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Das richtige Leben

1. Februar 2019

Praxis statt Theorie: Stefan Stahl ermöglicht es seinen Kundinnen und Kunden, Berufe hautnah zu erleben. Das hilft, Hemmungen und Vorurteile frühzeitig abzubauen.

Stefan Stahl steht neben weißen mannshohen Kunststatuen, die an Babys erinnern.
Quelle: Kirsten Israel

„Gute Arbeit. Für Menschen.“ Vier Wörter und zwei Punkte stehen unter dem Logo des Jobcenters Segeberg. Fragt man Stefan Stahl nach seinem Motto, kommt ein anderer Satz: „Tue Gutes und sprich darüber!“ Der Bereichsleiter Markt und Integration lacht. „Sonst würde ich Ihnen ja kein Interview geben.“

Stahl startete jüngst eine Initiative, über die zu sprechen sich lohnt. Sein Jobcenter und die Baugewerbe-Innung haben verabredet, interessierten Arbeitssuchenden unter 40 ein mehrwöchiges Praktikum bei einer Baufirma oder Schnuppertage in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte der Kreishandwerkerschaft anzubieten. Auf diese Weise sollen sie ermutigt werden, auf dem Bau zu arbeiten und sich später im neuen Job nachzuqualifizieren. Der Grund: Das boomende Gewerbe sucht händeringend Nachwuchs-Fachkräfte genauso wie Helferinnen und Helfer. 11.000 potenzielle Baukräfte hat das Jobcenter in seinen Listen, knapp ein Fünftel davon sind Geflüchtete.

Als Kind eines lange Zeit alkoholkranken Handwerkers und Bruder eines Epileptikers bringt Stahl von Hause aus ein Verständnis dafür mit, wie es Menschen in schwierigen Lebenslagen geht. „Wir verfolgen hier zwei Ziele“, erklärt der geborene Lübecker seinen Ansatz. „Zum einen soll die Zielgruppe die aktuellen Baustellen live und in Farbe kennenlernen. Das ist – anders als in Holz- oder Metallwerkstätten, so nützlich die auch sind – das richtige Leben. Zum anderen bekommen die Arbeitgeber eine Chance, die Leute vor Ort zu erleben. Da weiß man schnell, ob die Chemie stimmen könnte und ob auch fachlich eine Ausgangsbasis da ist.“

Zu diesem Zweck wurden Ende September die ersten 15 Jobsuchenden mit einem Kleinbus ins echte Arbeitsleben gefahren. Da purzelten dann Aha-Effekte in die Köpfe, etwa wie dieser: Ach, man muss hier ja gar keine 50-Kilo-Säcke das Gerüst hochschleppen, das macht ja die Technik! Stahls Kooperationsinitiative ist deshalb so nützlich, weil sie den letzten fehlenden Schubser in die Integration bedeuten kann. „Wir haben viele Kundinnen und Kunden, die gehen diesen finalen Schritt, den zum Arbeitsort, nicht gern allein“, konstatiert der studierte Verwaltungswirt.

„Das ist keine klassische Maßnahme, sondern ein Angebot“, sagt Stahl. „Am Ende steht da ein Mensch, und der hat es verdient, dass er respektvoll behandelt wird und in seinem Bemühen dafür auch gewürdigt wird. Beurteile kein Buch nach seinem Einband!“

Bei den Netzwerkpartnern war für die Idee etwas Vertrauensbildung nötig. Das ist Stahl und seinen Kolleginnen und Kollegen vor allem auf dem alljährlichen Vermittlertag gelungen. Auch für die Zukunft wird ein langer Atem nötig sein. Stahl sieht sich gewappnet, 2015 lief er den Berlin-Marathon. Über seinem Schreibtisch hängt ein Bruce-Springsteen-Poster. „Niemals aufgeben“, zitiert der Segeberger den Musiker. „Das sagen wir auch unseren Partnern.“