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Jobcenter-Porträt Zwickau

1. April 2014

Von West nach Ost: Die neue Geschäftsführerin Mathilde Schulze-Middig ist seit drei Monaten im Amt. Die gebürtige Westfälin hat 2001 als Berufsberaterin für Abiturienten und Hochschüler bei der Bundesagentur für Arbeit angefangen, und leitete vor ihrem Umzug nach Zwickau zuletzt den Fachbereich Führungsberatung SGB II in der Zentrale der BA in Nürnberg. Das Jobcenter Zwickau ist im Rahmen der Gebietsstrukturreform 2011 aus drei Jobcentern entstanden. An den insgesamt vier Standorten arbeiten jetzt 369 Mitarbeiter. Zwickau ist eine alte Industrieregion und ein Automobilstandort. Das verarbeitende Gewerbe steht im Vordergrund des Arbeitsmarktes. Die Stadt ist zudem Standort der westsächsischen Hochschule.

Jobcenter Zwickau

Servicestelle SGB II: In vielen Regionen Ostdeutschlands ist die demographische Entwicklung bereits deutlich spürbar. Gilt das auch in Ihrem Jobcenter mit dem Automobilstandort?

Mathilde Schulze-Middig: Ja, die demographische Entwicklung hinterlässt in der Region deutliche Spuren. Die Region leidet unter einem Bevölkerungsrückgang, und trotz der Hochschule in Zwickau haben wir ein negatives Wanderungssaldo bei den 18 bis 24-Jährigen. Der Anteil der Älteren an der Wohnbevölkerung lag 2013 bei knapp 50 Prozent. Das spiegelt sich in der Belegschaft ebenso wie in der Kundenstruktur wieder.

Servicestelle SGB II: Was bedeutet die demographische Entwicklung konkret?

Mathilde Schulze-Middig: Bei den Arbeitgebern ist die Deckung des Fachkräftebedarfs ein großes Thema. Viele Fachkräfte in den Betrieben gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Gleichzeitig sind 45 Prozent unserer Kunden über 50 Jahre alt. Auch sie werden in den nächsten Jahren dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir sammeln mit dem demographischen Wandel also bereits jetzt Erfahrungen, die später auch in anderen Regionen hilfreich sein können.

Servicestelle SGB II: Haben Ältere denn nicht bessere Chancen bei Betrieben, die dringend suchen?

Mathilde Schulze-Middig: Ja, wenn diese Menschen nachgefragte Qualifikationen mitbringen, dann bieten sich Chancen am Arbeitsmarkt. Viele Ältere sind jedoch Langzeitbezieher und gelten inzwischen als marktfern. Es gibt darunter Menschen, die seit der Wende beruflich nicht mehr Fuß fassen konnten. Ihre Ausbildungen, die sie noch zu Zeiten der DDR absolviert haben, sind heute kaum noch gefragt. Wenn dann noch gesundheitliche Probleme bestehen, sind die Chancen am Arbeitsmarkt sehr begrenzt.

Servicestelle SGB II: Bemühen Sie sich auch um die 18- bis 24-Jährigen, die aus der Region abwandern?

Mathilde Schulze-Middig: Die Attraktivität der Region und der Arbeitgeber für junge Menschen zu verbessern, ist ein wichtiges Anliegen. Seit 2012 besteht in Zwickau ein Netzwerk von lokalen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, der so genannte „Runde Tisch Fachkräftesicherung". Dieses Netzwerk kümmert sich um solche und andere Fragen und initiiert entsprechende Aktivitäten zur Fachkräftesicherung. Das Jobcenter ist Mitglied in diesem Netzwerk.

Servicestelle SGB II: Welche Konsequenzen ergeben sich durch den Wandel für die Arbeit des Jobcenters?

Mathilde Schulze-Middig: Der Bestand der Langzeitbezieher ist seit 2011 um knapp 20 Prozent gesunken. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Der zunehmende Anteil marktfernerer Kunden stellt uns jedoch vor Herausforderungen. Wir müssen den Blick weiter schärfen und intelligente Ideen und Ansätze finden, diese Menschen zu aktivieren, ihre Beschäftigungsfähigkeit zu fördern und mit ihnen Perspektiven zu entwickeln.

