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3 Fragen an Antje Kellner

12. Dezember 2019

Das Jobcenter Potsdam-Mittelmark bietet gemeinsam mit einer kommunalen Beratungsstelle eine sogenannte zielorientierte Suchtberatung an. Das bedeutet, die Hilfe ist eng mit der Arbeitsvermittlung und dem Fallmanagement des Jobcenters verzahnt. Antje Kellner koordiniert diese Beratung und erklärt, was die Zusammenarbeit ausmacht und welche Rolle räumliche Nähe und Vertrauen dafür spielen.

Portraitfoto von Antje Kellner. Sie hat kurze blonde Haare und trägt eine Brille.
Antje Kellner, Teamleiterin für Integration und Beratung sowie Koordinatorin für das Fallmanagement im Jobcenter Potsdam-Mittelmark

Servicestelle SGB II: Frau Kellner, was ist das Besondere an der zielorientierten Suchtberatung, die Sie im Jobcenter gemeinsam mit der Suchtberatungsstelle salus ambulanz anbieten?

Antje Kellner: Das ist vor allem die enge Zusammenarbeit mit der Suchtberatungsstelle und der klar geregelte Informationsaustausch zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beider Einrichtungen. Für die Betroffenen ist es oft schwer, über das Thema Sucht mit dem Jobcenter zu sprechen und dann auch weitere Schritte für sich umzusetzen. Oft kommen die Betroffenen nicht in den Suchtberatungen an. Die Barriere, sich erneut auf den Weg zu machen und erneut dazu im Gespräch zu öffnen, ist groß. Da uns die Leistungsbeziehenden oft schon gut kennen und die Suchtberatungsstellen räumlich sehr nah an unseren Standorten sind, können wir helfen, solche Barrieren zu überwinden. Ich kann zum Beispiel an meinem Arbeitsplatz aus dem Fenster gucken und sehe die Beratungsstelle von dort aus. An den anderen Standorten sitzen wir meist sogar im gleichen Gebäude. Dadurch können wir die Suchtberatung direkt zum Gespräch dazu holen, wenn sich der Anlass bietet. Bei diesem Dreiergespräch können sich die Beraterinnen und Berater der Suchtberatung direkt vorstellen. So findet quasi schon eine Übergabe statt – im Idealfall geht es im Anschluss direkt in die Suchtberatung, um einen nächsten Termin auszumachen. Diese Übergabe ist mit einer Zuweisung für das Angebot nach § 16a gekoppelt. Dabei geht es uns besonders um eine fachliche Diagnostik. Durch diese Zuweisung erreichen wir eine größere Verbindlichkeit für den Betroffenen. Wir können aber auch eine weitere große Hürde abbauen. Die Zuweisung gibt uns die Möglichkeit, die Fahrtkosten zur Suchtberatung zu übernehmen. Wir sind ein Flächenlandkreis mit langen Wegen, und da sind die Anfahrtskosten oft ein KO-Kriterium für die Leistungsberechtigten. Und schließlich sind wir auch organisatorisch eng verknüpft. Dadurch können wir fließende Übergänge für die Betroffenen schaffen. Das ist für die Arbeit beider Seiten eine große Hilfe, weil beim Thema Sucht Strukturen extrem wichtig sind. Wenn die Betroffenen zum Beispiel aus der Reha oder einer Therapie zurückkommen, sind sie oft weiter im Kontakt mit „unserer“ Suchtberatung. Diese stimmen sich dann bei Bedarf mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab. So können wir beispielsweise durch die Einbindung in eine passende Maßnahme den Betroffenen ermöglichen, die in der Therapie erworbene Tagesstruktur beizubehalten und zu festigen.

Servicestelle SGB II: Wie ist es zu dieser engen Kooperation gekommen?

Antje Kellner: Die zielorientierte Suchtberatung geht auf das Projekt AmigA – Arbeitsförderung mit gesundheitsbezogener Ausrichtung – zurück. Das haben wir 2005 gleich nach der Gründung des Jobcenters mit Mitteln des Landesarbeitsministeriums gestartet und mit ESF-Mitteln (Regionalbudget) bis Anfang 2009 fortgeführt. Seitdem bieten wir es als normales Beratungsangebot aus eigenen Mitteln an. Dabei stand und steht das Beratungsteam aus Fallmanagement, Sozialmedizin und Psychologie zur Beratung des Teilnehmenden im Mittelpunkt. Wir haben jedoch festgestellt, dass bei den vorhandenen Suchtberatungen die Rückkopplung ins Jobcenter durch den Landkreis nur unzureichend funktionierte. Daraus erwuchs das Angebot der zielorientierten Suchtberatung mit einem gesteuerten Zugang über eine Zuweisung. Die salusklinik Lindow erhielt dafür den Zuschlag und gründete die salus ambulanz in Potsdam-Mittelmark, sodass wir die zielorientierte Sucht- und Problemberatung nun direkt im Jobcenter anbieten können.

Servicestelle SGB II: Birgt diese Kooperation auch Herausforderungen? Und wie lösen Sie diese?

Antje Kellner: Wir arbeiten stetig daran, unsere Zusammenarbeit besser zu verzahnen und eine gemeinsame Sprache zu finden. Dafür schulen wir uns gegenseitig: Wir lernen mit den Suchtproblematiken der Betroffenen sensibel umzugehen, und klären die salus ambulanz im Gegenzug über unsere SGB II-Maßnahmen und anderen Angebote auf. Die Suchtberaterinnen und -berater kommen zu von uns beauftragten Maßnahmen für Betroffene, die von verschiedenen Trägern angeboten werden, um die Leistungsberechtigten und unsere Angebote besser kennenzulernen und auch für die Maßnahmebetreuer Ansprechpartner zu sein. Das Wichtigste aber bleibt, die Betroffenen selbst immer ganz individuell zu betrachten: Suchtproblematiken verändern sich, sind häufig schwer zu erkennen und noch schwerer anzusprechen. Auch dafür spielen die Schulungen der Mitarbeiter des Jobcenters durch die Suchtberater eine wichtige Rolle. Eine große Herausforderung ist es, Vertrauen zu schaffen auf allen Seiten – gerade bei so einem sensiblen Thema. Wenn die Betroffenen in der Ambulanz sitzen, müssen sie sicher sein, dass ihre sehr intimen Berichte dort nicht bei uns im Jobcenter ankommen. Daher müssen wir ihnen transparent machen, welche Informationen die Suchtberatung an uns weitergibt und welche nicht. Das schaffen wir mit einer klaren Kommunikation der Berichtswege und mit Berichten, die von den Betroffenen immer gegengezeichnet werden. Man muss hier sehr klar sein. Das müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von beiden Seiten verinnerlichen. Manchmal kann die Suchtberatung auch eine Schutzfunktion für die Betroffenen erfüllen: Wenn wir von der Suchtberaterin oder dem -berater hören, dass es gute Gründe dafür gibt, dass eine betroffene Person (noch) nicht an einer Maßnahme teilnehmen kann oder keine Termine einhalten kann, dann berücksichtigen wir das. Auch das gehört zum Vertrauensverhältnis dazu.