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Ein guter Plan, ein Gespräch und ein Glücksfall

10. Februar 2019

Kaum war Jasmina Abdulović 2015 nach Deutschland gekommen, war ihr klar: Sie will wieder als Kinderkrankenschwester arbeiten, wie zuvor in Serbien. Aber dafür brauchte sie die passende Qualifizierung. Über das Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz fand sie einen Weg, sich fortzubilden und ihren Plan in die Tat umzusetzen.

Abdulović und Müller schauen sich lachend an.
Jasmina Abdulović im Gespräch mit ihrem persönlichen Jobcenter-Berater Sebastian Müller, der ihr schnell und unbürokratisch zurück in den Traumberuf verhalf. Quelle: Marlitt Sophie Schulz

An Weihnachten 2017 hat Jasmina Abdulović wenig Zeit, um auszuruhen. Kurz vor Heiligabend sitzt sie bei Sebastian Müller, ihrem persönlichen Ansprechpartner im Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz in Weißenthurm am Rhein. Sie hat keine Arbeit, aber einen Plan: Sie möchte kurz nach Neujahr an der Pflegeschule des St. Nikolaus-Stiftshospitals einen sechsmonatigen Vorbereitungskurs beginnen. Dieser soll sie auf die sogenannte Kenntnisprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege vorbereiten. Viel hat die heute 31-Jährige dafür auf eine Karte gesetzt: Mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen kleinen Kindern zog sie extra aus dem 60 Kilometer entfernten Westerwald nach Weißenthurm.

Wer im Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz von der Idee einer Weiterqualifizierung erzählt, stößt auf offene Ohren. „Es ist uns äußerst wichtig“, sagt der Geschäftsführer Rolf Koch, „den Menschen die höchstmögliche Qualifizierung zu geben, die sie erreichen können. Das setzen wir auch konsequent um.“ Integration in den Arbeitsmarkt heißt für ihn vor allem, eine nachhaltige berufliche Stabilität zu schaffen.

Ein Schild neben einer Tür mit der Aufschrift "jobcenter - Seminarraum 1".
Wer eine Berufsausbildung in einem anderen Land gemacht hat, kann sich mithilfe des Jobcenters Landkreis Mayen-Koblenz weiterbilden und so einen gleichwertigen, in Deutschland anerkannten Abschluss erlangen. Quelle: Marlitt Sophie Schulz

Abdulović hat bereits einen Berufsabschluss als Kinderkrankenschwester in Serbien gemacht. Damit sie auch in Deutschland als Fachkraft arbeiten kann, stellte sie beim zuständigen Landesamt einen Antrag auf Anerkennung ihrer Ausbildung. Im Vorbereitungskurs wird sie sich nun Gesetze, Geräte und die Gepflogenheiten in Deutschlands Pflegeeinrichtungen aneignen. Anschließend kann sie die Kenntnisprüfung als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin ablegen und auch in Deutschland wieder in ihrem gelernten Beruf arbeiten. Natürlich könnte sie sich auch ohne diese Qualifizierung einen Job suchen, zum Beispiel als Pflegeassistentin. Aber sie will beruflich gern wieder dort ankommen, wo sie in Serbien aufgehört hat.

„Es ist uns äußerst wichtig, den Menschen die höchstmögliche Qualifizierung zu geben.“

Koch findet einen solchen Ehrgeiz so verständlich wie gut. Nicht nur, weil er Abdulović selbst nützt. Sondern auch, weil Menschen wie sie mit ihrem Engagement dazu beitragen, die Fachkräftesituation im Pflegebereich zu verbessern.

Während ihres Gesprächs mit Müller kurz vor Weihnachten 2017 holt Abdulović ein wichtiges Stück Papier aus der Tasche. Es ist der Bescheid ihrer Wunsch-Pflegeschule darüber, dass sie an dem Vorbereitungskurs teilnehmen kann. Was das für ein Kurs ist, das muss Müller nicht lange erfragen. Das St. Nikolaus-Stiftshospital umfasst ein Krankenhaus, ein Seniorenheim, ein Bildungszentrum und ein medizinisches Versorgungszentrum. Es ist ein großer Arbeitgeber in Andernach und ein intensiv gepflegter Netzwerkpartner des Jobcenters. Info-Veranstaltungen über Pflegeberufe im Stiftshospital etwa nutzen Mitarbeitende des Jobcenters regelmäßig für einen Austausch über neueste Entwicklungen.

