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3 Fragen an Holger Schneberger

21. Dezember 2021

Holger Schneberger ist Teamleiter im Jobcenter Bad Kreuznach – und nach 34 Berufsjahren nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Schneberger beschäftigt sich mit Resilienz und der Frage: Wie können Arbeitsuchende diese Fähigkeit aufbauen?

Schneberger
Holger Schneberger setzt sich für das Thema Resilienz im Jobcenter Bad Kreuznach ein.

Sie wollen die Resilienz von Leistungsberechtigten fördern. Meist übersetzen wir Resilienz mit „Widerstandskraft“ oder „Anpassungsfähigkeit“. Warum ist die so wichtig für Arbeitsuchende?

Holger Schneberger: Weil wir einen dynamischen Arbeitsmarkt haben. Nicht nur Beschäftigte, sondern auch Arbeitsuchende müssen sich ständig anpassen. Wer heute partout keine Arbeit findet, muss sich selbst und sein Umfeld hinterfragen. Unsere Aufgabe als Jobcenter ist es, die Menschen in diesem Prozess der persönlichen Veränderungen zu begleiten. Die zentrale Herausforderung für viele Langzeitarbeitslose ist sicher die Digitalisierung. Sie haben Probleme den PC zu bedienen und sind dadurch praktisch kaum in Arbeit zu vermitteln. Selbst für einen Job im Warenlager braucht es heute EDV-Kenntnisse. Aber viele haben Hemmschwellen sich damit zu beschäftigen. Sie fühlen sich gestresst, aus Angst, etwas falsch zu machen. Hier müssen wir grundlegend an der Persönlichkeit der Menschen arbeiten.

In Ihrem Resilienz-Projekt „Integrationsassessment“ arbeiten Sie mit einem Arzt oder Ärztin und einem Psychologen oder Psychologin zusammen, um die Selbstsicht der Leistungsberechtigten zu schulen und zu verbessern. Weshalb ist ein solches Projekt nötig? Wie reagieren Ihre Leistungsberechtigten?

Holger Schneberger: Wir haben einige Langzeitleistungsbeziehende mit sehr verkrusteten Verhaltensmustern. Diese Krusten wollen wir mit dem Projekt aufbrechen. Ich schildere mal ein Beispiel, wo es funktioniert: Ein Leistungsberechtigter kam nach der Maßnahme zu mir ins Büro und sagte „Jetzt weiß ich, warum ich immer so laut bin.“ Was war passiert? Er hatte mit einem Psychologen zusammen seine Erfahrungen aufgearbeitet. Dabei kam heraus, dass er sich schon als Kind zu Hause nur über die Lautstärke durchsetzen konnte. Das hat ihn geprägt. Auch als Erwachsener wurde er immer laut, wenn er etwas wollte oder wenn er sich bedrängt fühlte. Das war gar nicht böse gemeint, ist aber ein großes Hindernis, wenn man so mit Arbeitgebern spricht. Ihm ist das erst durch diese Fünf-Tage-Maßnahme und die Gespräche mit dem Psychologen klar geworden. Die Maßnahme läuft deshalb erfolgreich, weil sich der Träger viel Zeit nimmt. Den Teilnehmenden bringen die Fachleute, also Ärzte und Psychologen, viel Anerkennung entgegen. Es sind pro Maßnahme um die zwölf Menschen. Durch die enge Betreuung fühlen sie sich wertgeschätzt und werden dadurch offener, Hilfe anzunehmen. Die zuständigen Arbeitsvermittlerinnen und -vermittler nehmen am letzten Tag des Projekts an dem abschließenden Einzelgespräch teil. Es trägt sehr zum Gefühl von Wertschätzung bei, dass wir vom Jobcenter persönlich vor Ort sind und nicht nur einen schriftlichen Bericht zur Kenntnis nehmen. Im Anschluss sind die Teilnehmenden bereit, wirklich etwas bei sich zu verändern.

Auch Sie als Teamleiter im Jobcenter stehen häufig vor neuen Herausforderungen. Wie fördern Sie Ihre persönliche Resilienz?

Holger Schneberger: Selbstvertrauen ist wichtig. Davon sollte man einiges mitbringen, wenn man im Jobcenter arbeitet. Entscheidend ist auch, Anker im Leben zu finden. Etwas, das einen erdet. Bei mir ist es der Freundeskreis, es sind aber auch die Kollegen, mit denen ich ein offenes Wort reden kann. In meiner Freizeit gehe ich ins Fitnessstudio, um den Kopf frei zu kriegen vom alltäglichen Stress. Und meine 20-jährige Tochter bringt mich oft auf andere Gedanken. Berufliches und Privates lassen sich aber häufig auch nicht trennen. Um resilient zu sein, muss deshalb beides stimmen: das Berufs- und das Privatleben. Ich arbeite zum Beispiel in der Region, in der ich aufgewachsen bin. Ich kenne etliche unserer Kunden aus der Schulzeit. Wir unterhalten uns also auch privat – und das stärkt das Verständnis für die Situation der Menschen und ihre Herausforderungen sehr. Ich komme aus einem Ort mit 500 Einwohnern. Da wirft mir schon einmal jemand einen Umschlag in den Briefkasten und fragt: Kannst du das morgen mit auf Arbeit nehmen? Diese Nähe muss man wollen, aber sowas ist ganz normal in einer ländlichen Region. Es hilft aber auch dabei, immer menschlich zu bleiben. Die Menschlichkeit wiederum ist gut für die persönliche Resilienz. Mein Leitgedanke lautet: Behandele alle Menschen so, wie du selbst auf einer Behörde behandelt werden willst. Damit bin ich gut durch die vergangenen Jahrzehnte gekommen.

Wie können Sie Ihre Resilienz fördern? Antworten darauf gibt eine neue Podcast-Folge der Servicestelle SGB II. Darin erläutert Ines Eulzer, Beraterin für Change-Management, mit Hilfe von sieben Säulen, wie Sie Ihre Resilienz erlernen und stärken können. Hören Sie den Podcast zum Thema Resilienz direkt hier an.