Wenn Michael Heick und Nicolai Driebold morgens um 8 Uhr auf dem Rohdenhof ankommen, sind sie jedes Mal aufs Neue erstaunt darüber, wie sich das Gelände in den vergangenen 12 Monaten verändert hat. Noch im Juli 2015 prägten Unkraut, meterhohe Büsche und ein vermülltes Gebäude das Bild des verlassenen Hofs im niedersächsischen Oldenburg. Von Leerstand und Wildwuchs ist heute nichts mehr zu sehen. Wer den Rohdenhof betritt, sieht Gemeinschaftsräume, Werkstätten, Gewächshäuser und ein Backhaus auf dem einen Hektar großen Areal.
Heick und Driebold gehörten zu den ersten zehn Teilnehmenden, die im Juli 2015 ihre Arbeit auf dem Hof aufgenommen haben. Beide waren lange arbeitslos. Mir ist es wichtig, etwas zu tun zu haben und ich möchte abends gerne das Ergebnis davon sehen, was ich über Tag gemacht habe. Am Rohdenhof gefällt mir, dass wir in Teams arbeiten. So steht einer für den anderen ein. Die Arbeit bringt mich auch beruflich weiter, rund um Oldenburg gibt es viele Gartenbaubetriebe, die Mitarbeiter suchen
, so Michael Heick. Die zeitliche Einteilung der Arbeitszeit erfolgt flexibel nach Bedarf. Jeder packt da an, wo er kann und wo er gebraucht wird
, sagt Driebold. Derzeit sind die beiden dafür verantwortlich, einen Holzpavillon zu bauen, der als Gemeinschaftstreffpunkt dienen soll.

Zusammen mit dem Unternehmen bbf sustain GmbH geht das Jobcenter Oldenburg seit Mitte 2015 einen außergewöhnlichen Weg im Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit: Es wurde ein Bauernhof gefunden, der Platz dafür bietet, verschiedensten Tätigkeiten nachzugehen. Ziel ist es, Langzeitarbeitslosen neue Perspektiven zu bieten. Die Arbeiten auf dem Rohdenhof sind vergleichbar auch auf dem regionalen Arbeitsmarkt in Oldenburg zu finden. Dies sind die
ersten Schritte zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt sowie eine Maßnahme zur Festigung der Persönlichkeit der Teilnehmenden. Arbeitsmarktintegration geht mit sozialer Integration einher: Nicht nur die Arbeit steht im Fokus, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl. Das Motto „wir.für.uns“ ist hier keine Worthülse, sondern wird gelebt.
, so die Geschäftsführerin des Jobcenters Oldenburg, Carmen Giss. Die Teilnehmenden an dieser freiwilligen Maßnahme arbeiten zusammen und helfen sich gegenseitig: Sie essen zusammen und sind in gemeinschaftliche Strukturen eingebunden.
Wenn jemand lange erfolglos auf Jobsuche ist, stellt sich schnell eine Frustration ein, die sich negativ auf das Selbstbewusstsein der Betroffenen auswirkt. Man fühlt sich nutzlos, ist nicht ausgelastet und verliert die Alltagsstruktur
, sagt Carmen Giss. Daher steht im Mittelpunkt, die Teilnehmenden wertzuschätzen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, etwas Sinnvolles zu tun: Die Arbeit im Team trägt dazu bei, dass die Menschen ein Gefühl für sich und für ihr Umfeld gewinnen
Was innerhalb weniger Monate hier geschehen ist, lässt sowohl die Teilnehmenden als auch die Mitarbeitenden stolz aufblicken. Es war gar nicht möglich, die Entwicklung des Projekts genau zu planen
, so der Projektleiter des Hofs, Yasar Balkanci-von Häfen. Die ersten Wochen ging es darum, gemeinsam eine Struktur zu schaffen, Wege anzulegen und Schritt für Schritt das Haus und das Grundstück nutzbar zu machen. Dies ist gelungen, weil sich alle mit Kreativität und Engagement eingebracht haben.
Heute nehmen 53 Langzeitarbeitslose in den verschiedenen Bereichen des Rohdenhofs am Projekt teil. In den beiden Gewächshäusern wird Obst und Gemüse für die gemeinsamen Mahlzeiten gepflanzt, gepflegt und geerntet, in der Küche des Hofs wird das Mittagessen vorbereitet. Für den Bau und die Bedienung des Backhauses wurde einem lokalen Bäcker ein Besuch abgestattet und sich vor Ort über die Bedienung des Ofens informiert. Trotzdem lernt man das Meiste über das Ausprobieren
, so der Praxisanleiter Kristian Schweitzer. Natürlich ist uns auch schonmal etwas verbrannt, aber nach und nach gelingen uns Brot, Flammkuchen und Pizza immer besser.

Neben der Selbstversorgung mit Lebensmitteln verfügt der Rohdenhof über Holz- und Metallwerkstätten, in denen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer kreativ ausprobieren können. In der Fahrradwerkstatt werden unter dem Motto „aus alt mach neu“ Fahrräder repariert, die die Stadt Oldenburg dem Projekt zur Verfügung stellt. All das geschieht in Zusammenarbeit mit den sechs hauptamtlichen Mitarbeitern vor Ort, die sozialpädagogisch geschult sind und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei ihrer Arbeit unterstützen.
Erwin Böning, Geschäftsführer der bbf sustain GmbH, lobt die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Oldenburger Jobcenter. Kurze Wege, enge Abstimmung und feste Ansprechpartner – so etwas vereinfacht die Abläufe zwischen uns, den Teilnehmenden und der Arbeitsverwaltung enorm.
Böning spricht gerne über die Erfolge des Projekts. Eine unserer Teilnehmerinnen hat während ihrer Tätigkeit auf dem Hof nach langer Arbeitslosigkeit eine berufliche Perspektive entwickelt. Sie ist nun als Übersetzerin für einen Träger von Flüchtlingsunterkünften tätig.
Allerdings, und da ist er sich mit Carmen Giss einig, sei die Teilnahme am Projekt meist nur einer von vielen Schritten auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Die Geschäftsführerin des Jobcenters sagt: Die Menschen müssen den Spaß an der Arbeit teilweise neu erlernen. Dies gelingt uns am Hof sehr gut. Etliche Personen haben ihre Zeit auf dem Hof bereits verlängern wollen. Unser Ziel ist es, dass die Teilnehmenden in ihren beruflichen Entwicklungen bestmöglich unterstützt werden. Das sind dann oft weiterführende Angebote, aber im Einzelfall stimmen wir auch einer Verlängerung zu.

Für Michael Heick verbindet das Projekt persönliche und berufliche Weiterentwicklung: Ich habe den Hof mit aufgebaut, auf Augenhöhe mit den festen Mitarbeitern Ideen umgesetzt und viele Leute kennengelernt, die hier aufblühen. Der Rohdenhof ist mir richtig ans Herz gewachsen.