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Jobcenter-Porträt Weiden-Neustadt

1. Februar 2014

Als gebürtiger Neustädter, der aber sein Leben lang in Weiden wohnt, verkörpert Wolfgang Hohlmeier auch als Person die regionale Aufstellung des "Doppel-Jobcenters" Weiden-Neustadt, welches den Landkreis Neustadt an der Waldnaab und die kreisfreie Stadt Weiden in der Oberpfalz betreut. Das Gebiet zeichnet sich durch einen ausgeprägten Industriesektor und Niedriglohnbereich bei gleichzeitig hohem Anteil Geringqualifizierter und unterdurchschnittlichen Wohnkosten (SGB II-Vergleichstyp IIa) aus. An seiner Arbeit schätzt Herr Hohlmeier besonders die Möglichkeit Fortschritte zu machen, oft auch in kleinen Schritten, und damit Menschen zu helfen ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten zu können.

Das Jobcenter Weiden-Neustadt.

Servicestelle SGB II: Das Jobcenter Weiden-Neustadt ist ein besonderes Jobcenter: Darin vereint sind ein Landkreis, eine Stadt und die Arbeitsagentur. Wie kam es zu dieser Konstellation?

Wolfgang Hohlmeier: Tatsächlich sind wir dadurch eines der größeren Jobcenter in Bayern (mit 3500 Bedarfsgemeinschaften und 105 Mitarbeitern). Der Blick auf die Karte zeigt, dass es passt: Die Stadt Weiden ist ja komplett vom Landkreis umgeben. Die Strukturen sind aber nicht einfach. Wir haben ländliche, als auch städtische Strukturen mit vielen Einpendlern und einer verhärteten Arbeitslosigkeit. Die früher ansässige Glas- und Porzellanindustrie hat ganze Familien mit niedrigen Qualifikationen zurückgelassen. Aber die Sozialämter und die Agenturen haben schon früher kooperiert, und gegenseitig hospitiert. Als 2005 die Frage anstand, wie es weitergeht, sind wir dabei geblieben. Das Vertrauen zwischen den beteiligten Kommunen ist mittlerweile so groß, dass es nicht zwei, sondern einen gemeinsamen Haushalt gibt.

Servicestelle SGB II: Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Wolfgang Hohlmeier: Wir haben die Zentrale in Weiden, und weil wir groß genug sind, auch drei Außenstellen. Das kostet zwar Zeit und Personal, aber wir profitieren insgesamt von der Größe: Damit können wir Ausfälle besser kompensieren, und uns Spezialisierungen leisten – wie eigene Vermittler für Jugendliche und Schwerbehinderte, und eine volle Stelle für die Beauftragte für Chancengleichheit (BCA). Wir haben sogar einen Spezialisten für Ordnungswidrigkeiten. Wenn solche Aufgaben nebenher erfüllt werden müssen, bleibt sonst etwas auf der Strecke. Außerdem ergeben sich durch die unterschiedlichen Mitarbeiter aus Landkreis und Stadt viele Ideen. Und die Kollegen sind ein echtes Team, wir haben kaum Fluktuation.

Servicestelle SGB II: Ihr Jobcenter fällt auch auf, weil die Integrationsquote 2013 bei stolzen 36,2 Prozent lag. Wie haben Sie das geschafft?

Wolfgang Hohlmeier: Wir setzen seit 2011 auf eine langfristige Strategie für drei besondere Kundengruppen, die Langzeitleistungsbezieher, die Alleinerziehenden und die Kunden ohne Ausbildung. Sie bekommen ein Coaching über einen Gutschein: Ziel ist dabei nicht die schnelle Vermittlung, sondern die Kunden innerhalb eines Jahres Schritt für Schritt marktfähig zu machen. Häufig coachen wir nicht nur einen Kunden, sondern gleich die ganze Familie, Eltern und Jugendliche.

Servicestelle SGB II: Warum das Coaching, und was heißt das?

Wolfgang Hohlmeier: Wir haben früher häufig Kunden in Arbeitsgelegenheiten („Ein-Euro-Jobs") vermittelt – aber die standen irgendwann wieder vor unserer Tür. Das wollten wir nicht mehr. Für das Coaching haben wir zertifizierte Träger, die eng mit uns zusammenarbeiten. Mit diesen Trägern arbeiten wir einen ganzen Koffer an Möglichkeiten aus, vom Praktikum bis zum gleitenden Einstieg über soziale Unterstützung. Das bringt die Kunden nach vorne, und dann sind sie auch integrierbar. Das Reizvolle daran ist, dass wir individuell arbeiten können. Und ein Coaching kann ich unterbrechen, eine Maßnahme nicht. Allerdings ist die Betreuung in der Strategie aufwändig, das setzt ausreichende Mittel dafür voraus. Der Erfolg ist auch nicht über Nacht gekommen – wir ernten 2013, was wir 2011 gestartet haben.

Servicestelle SGB II: Ist das auch das Erfolgsrezept bei den Alleinerziehenden? Da besetzen Sie bundesweit den absoluten Spitzenplatz mit 30,7 Prozent der Integrationen.

Wolfgang Hohlmeier: Bei den Alleinerziehenden setzen wir besonders ESF-Mittel ein. Und erfolgreich ist hier vor allem die überbetriebliche Ausbildung zur Industrieelektronikerin, in Teilzeit, und mit einer eigenen Berufsschulklasse. Von dem Jahrgang sind bis auf eine Mutter alle vermittelt – in gute Jobs, nicht in Helferstellen. Wir arbeiten da auch eng mit der BCA der Arbeitsagentur zusammen, das ist auch ein Novum.

Servicestelle SGB II: Was bedeutet das für die Kinder der Alleinerziehenden?

Wolfgang Hohlmeier: Die Kinderbetreuung ist die Grundvoraussetzung. Aber genau da sind wir sehr gut vernetzt. Das hat Jahre und Nerven gekostet, aber es lohnt sich. Im Notfall schafft es die BCA in Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft und den kommunalen Akteuren, innerhalb kürzester Zeit eine Betreuung zu finden, und zwar unbürokratisch. Hier zeigt sich auch der Erfolg einer anderen Initiative, der AMI (Arbeitsmarktinitiative Weiden). Die hat die Stadt Weiden gegründet. In ihr sitzen alle Entscheidungsträger regelmäßig zusammen, vom Kammervertreter über den Gewerkschafter bis zum Jugendamtsleiter – und diese persönlichen Kontakte tragen weit.

Servicestelle SGB II: Bieten denn genug Arbeitgeber eine Teilzeitausbildungsstelle?

Wolfgang Hohlmeier: Das ist nicht ganz einfach, weil die demographische Entwicklung hier noch nicht durchgeschlagen hat. Aber das Bewusstsein bei den Arbeitgebern wächst, dass sie etwas tun müssen. Sie sind jetzt eher bereit, selber etwas für die Weiterbildung zu tun, und das nicht nur dem Staat zu überlassen. Das war vor einigen Jahren nicht so. Wir erleben es, dass Betriebe Kunden übernehmen, die wir noch nicht für marktfähig halten, und sagen: Wir machen was mit ihm.

Servicestelle SGB II: Was haben Sie 2014 vor? Reicht die Kraft für neue Initiativen?

Wolfgang Hohlmeier: Mir macht diese Arbeit mit den Menschen viel Spaß, das Entwerfen von Strategien, und wenn wir – wenn auch in kleinen Schritten – erfolgreich sind. Unsere Schwerpunkte sind 2014 dieselben wie 2013. Und wir wollen die Zielvorgaben erreichen, auch wenn der Eingliederungstitel reduziert wird.