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Expertengespräch mit Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes

27. Juni 2018

Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes forscht am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim im Bereich „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung“ und ist als Juniorprofessorin für empirische Personalökonomik an der Universität zu Köln tätig. Im Gespräch mit der Servicestelle SGB II erklärt sie, welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, um Frauen zu fördern.

Porträt Susanne Steffes. Sie hat ein längliches Gesicht und lächelt.

Servicestelle SGB II: Frau Steffes, hat ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vorteile für ein Unternehmen?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: In vielen Unternehmen ist das der Fall. Eine Diversität, also auch Geschlechterdiversität, kann positiv für den Betrieb sein. Denn die Art und Weise, wie Frauen und Männer agieren, miteinander kommunizieren und wie sie an bestimmte Fragestellungen herangehen kann sehr unterschiedlich sein. Somit ist eine Mischung beider Geschlechter von Vorteil und belebt den Arbeitsprozess. Aber auch unabhängig von solchen Argumenten werden Frauen auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger, aufgrund des demografischen Wandels und von Fachkräfteengpässen.

Servicestelle SGB II: Das sind bereits gute Argumente. Gibt es weitere, die man kennen sollte um Unternehmen davon zu überzeugen, mehr Frauen einzustellen?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Es gilt in erster Linie ein zentrales Urteil aufzulösen, das Arbeitgeber teilweise dazu veranlasst, Frauen zu benachteiligen: Sie erwarten bei jungen Frauen, dass diese bald Kinder bekommen und dann ausfallen. Mein Gegenargument ist stets, dass das natürlich passieren kann, es aber in den letzten Jahren zwei wichtige Entwicklungen gab, die man bedenken sollte. Zum einen ist die durchschnittliche Länge der Elternzeit bei den Frauen gesunken. Zum anderen gehen mittlerweile auch die Männer häufiger in Elternzeit. Die Unterschiede lösen sich also ein Stück weit auf, auch wenn es noch ein weiter Weg ist, bis sich Väter und Mütter die Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit gleichberechtigt aufteilen
Ein zusätzliches Argument ist, dass ein Unternehmen es mit in der Hand hat, wie lange Mütter und Väter am Arbeitsplatz fehlen.

Servicestelle SGB II: Wie genau kann ein Unternehmen die Länge der Auszeit beeinflussen?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Es kann ihnen die Möglichkeit bieten, Teilzeit in der Elternzeit zu arbeiten. So lässt sich der Wiedereinstieg nach der Geburt eines Kindes leichter gestalten. Denn es bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in Elternzeit befinden und gleichzeitig einige Stunden pro Woche arbeiten, maximal aber dreißig. Ihr Vollzeitjob steht ihnen dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu. In der Forschung hat sich gezeigt, dass dies ein sinnvoller Ansatz ist: Frauen, die während ihrer Elternzeit in Teilzeit arbeiten, kehren auch schneller wieder in den Job zurück und die gesamte Integration läuft problemloser ab.

Servicestelle SGB II: Woran liegt das?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Die Frauen lernen auf diese Weise frühzeitig, mit der teilweise schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Kind umzugehen. Sie haben noch ein kleines Kind zu Hause und arbeiten dennoch schon einige Stunden, so können sie sich sukzessive wieder in die Arbeit einfinden.
Außerdem ist der Zeitraum ihrer Abwesenheit schlicht kürzer. Selbst wenn sie nur wenige Stunden pro Woche im Büro sind, verpassen sie keine wichtigen Entwicklungen im Unternehmen und können zum Beispiel an Schulungen teilnehmen. So lässt sich die Wissenslücke ein Stück weit schließen, die aufkommen kann, wenn man lange aus dem Unternehmen raus ist. Oder noch besser: Sie entsteht erst gar nicht.

Servicestelle SGB II: Gibt es weitere Möglichkeiten für die Betriebe, solche Auszeiten möglichst problemlos zu gestalten?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Ja, über die richtige Gesprächskultur. Wichtig ist es, sehr offen mit der einzelnen Mitarbeiterin darüber zu reden, was sie vorhat und wie lange sie in Elternzeit gehen möchte. Auch der Wiedereinstieg sollte offen thematisiert werden: Wie stellt sich die Mitarbeiterin das vor und welche Erleichterungen kann der Arbeitgeber bieten? Ist beispielsweise eine Rückkehr in Teilzeit möglich oder die Arbeit im Homeoffice? Allein über diese Art von Gesprächskultur kann der Arbeitgeber bereits Einfluss nehmen und den Prozess gemeinsam mit der Mitarbeiterin gestalten.

Servicestelle SGB II: Sie forschen unter anderem zu der Frage, wie sich Arbeitgeber für einen höheren Frauenanteil in ihren Betrieben einsetzen. Welche Maßnahmen sind hier verbreitet?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Die Möglichkeiten, in Teilzeit zu arbeiten oder die Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, werden am häufigsten angeführt. Auch das Thema Homeoffice kommt zunehmend auf. Die Arbeitgeber möchten zeigen, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Denn das fordern die Arbeitnehmer immer mehr, im Übrigen auch die Männer! Das ermöglicht natürlich auch der technologische Wandel, insbesondere wenn wir über das Thema Homeoffice sprechen – nicht alles muss vom Büro aus erledigt werden. Generell stehen diese Unterstützungsmaßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei den Arbeitgebern relativ hoch im Kurs.
Es gibt auch spezielle Weiterbildungsprogramme und Mentoringprogramme für Frauen. Diese werden jedoch nicht ganz so häufig genutzt. Denn ihr Einsatz ist stark von der Branche und der Position abhängig. In sehr männerdominierten Bereichen kann zum Beispiel ein Verhandlungstraining speziell für Frauen Sinn machen. Mentoringprogramme setzen Unternehmen häufig ein, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Servicestelle SGB II: Kinderbetreuung ist für viele Eltern und somit auch einen Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein zentrales Thema. Während große Unternehmen über die Ressourcen verfügen, zum Beispiel eine eigene Kita zu betreiben, stehen kleinere Firmen hier vor einer Herausforderung. Was könnte man ihnen raten?
Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes: Eine Option könnte ein Mutter-Kind-Arbeitsraum sein, der es ermöglicht, bei Bedarf das Kind auch mal mit zur Arbeit zu bringen ohne gleich eine Betreuungskraft einstellen zu müssen. Darüber hinaus entstehen immer mehr innovative Lösungen, die für den Arbeitgeber nicht kostspielig oder aufwändig sein müssen: Externe Vermittlungsstellen, an denen sich die Firmen beteiligen können und die kurzfristig Tageseltern vermitteln können. Oder man mietet ein Kontingent an Plätzen in öffentlichen Krippen für die eigenen Mitarbeiter an. Hier tut sich momentan viel.