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3 Fragen an Nicole Anell

2. Mai 2019

Seit 1. Juli 2018 leitet die gebürtige Duisburgerin Nicole Anell das Jobcenter Osnabrück. „Ich arbeite gerne. Ich liebe das SGB II“, sagt sie und berichtet im Interview mit der Servicestelle SGB II, wie sie den Osnabrücker Arbeitslosen helfen will, wieder in Arbeit zu kommen.

Porträtfoto von Nicole Anell. Sie hat kurze blonde Haare mit vielen Stufen und trägt eine Brille.
Nicole Anell, Geschäftsführerin des Jobcenters Osnabrück

Servicestelle SGB II: Frau Anell, jeder zehnte Osnabrücker bezieht derzeit Leistungen des Jobcenters Osnabrück. Wie erklärt sich die Zahl und wie gehen Sie damit um?

Nicole Anell: Die Zahl erklärt sich vor allem mit dem Themenfeld Flucht und Asyl. Seit 2015 haben wir insgesamt mehr als 3.200 Hilfebedürftige hinzubekommen − mit allen damit einhergehenden Schwierigkeiten: Bildungsferne, Analphabetismus, keine Berufsausbildungen, kaum verwertbare berufliche Kenntnisse. Hier haben wir massiv angesetzt, indem wir orientieren, aktivieren und vor allem Spracherwerb ermöglichen und nachhalten. Dank guter Vernetzungen in diesem Bereich haben wir das auch gut geregelt. Und wir haben damals mit allen Mitarbeitenden ein anspruchsvolles Strategiekonzept entworfen. Ich war bis Sommer 2018 Bereichsleiterin Markt und Integration, von daher waren und sind mir die Prozesse geläufig. Ein weiterer Grund für die hohe Zahl: Der Arbeitsmarkt in unserer Region ist durch viele Jobs unter anderem in der Logistikbranche geprägt, vornehmlich im Helferbereich. Das wirkt sich natürlich aus, weil die Einkommen dort nicht immer zur Existenzsicherung der ganzen Familie ausreichen.

Servicestelle SGB II: Welche Wege gehen Sie, um diesen Zustand zu verändern?

Nicole Anell: Unsere Zielsetzung ist es, die Lebens- und Arbeitschancen in der Region Osnabrück zu verbessern, damit junge Menschen hier bleiben und ihre Chancen nutzen. Dafür setzen wir unser Augenmerk auf Ausbildung − duale und schulische. Wir legen gerade ein neues Angebot auf, mit dem wir die Berufsfindung fördern und nachhaltig begleiten wollen. Das betrifft generell Menschen bis 35, wobei wir auch mal 40-Jährige fördern, wenn es sinnvoll und erfolgversprechend erscheint. Das alles läuft unter der Überschrift „Das echte Leben“, das heißt, wir haben da keine simulierte Welt der Übungswerkstätten, sondern alles Praktische findet direkt in den Betrieben statt. So können die Teilnehmenden realistisch einschätzen, ob die Ausbildung, die Branche, der Beruf tatsächlich was für sie sind. Zu diesem Zweck haben wir in der Stadt und im Landkreis Osnabrück eine Ausbildungsregion gegründet, wo wir viel Vernetzung betreiben und so die Kompetenzen bündeln. Ziel ist dabei, dass möglichst viele Menschen in eine Ausbildung gehen und wir ihnen später bei Schwierigkeiten helfend zur Seite stehen, damit weniger Azubis eine Ausbildung abbrechen. Flankierend haben wir zur Förderung von Langzeitarbeitslosen und jungen Menschen unter 25 Jahren mit schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen eine sogenannte Ausbildungsprämie geschaffen, im Sinne einer Motivationsprämie – sowohl für die Auszubildenden als auch für die Arbeitgeber. Was uns außerdem hilft: Osnabrück ist eine Universitätsstadt, ein Fünftel der hier Lebenden studiert. Wir nutzen das für uns, indem wir Bachelor- und Doktorarbeiten bei uns im Haus laufen lassen, die uns ohne großen finanziellen Aufwand tiefergehende Fragestellungen und Evaluationen erlauben. Zudem unterstützt uns die Universität Osnabrück beispielsweise bei der Sprachförderung für geflüchtete Studienbewerberinnen und -bewerber.

Servicestelle SGB II: Wie sieht Ihr persönliches Credo in Sachen Arbeit aus?

Nicole Anell: Ich sag immer, wir machen nichts für die Vitrine, sondern alles muss konsequent durchdacht werden. Und am Ende eines Prozesses müssen Entscheidungen stehen. Ich arbeite nicht primär für Zahlen, ich arbeite für Menschen. Manchmal dauern solche Prozesse natürlich. Umso mehr liebe ich die Momente, wenn eine Idee plötzlich zum Leben erwacht und wir Menschen dadurch konkret helfen können, in Arbeit zu kommen.