Aber die Zeit ist knapp. Rund drei Wochen nach dem Gespräch soll der Kurs schon beginnen. Nicht viel Zeit, um alles vorzubereiten und die Finanzierung zu klären. Mit all den Feiertagen im Anmarsch. „Ich war mir nicht sicher, ob wir das hinkriegen würden“, erinnert sich Müller an dieses Gespräch. „Aber den Plan fanden wir gut und wir wollten es versuchen.“ Dem Jobcenter-Mitarbeiter ist schnell klar, was ihm jetzt weiterhilft: ein Anruf bei der Anerkennungsberatung des Netzwerks Integration durch Qualifizierung (IQ). Das Netzwerk ist zuständig für alle Belange rund um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Müller bittet um einen zügigen Termin für seine entschlossene Kundin.

Das Telefonat ist ein hausinternes Gespräch. Denn die Anerkennungs-beratung des IQ-Netzwerks sitzt seit 2013 im Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz. Genauer: Sie ist Teil des Jobcenters. Sie wird im Rahmen des Förderprogramms IQ von Mitarbeitenden des Jobcenters durchgeführt. Das bedeutet: Diese Beratung leisten die Mitarbeitenden des Jobcenters nicht nur für ihre eigenen Kundinnen und Kunden, sondern das Beratungsgebiet reicht weit über den Raum Koblenz hinaus: Es ist das ganze nördliche Rheinland-Pfalz. Gewöhnlich ist das nicht, sondern ziemlich selten in Deutschlands Jobcentern.

Papierzettel mit Buchstaben und entsprechenden Bilder sind an eine Wand gepinnt.
Das jobcentereigene Projekt „Leben – Qualifizieren – Arbeiten“ bietet Sprachvertiefungskurse für Geflüchtete an. Quelle: Marlitt Sophie Schulz

„Das Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz schaut sehr genau hin, was die Bedarfe in seiner Region sind, und gibt auch viele eigene Impulse“, erklärt Dr. Ralf Sänger, Koordinator des rheinland-pfälzischen IQ-Netzwerks, die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen. „Daher fanden wir es gut, dass es die IQ-Anerkennungsberatung übernehmen wollte.“

Der Vorteil dieser Trägerschaft liegt für Geschäftsführer Koch und seine Mitarbeitenden auf der Hand: Kurze Wege sparen Zeit. Ein ausländisches Ausbildungsdokument anerkannt zu bekommen, dauert Wochen bis Monate. Der Antrag dafür sollte daher schnellstmöglich eingereicht werden, sagt der Qualifizierungsbegleiter Axel Deil-Messemer, „damit der Papierkram ins Laufen kommt“.

Die Anerkennungsberatung des IQ-Netzwerks entpuppt sich für Abdulović als Glücksfall. Um sie der Anerkennung ihres Berufsabschlusses näherzubringen, wird sie von Deil-Messemer vor Ort ausführlich beraten. Drei Tage nach Heiligabend ist es dann so weit. Sie erhält die frohe Botschaft, dass das IQ-Netzwerk die Kosten für ihren Kurs übernehmen wird. Es wird aus einem Budget schöpfen, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Europäischen Sozialfonds speziell für das IQ-Förderprogramm geschaffen wurde.

„Das Jobcenter schaut sehr genau hin, was die Bedarfe in seiner Region sind. Daher fanden wir es gut, dass es die IQ-Anerkennungsberatung übernehmen wollte.“

Zwei Wochen später sitzt Abdulović im Seminarraum des St. Nikolaus-Stiftshospitals wie in einem Zug, der sie in Richtung Arbeit bringt. Sobald sie die anschließende Kenntnisprüfung bestanden hat, kann sie sich bewerben. Tausende offene Stellen in der Krankenpflege gibt es aktuell allein in Rheinland-Pfalz.

