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3 Fragen an Ulrike Orlovski

10. März 2021

Ulrike Orlovski
Ulrike Orlovski

Ulrike Orlovski ist persönliche Ansprechpartnerin für Markt und Integration im Jobcenter Lübeck, wo sie ganze Bedarfsgemeinschaften mit Kind betreut. Im Interview erzählt sie, welche Vorteile sie in dieser Art der Betreuung sieht und wie sich die Coronavirus-Pandemie auf ihre Arbeit sowie das Vertrauensverhältnis zu den Leistungsberechtigten ausgewirkt hat.

Frau Orlovski, Sie sind persönliche Ansprechpartnerin für Markt und Integration im Jobcenter Lübeck und betreuen auch ganze Bedarfsgemeinschaften. Welchen Vorteil verbinden Sie mit dieser Art der Betreuung? 

Ulrike Orlovski: Ich arbeite zurzeit an einer bundesweiten Pilotstudie der BA zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit (LZA) mit. Als LZA-Schwerpunktregion gibt man uns hier die Möglichkeit, andere Beratungsansätze auszuprobieren und verstärkt den Aspekt der Prävention und sozialen Teilhabe miteinzubeziehen. Ich arbeite im Team „BG mit Kind“ mit Familien aus den Stadtteilen Moisling und Buntekuh, in denen es einen hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen sowie Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Wir beraten vorrangig die gesamte Bedarfsgemeinschaft, indem wir die Eltern gemeinsam zu den Beratungsterminen einladen. Dann nehmen wir uns viel Zeit, um herauszufinden, was die Familie bewegt und den Einstieg der Eltern oder auch anderer erwerbsfähiger Familienmitglieder in das Arbeitsleben erschwert. Oftmals haben die Kinder gesundheitliche Einschränkungen, schulische Probleme oder den Eltern fehlen die Betreuungsmöglichkeiten. Gerade zu Beginn der Beratung stehen die Kinder verstärkt im Fokus und wir unterstützen die Eltern unter anderem bei der Suche nach dem richtigen Netzwerkpartner. Ich finde die Gespräche mit beiden Elternteilen im Verlauf der gesamten Beratung auch sehr wertvoll. Es ist zum Beispiel viel einfacher herauszuarbeiten, wer perspektivisch größere Chancen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt hat und wer sich im Gegenzug mehr um die Kinderbetreuung kümmern könnte. Schwierig ist dabei oft die gelebte Rollenverteilung in der Familie, aber auch da wurde ich schon das eine oder andere Mal überrascht. Wir möchten stereotype Rollenbilder aufbrechen und geschlechtersensibel die gesamte Bedarfsgemeinschaft beraten.

Sie haben Ihre Kommunikation während der Pandemie vor allem auf das Telefon bzw. Online Angebote umgestellt. Wie wirkt sich dies auf die Zusammenarbeit mit den Leistungsberechtigten aus, insbesondere auf das Vertrauensverhältnis?  

Ulrike Orlovski: Natürlich hat den Familien und auch mir der persönliche Kontakt am Anfang sehr gefehlt. Wir sind ein Standort mit einem hohen Migrationsanteil, da braucht man auch mal Hände, Stift und Zettel. Allerdings habe ich auch vor der Pandemie vieles telefonisch gelöst. Meine Kundinnen und Kunden wissen: ich bin direkt für Sie erreichbar oder rufe zurück. Sicher gibt es sprachliche Barrieren und anstrengende Momente mit den Kindern im Hintergrund. Bei meiner Arbeit ist in dem Fall im Nachgang eine schriftliche Zusammenfassung des Vereinbarten in Briefform für die Familie ganz hilfreich. Aus meiner Sicht hatte die Pandemie wenig Einfluss auf das bereits bestehende Vertrauensverhältnis. Aber es ist nach ein paar Monaten auch zu erkennen, dass ein Telefonat nicht immer die gleiche Verbindlichkeit einer persönlichen Vorsprache aufweist. Im Sommer und Herbst 2020 konnte ich für einige Zeit zu persönlichen Gesprächen in unsere speziell ausgerüsteten Beraterbüros einladen. Das war wichtig, um im Beratungsprozess voran zu kommen und gezielt die Art und Weise des zukünftigen Kontakthaltens zu besprechen. Jetzt, wo wir wieder hohe Kontaktbeschränkungen haben, kann ich daher individueller auf die Kundinnen und Kunden eingehen.

Sicherlich gibt es weitere Aspekte in der Zusammenarbeit, die sich durch die Pandemie verändert haben. Was würden Sie gerne auch unabhängig vom Pandemiegeschehen beibehalten? 

Ulrike Orlovski: Pandemiebedingt haben die Familien teilweise ganz andere Anliegen bewegt. Es gab und gibt zum Beispiel verstärkt Nachfragen zu schulischer Nachhilfe durch den Unterrichtsausfall oder auch zu Mutter/Vater-Kind-Kuren, was man auf den durch Lockdown und Quarantäne zusätzlich entstandenen Stress zuhause zurückführen kann. Wir haben in dieser Zeit auch einen Fragebogen für die Familien entwickelt und verschickt, um damit auch bei nicht unbedingt jobcenterrelevanten Themen Unterstützung zu geben wie u.a. Freizeitangebote für Kinder, gesunde Ernährung, aktuelle Informationen zur Coronavirus-Pandemie oder auch Ansprechpartnerinnen und -partner in gesundheitlichen Belangen. Die Zusammenarbeit mit unseren Netzwerkpartnern wie zum Beispiel dem Frauennetzwerk zur Arbeitssituation e.V. oder dem ESF-Programm „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“, hat da sehr gut funktioniert. Beibehalten möchte ich gern schnelle und auch mal etwas unkonventionelle Lösungswege. Hier erinnere ich mich gut an einen Fall, in dem eine Mutter Kleidung für ein Bewerbungsgespräch brauchte. Dies konnte über das Vermittlungsbudget mit einem SODEXO Gutschein genehmigt werden. Um den Kontakt pandemiebedingt auf möglichst ein bzw. wenige Geschäfte zu beschränken und Ängste zu nehmen, wurde vorab gemeinsam im Gespräch mit der Kundin eine Online-Auswahl in partizipierenden Geschäften getroffen. Durch diese schnelle Hilfe fühlte sich die Leistungsbeziehende vom Jobcenter mit ihren Sorgen ernst genommen. Und mit dem Job hat es am Ende auch geklappt. Wie meine Kollegin so treffend formuliert: Kurze Wege bedeuten eine zügige Klärung eines Anliegens mit wenig Aufwand und einem Gewinn für alle Seiten.

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