Servicestelle SGB II: Trotz aller Schwierigkeiten ist es gelungen, 2013 den Leistungsbezug um 6,1 Prozent zu verringern. Wie?

Mathilde Schulze-Middig: Die Reduzierung des Kundenbestands wirkt sich natürlich positiv, d.h. senkend, auf den Leistungsbezug aus. Im Kern geht es um die Frage, wie wir Menschen in Arbeit bringen können und sie dadurch unterstützen, ihren Lebensunterhalt selbständig bestreiten zu können. Die Handlungsfelder und Ansätze sind vielfältig. So nehmen wir z. B. die Selbstständigen in den Fokus, die ergänzende Leistungen bekommen. Auf die gehen wir zu und fragen, ob deren Geschäftsmodell tragfähig ist oder wie sich ihre Einkommenssituation verbessern lässt. Gleichzeitig haben wir seit dem letzten Jahr ein Projektteam, das Intensivvermittlung betreibt. Manche Kunden finden einfach nicht mehr den Mut, sich zu bewerben. Genau dort setzt das Projektteam an. Die Kollegen betreuen diese Kunden intensiv und sprechen bewerberorientiert Arbeitgeber an, um sie in Arbeit zu bringen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich der höhere Personaleinsatz auszahlt.

Servicestelle SGB II: Sie haben den Fachkräftemangel als Herausforderung genannt. Wie arbeiten Sie mit Arbeitgebern zusammen?

Mathilde Schulze-Middig: Wir arbeiten eng mit der Arbeitsagentur zusammen und haben den Arbeitgeberservice gemeinsam organisiert. Es ist sehr hilfreich, dass wir in Zwickau auf ein tragfähiges Netzwerk zurückgreifen können. Der „Runde Tisch Fachkräftesicherung" bietet ein gutes Forum. Jeder der Beteiligten bringt sich mit seinen Kompetenzen ein. Das Jobcenter trägt z. B. mit der Qualifizierung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern zur Fachkräftesicherung bei.

Servicestelle SGB II: Sie sind erst seit ein paar Monaten in diesem Jobcenter, und dann durch den gerade beendeten Zusammenschluss auch gleich in einer schwierigen Situation. Wie gehen Sie damit um?

Mathilde Schulze-Middig: Ich nutze die Chance, alle Bereiche und Kollegen kennenzulernen. Dazu nehme ich an Dienstbesprechungen teil und sehe mir Prozesse genau an, z. B. welchen Weg eine Akte vom Antrag bis zur Bescheid nimmt. Die Kreisgebietsreform in Sachsen liegt drei Jahre zurück. Die Erinnerung an die schwierige Anfangszeit nach dem Zusammenschluss ist bei uns noch sehr präsent. Die Strukturen und Prozesse sind inzwischen aber gut harmonisiert, so dass wir in diesem Jahr auf Kontinuität setzen können. Im nächsten Jahr steht dann unser Umzug in ein neues Gebäude an. Dabei werden die beiden Standorte in der Stadt Zwickau zusammengelegt.

Servicestelle SGB II: Was sind Ihre Schwerpunkte für 2014?

Mathilde Schulze-Middig: Zunächst führen wir die geschäftspolitischen Schwerpunkte der letzten Jahre fort. Gleichzeitig werden wir die Qualifizierungsoffensive mit dem Ziel vorantreiben, dass Kunden ohne Berufsabschluss auf unterschiedlichen Wegen ihre Ausbildung nachholen - auch mit Teilqualifizierungen. Wir streben dabei an, dass sich die Arbeitgeber künftig stärker als bisher bei der beruflichen Nachqualifizierung einbringen.

Servicestelle SGB II: Was macht Ihnen Freude an der Arbeit, was ist schwierig?

Mathilde Schulze-Middig: Die Arbeit ist sehr vielseitig und bietet viele Gestaltungsräume. Sie ist dadurch sehr interessant. Eine Herausforderung in einem Jobcenter ist es, jeden Tag eine gute Balance zwischen den unterschiedlichen Interessen und Erwartungen zu finden.