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Auf Augenhöhe

1. August 2016

Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen - das Jobcenter

Banner des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen - das Jobcenter an der Außenfassade
Quelle: BMAS/Schmüdderich

Ein offener, bürgernaher und wertschätzender Umgang mit den Arbeitsuchenden zeichnet die Arbeit des Jobcenters Gelsenkirchen aus. Mit innovativen Ideen gelingt es, in der von hoher Arbeitslosigkeit gezeichneten Stadt Menschen in Arbeit zu bringen.

Die Innenstadt von Gelsenkirchen an einem normalen Wochentag. Menschen bummeln durch die Einkaufsstraße. Die einen machen Mittag, bevor es zurück ins Büro geht. Andere streben gezielt zum Neumarkt 1, wo reger Betrieb herrscht. Was sie suchen: Arbeit. Denn hier befindet sich einer von zwei sogenannten Job Points der Stadt. Der Strukturwandel hat den einst europaweit führenden Steinkohlestandort schwer getroffen. Und so steht Gelsenkirchen heute vor großen Herausforderungen: Jeder fünfte Einwohner bezieht Leistungen des Jobcenters. Von den etwa 257.000 Einwohnern sind das rund 50.000 Menschen, 23.000 von ihnen sind langzeitarbeitslos.

Ladengeschäft zur Jobvermittlung

Vor sieben Jahren wurde der erste Job Point der Stadt eröffnet. Die Job Points sind ein Baustein, mit dem das Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen erwerbslosen Menschen eine neue Perspektive eröffnen möchte. Deshalb stehen die Job Points da, wo die Menschen sind, zum Beispiel in der Gelsenkirchener City. Das Angebot ist so niedrigschwellig wie möglich – statt Behörden-Grau eine offene und freundliche Atmosphäre. So sollen Hürden bei der Arbeitsuche abgebaut und Ängste vor der Bewerbung genommen werden. An der Stelleninsel in der Mitte des Job Points hängen aktuelle Stellenanzeigen nach Branchen und Berufszweigen aus. Arbeitsuchende können diese abnehmen und kopieren. Ein Telefon ermöglicht es, direkt bei einem potenziellen Arbeitgeber anzurufen. An einem PC können Bewerbungen geschrieben und ausgedruckt werden. Die Mitarbeitenden vor Ort helfen bei allen Fragen weiter, zum Beispiel wenn es darum geht, einen E-Mail-Account einzurichten.

Foto aus dem Job Point in der Gelsenkirchener Innenstadt. Eine Besucherin lässt sich an der Stelleninsel in der Raummitte beraten, ein anderer Besucher liest sich Stellenanzeigen durch. Im Hintergrund hilft eine Jobcenter-Mitarbeiterin einer Frau am PC.
An der Stelleninsel im Job Point können sich Arbeitsuchende über freie Stellen informieren und über Schritte einer erfolgreichen Bewerbung beraten lassen. Quelle: BMAS/Schmüdderich

Linda Kaufmann, Teamleiterin der Job Points, betont daher auch den Servicecharakter des Angebots: Sie können sich das ein bisschen wie ein Reisebüro vorstellen. Die Menschen kommen ohne etwas in den Händen zu uns in den Laden und können mit einer fertigen Bewerbung nach Hause gehen. Sie brauchen nicht einmal einen Termin zu vereinbaren. Dabei leisten die insgesamt 13 Mitarbeitenden in den beiden Job Points – neben Gelsenkirchen-City gibt es einen weiteren in Gelsenkirchen-Buer – mehr als nur einfache Dienstleistungen. Der Weg zurück ins Erwerbsleben ist nicht immer leicht. Deshalb geht es uns darum, Arbeitsuchende zu motivieren und neue Beschäftigungsfelder aufzuzeigen, ohne dabei falsche Erwartungen zu wecken, beschreibt Kaufmann die Aufgabe ihres Teams. Darüber hinaus pflegen wir einen engen Draht zu Arbeitgebern. Dort ist in den letzten Jahren großes Vertrauen in die Empfehlung von Bewerbern durch uns entstanden. Der Erfolg gibt ihr Recht: Mundpropaganda hat dafür gesorgt, dass mittlerweile etwa 5.000 Arbeitsuchende pro Monat einen der beiden Job Points aufsuchen. Seit der Eröffnung vor sieben Jahren wurden insgesamt 7.800 Arbeitgeber-Kontakte hergestellt. Vor allem die Nähe zu den Arbeitsuchenden ist es, die die Job Points auszeichnet. Wir kennen die Menschen hier und können qualifizierte Empfehlungen treffen. Und wenn ein Jobangebot einmal nicht passt, weil eine Qualifikation fehlt, dann rufe ich bei den Kolleginnen und Kollegen an und schicke die Menschen rüber in die B.box, so Kaufmann.

Porträtfoto von Linda Kaufmann. Sie hat lange blonde Haare und lehnt an einer Wand mit Jobanzeigen.
Linda Kaufmann arbeitet seit 2007 im Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen. Seit 2012 leitet sie die Job Points im Stadtteil Buer und in der Gelsenkirchener Innenstadt. Quelle: BMAS/Schmüdderich

Unbürokratische Bildungsberatung

Die B.box befindet sich nur wenige 100 Meter entfernt. Ein modernes, zweigeschossiges Ladenlokal, hell und gläsern am Fuße des 14-stöckigen Gebäudes der Stadt, mit Flyerwand, PC-Arbeitsplätzen und eigenem Veranstaltungsraum. Seit März 2015 können sich hier Menschen ohne Termin und kostenfrei rund um die Themen Bildung und Arbeitsmarkt informieren. Wir möchten vor allem Berührungsängste abbauen, erklärt Leiterin Eva Homscheidt. Viele Menschen, die das Wort ‚ Bildung‘ hören, denken sofort an ‚drei Jahre die Schulbank drücken‘. Wir helfen ihnen dabei, kleine, aber wichtige Schritte zu gehen. Das klassische Beispiel: der Gabelstaplerführerschein. