jobcenter arbeitet. „Wenn es Änderungen gab, wussten wir nie so genau: Ist jetzt diese Version aktuell oder liegt irgendwo noch eine neuere?“

Die Unübersichtlichkeit hatte im Jahr 2020 ein Ende. Das Kieler Jobcenter entschied sich für ein hauseigenes Pendant zu einem bekannten Internetlexikon. Im „Jobcenter-Wiki“ kommt inzwischen alles zusammen, was Mitarbeitende in ihrem Alltag nachschlagen müssen. Mehr als 500 Artikel beschreiben Arbeitsabläufe, rechtliche Grundlagen und Weisungen aus allen Bereichen der Behörde. Das Wiki-System ist komplett digital und läuft daher auch im Homeoffice. Die Stichwortsuche funktioniert wie in Internet-Suchmaschinen.

Viele Inhalte waren schon da, viel Schreibarbeit noch nötig

Technische Grundlage für das Wiki ist jene Software, die auch das Internetlexikon nutzt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) stellt sie zur Verfügung. Auf den Servern der BA sind auch die Inhalte der einzelnen „Jobcenter-Wikis“ gespeichert. Sämtliche Artikel müssen die Jobcenter selbst erstellen. Viele Stunden Schreibarbeit sind nötig oder wie im Fall des Jobcenters Kiel: Umschreib- und Umstrukturierungsarbeit. Das Kieler Wiki startete nicht mit einem weißen Blatt Papier, denn es gab bereits ein Handbuch für die Mitarbeitenden mit 150 Themen. Zwei Teamleitungen haben es früher gepflegt, waren aber die einzigen, die Texte ändern konnten.

Mandy Anderle begann im Juni 2019 am Handbuch zu arbeiten und brachte schnell eigene Ideen ein. Die ausgebildete Fallmanagerin absolvierte eine Fortbildung in Wissensmanagement beim TÜV Nord in Hamburg. „Ich bin ein sehr strukturierter Mensch“, sagt Anderle über sich. Auf der Suche nach einer besseren Struktur für das Handbuch stieß sie dann auf das Wiki-Konzept. Die Jobcenter-Leitung entschied sich schnell dafür. Geschäftsführer Karsten Böhmke findet am Wiki insbesondere den Ansatz der Wissensvermittlung interessant: „Wissen zu teilen und daraus zu lernen ist ein Teil der Kulturdimensionen und des Leitbildes des Jobcenters Kiel. Mit dem Wiki als Plattform können wir dies bestens umsetzen und partnerschaftlich team- und bereichsübergreifend Wissen teilen.“

Karsten Böhmke
Geschäftsführer Karsten Böhmke ist überzeugt von der digitalen Wissensvermittlung.

„Jobcenter-Wiki“ enthält Inhalte aus allen Bereichen

Ab Oktober 2019 übertrug Mandy Anderle erste Inhalte ins Wiki und gab ihnen eine einheitliche Struktur. Die Seiten sehen nun tatsächlich so aus wie ein Lexikonartikel im Internet, mit einzelnen Kapiteln und einem Inhaltsverzeichnis. Im März 2020 startete das Wiki unter Beteiligung von Personalvertretungsgremien und der behördlichen Datenschützerin für alle Mitarbeitenden. „Durch die Inhalte aus dem Handbuch gab es von Anfang an einen Anreiz, etwas im Wiki zu suchen“, sagt Anderle.

Kiel-Wiki-Startseite
Alle Mitarbeitenden dürfen mitschreiben. Mehr als 500 Artikel sind inzwischen entstanden.

Das „Jobcenter-Wiki“ begrüßt die Nutzenden mit aktuellen Infos und schafft damit einen Anreiz, häufiger hineinzuschauen. Auf der Startseite gibt es auch schnelle Zugriffe auf häufig genutzte Seiten, ebenso werden wichtige neue Änderungen dargestellt. Mitarbeitende haben dann drei Möglichkeiten zu navigieren: Sie nutzen entweder die Stichwortsuche, suchen nach Themengebieten (Kategorien) oder sie klicken sich über die Sachgebiete durch die Ebenen – ähnlich wie man sich durch eine Ordnerstruktur auf dem Computer bewegt. Es gibt die drei Sachgebiete „Unser Jobcenter“ mit Informationen für die Beschäftigten, außerdem „Markt und Integration“ sowie den „Leistungsbereich“. Diese Sachgebiete untergliedern sich dann weiter in Unterkategorien mit vielen einzelnen Artikeln: von A wie Abschlussverfügung über S wie Sozialbedarfs-Paket bis Z wie Zuständigkeiten.

Kiel-Wiki-Leistungsbereich
Auf den Seiten der Sachgebiete finden sich alle Artikel in einer Liste.

Hauptmerkmal eines Wikis: Alle Nutzenden können selbst etwas beitragen. Von den Auszubildenden bis zum Geschäftsführer sind alle rund 500 Mitarbeitenden berechtigt. Die Sorge vor chaotischen Zuständen kann Mandy Anderle zerstreuen: „Im Wiki können wir sehen, wer wann was geändert hat. Alle früheren Versionen bleiben erhalten.“ Außerdem enthält jeder Artikel eine Diskussionsseite: Wer Fragen hat oder Zweifel an der Richtigkeit mancher Angaben, kann sich hier austauschen. Manche Diskussionen leitet Anderle zur Klärung an den Fachbereich weiter.

Redaktionsleiterin und neun Spezialisten prüfen Inhalte

Mandy Anderle, die in Teilzeit beschäftigt ist, kümmert sich hauptamtlich um Wissensmanagement und hat das Wiki ständig im Blick. Sie ist Redaktionsleiterin, nicht im inhaltlichen Sinne, sondern im administrativen. Neun Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Bereichen des Jobcenters helfen ihr neben dem Tagesgeschäft mit ihrem Spezialwissen. In regelmäßigen Workshops entwickelt das Team das Wiki weiter. Im Jahresrhythmus kommen alle Artikel auf den Prüfstand und werden auf möglicherweise veraltete Angaben überprüft.

Kiel-Wiki-Artikelseite
Auch die Artikelseiten, hier zum Thema Einkommen, sehen aus wie in der bekannten Wikipedia.

Insbesondere die neuen Mitarbeitenden des Jobcenters freuen sich über diese praktische Art und Weise, sich selbst einarbeiten zu können. Sie lernen nun von Anfang an das „Jobcenter-Wiki“ als zentrale Plattform kennen. Monatlich verzeichnet das Wiki rund 9.000 Zugriffe, dabei werden etwa 20.000 Seiten aufgerufen. Durchschnittlich sind 280 Mitarbeitende gleichzeitig im Wiki aktiv. Mandy Anderle versucht nach und nach, immer mehr aktiv schreibende Kolleginnen und Kollegen zu finden. Derzeit sind es rund 50 pro Monat. Zum Start fanden während der Corona-Pandemie Videoschulungen statt. Nach der Pandemie will Anderle gezielt und nacheinander auf alle Teams zugehen, um Interessierte zu finden.

Regelmäßige Werbung rückt Wiki ins Bewusstsein

Eine zentrale Aufgabe im laufenden Betrieb ist es, auf das Wiki aufmerksam zu machen. Darin ist Christian Sengeleitner ein Experte. Der Bereichsleiter des Jobcenters Berlin Reinickendorf half den Kieler Kolleginnen und Kollegen, nachdem er schon zuvor in Berlin Tempelhof-Schöneberg ein Wiki etabliert hatte. „Nach dem Start des Wikis geht die Arbeit erst los“, meint Sengeleitner. „Man muss sich immer darum kümmern, dass die Kolleginnen und Kollegen es auch wirklich nutzen und nicht separat ihr Wissen ablegen.“ Ein Anreiz bietet Exklusivität: Weisungen etwa erscheinen zuerst im Wiki. Sie werden zwar auch per E-Mail verschickt, jedoch mit einem Link auf das Wiki. So beginnt niemand, die Information doch wieder in eine eigene Ablage zu legen.

Niemand müsse die Sorge haben, etwas zu verpassen, sagt Anderle. Es gibt sogar die Option, Wiki-Artikeln zu folgen und eine Nachricht zu bekommen, sobald eine Aktualisierung erscheint. Ziel sei aber, sagt Anderle, mit dem Wiki die Zahl der Rundmails zu reduzieren: „Unser Wiki ist bereits zur Hauptkommunikationsplattform geworden. Es gibt schon jetzt viel weniger Mails.“ Im Gegenzug wächst bundesweit die Anzahl der Wikis, berichtet Sengeleitner: „In den vergangenen Jahren sind in vielen Jobcentern Wikis entstanden. Ich habe von keinem gehört, wo ein Wiki wieder eingestellt wurde.“

Das Tool „MediaWiki“

Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Jobcentern das Wiki-System zur Verfügung. Jobcenter können ein Wiki über ihr regionales IT-Management anfragen. Die BA stellt dann auch den Speicherplatz zur Verfügung. Im November 2021 nutzten rund 50 Jobcenter das Wiki-System. Informationen zu den Kosten für ein Wiki hält der Servicekatalog der BA bereit.

Mehr Informationen
3 Fragen an den Wiki-Experten Christian Sengeleitner.