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Zeit für Experimente

1. Februar 2019

Die Netzwerke ABC sind ein Raum, in dem neue Ideen entstehen. Jobcenter in ganz Deutschland haben das erkannt. Sie schaffen die Voraussetzungen, um als Organisationen zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

Illustration einer Gruppe sehr unterschiedlicher Menschen.
Quelle: Nadia Grapes/shutterstock.com

Wenn Matthias Fein vom Jobcenter München merkt, dass seine Kundinnen und Kunden Hilfe benötigen, die er ihnen nicht bieten kann, sind die Wege kurz. Er arbeitet für das Netzwerk ABC im Sozialbürgerhaus Ramersdorf-Perlach in München. Dort ist das Jobcenter gemeinsam mit den Beschäftigten des örtlichen Sozialreferats untergebracht. „Vor einer Weile hat sich bei einem Kunden herausgestellt, dass er massiv verschuldet ist. Da bin ich mit ihm zur Orientierungsberatung gegangen, die ihn über den Bezirkssozialarbeiter an die Schuldnerberatung weitervermittelt hat“, berichtet Fein. „Diese Kooperation ist hier Alltag – das ist ein institutionalisiertes Netzwerk, was wir hier leben.“ Gemeinsam ganzheitliche Lösungen finden: Die Netzwerke ABC haben das Ziel, dieses Prinzip in die Breite zu tragen.

Doch die Netzwerke ABC sind viel mehr als eine neue Form der kundenzentrierten Beratung und Vermittlung. Sie sind zugleich ein Labor, in dem neue Ideen für die Beratung entstehen, die auch das Jobcenter als Ganzes nicht unberührt lassen. Fragt man Veronika Schubring, so ist das nicht verwunderlich. Die Innovationsberaterin arbeitet für Politics for Tomorrow, einen Thinktank, der sich für Lernprozesse im öffentlichen Sektor einsetzt. „Innovationen entstehen durch die Neukombination von Elementen, die vorher noch nicht kombiniert wurden. Das gilt auch für Innovationsprozesse in Organisationen und gesellschaftlichen Kontexten“, erklärt sie. Auf diese Weise werden auch die Netzwerke ABC, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz unterschiedlicher Akteure zusammenkommen, zu einem Raum für neue Ideen.

Viele Jobcenter in ganz Deutschland haben diese Potenziale erkannt und schon beim Start der Netzwerke ABC mitgedacht. „Als wir die Netzwerke ABC eingeführt haben, wollten wir eine Blaupause dafür schaffen, wie man mit den Kundinnen und Kunden richtig arbeitet“, sagt Steve Kanitz, als Bereichsleiter zuständig für die Netzwerke ABC im Jobcenter Landkreis Stendal. „Das Netzwerk ABC ist unser Experimentierraum, in dem wir ausprobieren können, was dafür notwendig ist.“ So entstand etwa die Idee der Arbeit mit Kundinnen und Kunden in Kleingruppen, die in Stendal mittlerweile auch ins Regelgeschäft übertragen wurde.

Dabei spielen auch die Ideen der Netzwerkpartner eine wichtige Rolle, wie Joachim Tag, Geschäftsführer des Jobcenters Lübeck, bestätigt. Das Netzwerk ABC umfasst dort unter anderem Sozialversicherungsträger, Kammern und Beratungsstellen, aber auch die Arbeitgeber selbst. „In diesem Netzwerk können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Trägern kreativ neue Angebote entwickeln. Diese Ideen stellen wir dann auch anderen Teams zur Verfügung. Dadurch sind die Netzwerke ABC ein Stück weit Innovationsmotor für das ganze Jobcenter“, erzählt er.

Damit Experimentierräume funktionieren, müssten zwei Voraussetzungen gegeben sein, erklärt Veronika Schubring: „Es braucht einen geschützten Rahmen, in dem die Beschäftigten Ideen ausprobieren und auch scheitern dürfen. Zugleich müssen die beteiligten Institutionen bereit sein zu lernen. Dafür muss der Informationsfluss zurück in die Organisation möglich sein.“

Die Jobcenter sorgen auf ganz unterschiedliche Weise dafür, dass das Wissen zurückfließt. Dabei gilt es einerseits, vorhandene Schnittstellen zu nutzen, etwa beim Austausch der Führungskräfte bis hinauf in die Geschäftsführung oder in Besprechungen zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Fachebene. „Um diese Potenziale zu nutzen, ist es entscheidend, eine Atmosphäre des Austauschs zu schaffen. Ich unterstütze das ausdrücklich und besuche die Teams auch bei der Arbeit vor Ort, wo es möglich ist“, unterstreicht Joachim Tag aus Lübeck.

Doch die Jobcenter schaffen auch neue Formate, um lernfähig zu bleiben. So ist in München 2016 der Prozess „Kontinuierliche Verbesserung“ gestartet, bei dem Beschäftigte Vorschläge zu ganz unterschiedlichen Themen hierarchieunabhängig einbringen können und der auch offen für Vorschläge aus den Netzwerken ABC ist. In Stendal arbeitet das Jobcenter mit der Hochschule Magdeburg-Stendal innerhalb sogenannter Qualitätszirkel zusammen. Die wissenschaftliche Evaluation nutzt das Jobcenter, um Innovationen aus der Netzwerkarbeit und aus anderen Projekten in funktionierende Regelinstrumente zu verwandeln.

Als geschützter Raum für Ideen bedeuten die Netzwerke ABC auch eine neue Vertrauenskultur innerhalb der Jobcenter. „Wir erwarten von unseren -Beschäftigten den Mut, Ideen auszuprobieren, auch wenn nicht immer alles auf Anhieb funktioniert“, betont Ana Paula May, die in der Geschäftsführung des Jobcenters Region Hannover die Personalentwicklung verantwortet. Dabei hilft die dezentrale Verantwortungsstruktur, die das Jobcenter Region Hannover nicht nur in den Netzwerken ABC geschaffen hat. Sie ermöglicht es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort, sehr eigenständig zu arbeiten und selbstständig Entscheidungen zu treffen. In Situationen wie diesen tun sich zugleich besondere Chancen der persönlichen und beruflichen Entwicklung auf, wie Ana Paula May erläutert: „Die Arbeit mit den Netzwerkpartnern stellt natürlich besondere Anforderungen an die Fachkräfte. Aber zugleich können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärkenorientiert arbeiten und ihre Talente innerhalb dieser Freiräume besonders gut weiterentwickeln.“

Für Jobcenter, die diese Prinzipien beherzigen, können die Netzwerke ABC also der Beginn einer spannenden Reise sein, auf der sowohl die Organisation als auch ihre Beschäftigten dazulernen.