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3 Fragen an
Silke Feist

30. Januar 2018

Im Jobcenter Halle (Saale) ist Silke Feist seit fast acht Jahren als Teamleiterin im Team „Reha/Schwerbehinderte“ tätig. Die Diplom-Pädagogin leitet dort unter anderem das Projekt „Jobbrücke Sport“, welches sich zum Ziel gesetzt hat, ein neues Arbeitsmarktsegment für schwerbehinderte Menschen im Bereich der gemeinnützigen Sportvereine zu erschließen.

Porträtfoto Feist. Sie hat sehr kurze rötliche Haare und hellblaue Augen.
Silke Feist, Teamleiterin Reha/Schwerbehinderte im Jobcenter Halle (Saale)

Servicestelle SGB II: Frau Feist, es gibt in Halle über 200 Sportvereine. Wie bringt Ihr Projekt diese Vielzahl an Akteuren unter einen Hut?

Silke Feist: Während die Projektleitung bei uns im Jobcenter liegt, arbeiten wir sehr eng mit dem Stadtsportbund e.V. Halle als Projektträger zusammen. Die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter verfügen über ein großes Netzwerk und sprechen mit viel Engagement gezielt Sportvereine und potenzielle Arbeitgeber in sportnahen Bereichen an. Im bisherigen Projektverlauf konnte dieses Netzwerk stetig erweitert und ausgebaut werden, was dazu führt, dass das Projekt immer bekannter wird. In den Sportvereinen selbst, welche zum großen Teil über ehrenamtliches Engagement getragen werden, wird ein langsames Umdenken der Akteure spürbar. Die verfestigten Strukturen werden aufgeweicht und es wird das Vertrauen gestärkt, neue Wege zu gehen.

Servicestelle SGB II: Wie genau hilft die „Jobbrücke Sport“ dabei, in ein Arbeitsverhältnis zu finden?

Silke Feist: Interessiert sich eine Kundin oder ein Kunde für das Projekt, folgt ein intensives Erstgespräch mit dem Stadtsportbund, der auf Grundlage des erstellten Bewerberprofils auf einen möglicherweise passenden Verein zugeht. Können sich beide Seiten, Teilnehmer und Arbeitgeber, eine Zusammenarbeit grundsätzlich vorstellen, besteht die Möglichkeit eines individuellen Praktikums. Der Stadtsportbund begleitet das Praktikum, berät die Beteiligten und ist Ansprechpartner in den ersten Monaten nach einer Einstellung. Derzeit befinden sich zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der aktiven Betreuung im Projekt. Die maximale Regelverweildauer beträgt neun Monate. Während dieser neun Monate versuchen wir den Teilnehmer über ein oder mehrere Erprobungsphasen in eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu vermitteln. Als besonders positiv schätzen die Teilnehmer die sehr schnell hergestellte Praxisnähe ein. Ist eine erfolgreiche Integration zustande gekommen, ist das Projekt nicht automatisch beendet, sondern geht fließend in die Nachbetreuungsphase über, welche sich individuell, je nach Notwendigkeit gestaltet und auch nach Ablauf der Regelverweildauer von neun Monaten anzuschließen geht.

Gleichzeitig haben wir ein zweites Projekt für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen – „Gemeinsam verschieden sein – Vielfalt nutzen“ – mit einem etwas anderen Konzeptansatz. Dieses wird ebenfalls über das „Programm der Bundesregierung zur intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen“ gefördert und von uns mit dem Bildungswerk der Wirtschaft e.V. Halle durchgeführt. Hier werden die Teilnehmer von Psychologen und Sozialpädagogen intensiv betreut, professionell unterstützt und so an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt, um dann eine Integration überhaupt erst möglich zu machen. Des Weiteren werden Arbeitgeber hinsichtlich aller Thematiken rund um die Einstellung schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen beraten und auf Wunsch auch qualifiziert.

Servicestelle SGB II: Welche Herausforderungen erleben Sie generell bei der Integration schwerbehinderter Menschen in den Arbeitsmarkt?

Silke Feist: Es ist trotz des Fachkräftemangels nach wie vor schwierig, schwerbehinderten Menschen als potenzielle Arbeitnehmer in den Fokus der Arbeitgeber zu rücken. Das liegt nicht daran, dass diese Kundengruppe nicht arbeiten will oder schlechter qualifiziert wäre, sondern dass sie „nicht in der ersten Reihe“ der potenziellen Bewerber bei den Arbeitgebern steht. Manche Arbeitgeber schrecken vor einer eventuell länger notwendigen Einarbeitungszeit oder auch dem zusätzlichen Aufwand zur Umgestaltung von Arbeitsplätzen zurück. Dabei gibt es dafür viele, auch finanzielle Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten, die jedoch bislang eher begrenzt genutzt werden. Wir spiegeln die Thematik immer wieder zu verschiedenen Anlässen und Veranstaltungen und klären Arbeitgeber über Unterstützungsmöglichkeiten auf. Denn es lohnt sich für Arbeitgeber, bei dieser Personengruppe zweimal hinzuschauen und Zeit zu investieren.

Es ist zwar noch ein langer Weg, bis die Arbeitgeber sich mehr öffnen und keine Bedenken haben, schwerbehinderte Menschen einzustellen. Aber ich halte Vieles für möglich, wenn Arbeitgeber sich der Thematik öffnen und so den Mehrwert für ihr Unternehmen erkennen. Das zeigt auch die „Jobbrücke Sport“. Das Projekt läuft nun seit eineinhalb Jahren und konnte sich sehr gut etablieren. Die Beteiligten sind zufrieden und die ersten gelungenen Integrationen beweisen, dass es gemeinsam funktionieren kann. So ist es uns möglich, diese uns sehr am Herzen liegende Personengruppe mit ihren Besonderheiten und Potenzialen mehr in die Öffentlichkeit zu rücken und durch die Integration in den Arbeitsmarkt eine positive Entwicklung anzustoßen. Ich persönlich finde es immer wieder unglaublich zu sehen, was mit Menschen passiert, wenn sie merken, dass sie gebraucht werden und ihre geleistete Arbeit Anerkennung findet.