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Gesundheitsförderung als Netzwerkaufgabe

18. Juli 2016

Interview mit Sabine Kupferschmidt vom Jobcenter Essen

Sabine Kupferschmidt ist Bereichsleiterin im JobCenter Essen-West. Das Thema Gesundheitsförderung ist einer der zentralen Bausteine in Essen, um auch von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Menschen zurück in den Arbeitsmarkt zu begleiten. Die Servicestelle SGB II hat mit Sabine Kupferschmidt gesprochen.

Porträtfoto von Frau Kupferschmidt. Sie hat lange Haare und ein viereckiges Gesicht.

Servicestelle SGB II: Frau Kupferschmidt, das JobCenter Essen stellt insbesondere das Thema Gesundheitsförderung in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Wie profitieren von Langzeitarbeitslosigkeit betroffene Menschen von Ihrem prämierten Projekt „Arbeit und Gesundheit"?

Sabine Kupferschmidt: Das Projekt ist hervorgegangen aus der Gesundheitskonferenz der Stadt Essen in den Jahren 2012 und 2013. Grundsätzlich steht das Projekt für alle offen:  Es hat sich jedoch explizit zum Ziel gesetzt, eine bessere (somatische) Gesundheitsförderung und -prävention für die Gruppe der rund 88.000 Menschen zu entwickeln, die in Essen von Leistungen nach dem SGB II in der Grundsicherung leben. Es geht darum, auf freiwilliger Basis bei den Teilnehmenden Krankheiten so früh wie möglich zu erkennen und zu behandeln. Denn bundesweiten Erhebungen zufolge weisen rund 35 % der Leistungsberechtigten gesundheitliche Einschränkungen auf. Und auch unsere Erfahrung hier in Essen zeigt: Der Anteil der gesundheitlich belasteten Kundinnen und Kunden steigt in den letzten Jahren kontinuierlich an. Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ sollen die Motivation für gesundheitsfördernde Aktivitäten gesteigert, Gesundheits- und Beschäftigungsförderung miteinander verzahnt sowie das Erkrankungsrisiko durch zielgruppenspezifische Maßnahmen gesenkt werden. Bei der Umsetzung und Finanzierung greifen wir auf eine starke Netzwerkstruktur an Partnerorganisationen zurück.

Servicestelle SGB II: Welche Institutionen umfasst das Netzwerk des JobCenters?

Sabine Kupferschmidt: In erster Linie gehören zum Netzwerk neben dem JobCenter Essen und dem Gesundheitsamt Essen verschiedene Akteure des Gesundheitswesens, Krankenkassen und soziale Dienste. Genau gesagt arbeiten bei dem Projekt zusammen: die Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt und die AOK, die Ärztekammer Nordrhein – Kreisstelle Essen, die BARMER/GEK sowie die BKK-Novitas, die Gleichstellungsstelle der Stadt Essen, das Universitätsklinikum Essen sowie der Sozialdienst / Casemanagement.

Servicestelle SGB II: Welche Aufgabe übernehmen die Integrationsfachkräfte in den JobCenter-Standorten?

Sabine Kupferschmidt: Unsere Fallmanagerinnen und Fallmanager sind die ersten Motivatoren für das Thema. Sie müssen den „richtigen Einstieg“ in das Thema finden. Sie informieren über die Beratungsangebote der speziell ausgebildeten Fachkräfte. Sie organisieren den Prozess, stehen beratend zur Seite und übernehmen eine wichtige Lotsenfunktion. Die Kontaktdichte zu Kundinnen und Kunden ist sehr hoch. Bei Umsetzungsproblemen stehen sie in engem Kontakt zu den Interdisziplinären Fachteams. Die dortigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind fachlich versiert. Sie übernehmen den medizinischen Part von individueller Fallsichtung, Eingangsdiagnose, Fallanamnese bis hin zur Dokumentation. Und sie kümmern sich darüber hinaus um den Gesundheits- und Integrationsfahrplan.

Servicestelle SGB II: Welche Gesundheitsangebote stehen Kundinnen und Kunden zur Verfügung?

Sabine Kupferschmidt: Das Angebot ist breit angelegt, um auf verschiedene Problemlagen individuell reagieren zu können. Es geht von Beratungsgesprächen, Besprechung von notwendigen Behandlungen und Therapien, über die Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen und Präventionskursen bis hin zur psychologischen Beratung und Begleitung in schwierigen Krisensituationen. Wir schaffen im Projekt unter anderem Zugang zu Instrumenten der Stressbewältigung, zu Bewegungsangeboten, zu Ernährungsberatung oder zu Möglichkeiten des Umgangs mit Suchtproblematik.

Servicestelle SGB II: Wie ist die Entwicklungsperspektive des Projekts „Arbeit und Gesundheit"?

Sabine Kupferschmidt: Die Gesundheitsförderung hat seit Jahren einen hohen Stellenwert in Essen. Wir arbeiten intensiv daran, das Programm „Arbeit und Gesundheit“ vom Projektstatus in ein kontinuierliches und dauerhaftes Programm zu überführen, da wir vom grundsätzlichen Ansatz überzeugt sind. Bereits heute entfallen bei jeder Maßnahme mindestens 20 % der Maßnahmendauer auf die Gesundheitsförderung. Wir haben das Glück, über eine gewachsene und engagierte Partnerstruktur und eine gute Entwicklungsperspektive zu verfügen, damit das Thema „Arbeit und Gesundheit“ bei der Betreuung von Menschen mit SGB II-Bezug auch in Zukunft fest verankert bleibt. Diese hervorragende Basis, die wir uns in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, wollen wir natürlich weiter stärken. Die Verleihung des Gesundheitspreises 2015 des Landes Nordrhein-Westfalen macht uns Mut, den bisher eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen.