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Jobcenter Nordwestmecklenburg

12. Juli 2016

Im Landkreis Nordwestmecklenburg ist die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf nunmehr 7,5 Prozent gesunken. Doch nicht alle Menschen profitieren vom Aufschwung. Vor allem Langzeitarbeitslosen und jungen Menschen bleibt der Weg ins Erwerbsleben oft versperrt. Über die Strategien, mit denen das Jobcenter Nordwestmecklenburg (SGB-II-Vergleichstyp IIIa) Abhilfe schafft, haben wir mit dem Geschäftsführer Martin Greiner gesprochen.

Servicestelle SGB II: Herr Greiner, was kennzeichnet die Wirtschaft im Landkreis Nordwestmecklenburg?

Martin Greiner: Die Wirtschaft in Nordwestmecklenburg hat vor allem zwei Standbeine: den Tourismus und die Holzverarbeitung. Wismar hat einen der größten Holzumschlaghäfen Europas. Rund um den Hafen haben sich viele Betriebe der Holzverarbeitung angesiedelt und schaffen Beschäftigung, somit ist der Anteil der Arbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe überproportional hoch im Vergleich zum Land Mecklenburg-Vorpommern. Daneben ist der Tourismus ein wichtiges Standbein. Viele Hotels und Gaststätten an der Ostseeküste werden mittlerweile ganzjährig betrieben. Das ist eine positive Entwicklung, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die klassische Urlaubssaison hinaus in einem sicheren Beschäftigungsverhältnis bleiben.

Servicestelle SGB II: Auch wenn die Arbeitslosequote kontinuierlich sinkt, ist die Jugendarbeitslosigkeit vor Ort relativ hoch. Woran liegt das?

Martin Greiner: Fast jeder Dritte verlässt die Schule ohne Abschluss. Für diese Jugendlichen ist es außerordentlich schwer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, obwohl Fachkräfte in der Region gesucht werden. Unseren Fokus legen wir daher auf den nachholenden Schulabschluss. Wir arbeiten mit eigenen Jugendteams und U25-Vermittlern, bieten spezielle Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung an. Unser Ziel ist, mit einem engen Betreuungsschlüssel die Jugendarbeitslosigkeit bis 2018 zu halbieren.

Servicestelle SGB II: Das ist ein ehrgeiziges Ziel ...

Martin Greiner: Ja, ehrgeizig, aber machbar. Die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen, ist auch deshalb ein zentrales Anliegen, weil wir vermeiden wollen, dass sich die Perspektivlosigkeit der jungen Menschen verfestigt. Langzeitarbeitslosigkeit ist in der Region bereits jetzt ein gravierendes Problem: Rund 70 Prozent der Menschen, die das Jobcenter betreut, sind langzeitarbeitslos.

Servicestelle SGB II: Welche Ansätze verfolgen Sie, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu vermitteln?

Martin Greiner: Wir beteiligen uns beispielsweise am Bundesprogramm Soziale Teilhabe und fördern im Rahmen des ESF-Bundesprogramms Arbeitsverhältnisse. Hier können Arbeitgeber Lohnkostenzuschüsse beantragen, wenn sie Langzeitarbeitslose einstellen. Die neuen Beschäftigten wiederum erhalten ein Coaching am Arbeitsplatz mit dem Ziel, die neuen Arbeitsverhältnisse zu stabilisieren. Das Programm läuft bei uns sehr erfolgreich. Bei der Arbeitgeberförderung konnten wir 85 Prozent der Plätze besetzen. Das ist meines Wissens die höchste Quote aller teilnehmenden Jobcenter. Im Bundesprogramm Soziale Teilhabe befinden wir uns in der Phase des Profilings: Wir identifizieren individuelle Problemlagen und Entwicklungsmöglichkeiten: Wie viele Stunden kann ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeiten? Welche Vermittlungshemmnisse bestehen und wie können wir diese etwa durch Qualifizierungsangebote oder psychosoziale Beratung abbauen?

Servicestelle SGB II: Können Sie konkrete Projekte nennen, bei denen Langzeitarbeitslose in Arbeit integriert werden?

Martin Greiner: Ein Beispiel ist der Verein „Phoenix aus der Asche“, der Zeitzeugenprojekte mit jüdischen Kontingentsflüchtlingen realisiert, die den Holocaust überlebt haben. Unsere Kundinnen und Kunden arbeiten an einem Buchprojekt mit, übernehmen Aufgaben im Archiv und Recherchetätigkeiten, sind auch bei Interviews mit den Überlebenden dabei. Das ist ein sehr besonderes Projekt. Ein anderes Beispiel sind die Bürgerhäuser, die bei uns im Flächenland ein wichtige Rolle spielen, weil sie eine Anlaufstelle für die Menschen sind. Hier haben wir Anstellungen als Hausmeister vermitteln können. Das sind Beispiele. Wesentlich ist, bei allen Arbeitsverhältnissen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenpassen. Und die Zufriedenheit ist auf beiden Seiten sehr hoch.

Servicestelle SGB II: Wie stellen Sie im Vorfeld sicher, dass die Chemie zwischen Arbeitgebern und den von Ihnen vermittelten Arbeitnehmern stimmt?

Martin Greiner: Uns ist eine bewerberorientierte Arbeitsvermittlung wichtig. Wir gehen bewusst von den Wünschen der Bewerberinnen und Bewerber aus. Wenn beispielsweise ein Arbeitsplatz in der Nähe des eigenen Wohnorts gesucht wird, dann wollen wir das auch möglich machen. Im neuen Jahr werden wir die assistierte Vermittlung ausbauen und Menschen mit „Entwicklungsprofil“ noch stärker in den Fokus nehmen. Denn wenn diese eigentlich noch marktnäheren Personen trotz guten Arbeitsmarktaussichten keinen geeigneten Job finden, dann gilt es, das Kriterium, das einer erfolgreichen Integration im Weg steht, zu identifizieren und aufzubrechen. Menschen mit „Entwicklungsprofil“ wieder in Arbeit zu bringen, ist aus meiner Sicht ein Schlüssel zum Erfolg.

Servicestelle SGB II: Eine abschließende Frage: Das Thema „Flüchtlinge“ bewegt die Republik. Welche Perspektive haben Sie auf das Thema?

Martin Greiner: Wir erleben, dass mit der Anerkennung als Asylberechtigte viele in die Metropolen ziehen. Wir versuchen, die Menschen im Landkreis zu halten. Wie ich eingangs bereits erwähnte, ist der Fachkräftebedarf in der Region sehr hoch, und wir können ihn zum Teil nicht decken. Die Ausgangslage ist also gut: Arbeitsplätze und Wohnraum sind vorhanden. Wichtig ist daher, die Asylsuchenden zu qualifizieren und ihnen eine gute Perspektive in Nordwestmecklenburg zu öffnen. Das geht nicht ohne persönliche Bindungen. Die braucht ein Mensch, um Wurzeln schlagen zu können. Das hohe ehrenamtliche Engagement in der Region ist daher sehr hilfreich, weil hierdurch persönliche Beziehungen zwischen neuen und eingesessenen Bürgern entstehen. Und diese Beziehungen ermutigen die Menschen zum Bleiben.

Servicestelle SGB II: Wir danken Ihnen für das Gespräch!