Jasmina Abdulović hört mit einem Stethoskop ein Baby ab.
Jasmina Abdulović ist glücklich, dass sie wieder als Kinderkrankenschwester arbeiten darf. Quelle: Marlitt Sophie Schulz

Für Abdulović war es ein kurzes Telefonat ihres Vermittlungsberaters, das den entscheidenden Stein ins Rollen brachte. Dass das manchmal so schnell gehen kann, ist auch ein Ergebnis der langjährigen guten Netzwerk- und Projektarbeit im Jobcenter.

Geschäftsführer Koch erklärt, was dahintersteckt. „Wir stellen oft fest, dass die Bedürfnisse ganz andere sind, als wir erwarten.“ Dabei ist es sehr wichtig, dass die entwickelten Maßnahmen nicht an der Lebenswirklichkeit der Leistungsbeziehenden vorbeigehen. „Es müssen alle Akteure am Arbeitsmarkt in die Betreuung mit einbezogen werden. Nur so können wir ein bestmögliches Angebot für unsere Kundinnen und Kunden sicherstellen“, schlussfolgert er. Im Jahr 2006 legte das Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz den Grundstein für diese inzwischen professionalisierte Netzwerkarbeit – zunächst in Form eines Pilotprojektes: MYKnetz war geboren, mit dem Ziel, passgenaue Angebote und Maßnahmen für die Leistungsbeziehenden in der Region zu entwickeln. Inzwischen ist MYKnetz in den hausinternen Bereich „Projekte“ integriert und beherbergt auch die IQ-Beratungsstelle.

„Es müssen alle Akteure am Arbeitsmarkt in die Betreuung mit einbezogen werden. Nur so können wir ein bestmögliches Angebot sicherstellen.“

„Als das Jobcenter dann 2012 kommunal wurde, konnte es auf die regionalen Bedarfe noch flexibler eingehen“, erklärt Koch. Zudem entstand die Idee, sich als Träger für Bildungsprojekte zertifizieren zu lassen. Ein Jobcenter als Maßnahmeträger? Für Koch eine vielversprechende Kombination. „Wir sehen uns als modernen Dienstleister“, sagt er. Dank Zertifizierung können die entwickelten Maßnahmen nun auch im eigenen Haus angeboten werden. So führt das jobcentereigene Projekt „Leben – Qualifizieren – Arbeiten“ (LQA) neben Sprachvertiefungskursen für Geflüchtete auch sogenannte Module durch. Im Fokus stehen hier Alltagsthemen wie Bankgeschäfte, die Funktion der Polizei, Kulturleben oder die Sicherheit im Straßenverkehr. Zum Repertoire gehören aber auch Fortbildungen, die in Zusammenarbeit mit einem großen Software-Unternehmen angeboten werden, ebenso wie internationale Orientierungsreisen für junge Menschen, die auf Arbeitsuche sind.

Christoph Kretschmer trägt eine blaue Weste und schaut lächelnd nach rechts.
Für Christoph Kretschmer, Leiter des Bereichs „Projekte“, gehen Netzwerkpflege und Projektarbeit im Jobcenter Landkreis Mayen-Koblenz Hand in Hand. Quelle: Marlitt Sophie Schulz

Das Geld dafür ist da, weil sie jemanden im Team haben, der sich damit beschäftigt, es einzutreiben: „Da muss man ein bisschen jeck sein und sehen, wie man das kriegt“, sagt Christoph Kretschmer. Er ist als Bereichsleiter „Projekte“ unermüdlich im Einsatz, um Fördermittel zu akquirieren. Rund die Hälfte des Geldes, das er und sein Team ausgeben, stammt aus Fördertöpfen.

Die Arbeit der Beschäftigten in seinem Bereich ist inhaltlich ein gutes Stück weg von der klassischen Jobcenter-Arbeit, aber Kretschmer und seine Kolleginnen und Kollegen finden: Dafür ist sie nah dran an dem, was den Leistungsbeziehenden nützt.

Im Sommer hat Abdulović die Prüfung zur Kinderkrankenschwester bestanden. Just in dem Moment suchte die Neugeborenen-Station des St. Nikolaus-Stiftshospitals händeringend nach jemandem mit ihrer Ausbildung. Ein Topf fand seinen Deckel. Und Abdulović ist beruflich nun wieder da, wo sie in Serbien aufgehört hat.