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3 Fragen an Felix Baumeier

25. März 2021

Felix Baumeier arbeitete mehr als 20 Jahre für die Bundesagentur für Arbeit. Seit seinem Wechsel zur Kommune im Mai 2020 leitet er das Kommunale Jobcenter Landkreis Leipzig. Baumeier bringt viel Erfahrung in Sachen Personal und Kommunikation mit. Aufgrund seiner hochgradigen Schwerhörigkeit lebt und erlebt er selbst viele Facetten der Inklusion, Tag für Tag.

Felix Baumeier

Im Mai 2020, mitten in der Corona-Pandemie, haben Sie als Geschäftsführer im Kommunalen Jobcenter Landkreis Leipzig begonnen. Abstand halten bestimmt den Alltag: Wie gelingt es Ihnen, unter diesen besonderen Bedingungen die Kommunikation untereinander und mit den Leistungsberechtigten sicherzustellen?

Felix Baumeier: Mein Start war durch Corona turbulent. Die neuen Kolleginnen und Kollegen haben es mir aber leicht gemacht, sie haben mich offen und herzlich aufgenommen. Alle mussten viel improvisieren, sodass ich sehr schnell die vorhandenen Strukturen und Stärken kennengelernt habe. Auch wenn das abgedroschen klingt: Eine authentische und zeitnahe Kommunikation sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Führungskräften ist für meine Position das Allerwichtigste. Immerhin sind wir ein Jobcenter mit knapp 300 Mitarbeitenden an vier Standorten. Wir stimmen uns zu den zentralen Botschaften eng ab. Und für besonders wichtige Botschaften nehme ich ein Video mit dem Handy auf. Das stelle ich über unsere interne Ablage auf dem Server bereit. Da gehe ich pragmatisch vor. Auch wenn sich die Corona-Lage täglich ändert, denke ich, dass man als Amtsleiter keinesfalls „abwarten“ sollte. Agieren statt reagieren macht zwar die eine oder andere Korrektur nötig, aber das Abwarten zieht auf lange Sicht mehr Energie und sorgt für Frust. Deshalb sage ich offen das, was ich weiß – und was eben auch nicht. Wir haben außerdem alle Führungskräfte mit Webcams ausgestattet. Damit können wir inzwischen wirklich gute und kurzfristige Besprechungen machen, unabhängig vom Ort. Für Leistungsberechtigte hatten wir nur kurze Zeit die Häuser geschlossen. Seit dem 11. Mai 2020 können sie wieder zu uns kommen, wenn es nötig ist – mit Termin, Maske und Abstand. Wir nehmen aber viel mehr Unterlagen per E-Mail entgegen und es gibt sehr viel mehr Telefonberatung.

Sie waren vorher bei der Bundesagentur für Arbeit tätig und kennen von daher die gemeinsamen Einrichtungen. Nun leiten Sie ein kommunales Jobcenter. Was können die gemeinsamen Einrichtungen von der kommunalen Ebene lernen – und was können sich kommunale Jobcenter bei den gemeinsamen Einrichtungen abschauen?

Felix Baumeier: Einer der großen Vorteile hier im Landkreis ist die kommunale Familie. In der Grundsicherung haben die Kundinnen und Kunden ja oft multiple Probleme. Die kurzen Kommunikationswege zum Jugendamt, Sozialamt oder Gesundheitsamt sind dann echt von Vorteil. Zudem sind wir regional stark verwurzelt und haben hierdurch eine ganz andere Qualität von Netzwerken. Mir gefällt auch sehr, dass ich auf der kommunalen Ebene vergleichsweise große Gestaltungsmöglichkeiten habe und mehr direkte Verantwortung übernehmen kann. Eine Zentrale wie bei der Bundesagentur sorgt für bestmögliche Leitplanken, aber man kann mit diesen Leitplanken nicht immer allen örtlichen Gegebenheiten gerecht werden. Eine zentrale Organisation von der Größe der BA hat aus meiner Sicht wiederum mehr Skaleneffekte. Ganz konkret sehe ich das in der IT. Bei der Bundesagentur gibt es beispielsweise für die Leistungsauszahlung das Programm ALLEGRO. Um die Updates kümmern sich eigene Spezialistinnen und Spezialisten in Nürnberg für alle gemeinsamen Einrichtungen. Wir arbeiten mit der zugekauften Software Prosoz. Wenn dort ein Update kommt, kümmern sich hier Kolleginnen und Kollegen vom Landkreis, die auch noch viele andere Themen betreuen. Das fordert eine sehr hohe Spezialisierung und Generalisierung zugleich.

Erlauben Sie noch eine sehr persönliche Frage: Sie sind hochgradig schwerhörig. Damit haben Sie einen ganz persönlichen Blick auf das Thema Inklusion. Wie beeinflusst diese Perspektive Ihre Sicht auf die Förderung von Menschen mit Behinderungen?

Felix Baumeier: Ich denke, durch mein Beispiel kann ich Menschen ermutigen. Man kann auch mit einer Einschränkung Karriere machen. Zum Glück leben wir in einer Zeit, in der die Medizin tolle Möglichkeiten hat. Ich habe dank meines Cochlea-Implantats ein künstliches Gehör. Es wandelt ankommende Schallwellen in Strom um und übermittelt sie direkt in den Hörnerv. Ich habe natürlich eine andere Sicht auf manche Dinge: Gruppenbesprechungen oder Großveranstaltungen mit vielen Stimmen aus verschiedenen Richtungen sind für mich ziemlich stressig. Wie ich aber festgestellt habe: oftmals auch für normal Hörende, die das nicht immer offen zeigen. Besonders gerne fördere ich deshalb jetzt Videokonferenzen. Hier müssen alle nacheinander sprechen. Alle müssen viel bewusster überlegen, was sie zu sagen haben und wie sie es sagen. Ich glaube ganz allgemein werden wir hier im Jobcenter auch nach Corona anders arbeiten, etwa mit weniger physischer Präsenz und viel mehr Telefonaten und Videoberatung. Diese zusätzlichen Kommunikationskanäle sehe ich als inklusionsfördernd. Inklusion hat ja sehr viele Facetten. Manche Kolleginnen und Kollegen mit Einschränkungen arbeiten zuhause vielleicht entspannter und damit effizienter. Unsere Leistungsberechtigten mit Einschränkungen bleiben besonders im Blick. Durch die Pandemie ist der Bedarf an Fachkräften abgeflacht – ein großer Nachteil für Menschen, die eine Einschränkung mitbringen. Wir müssen jetzt noch stärker als ohnehin schauen, was wir für ihre Integration tun können. Deshalb müssen wir intensiv mit ihnen und potenziellen Arbeitgebern reden. Und da wären wir wieder bei der Kraft der Kommunikation. Denn als Amtsleiter sehe ich mich zusätzlich zum üblichen Stellenprofil nicht nur als Impulsgeber und Letztentscheider, sondern vor allem als Kommunikationsbotschafter.

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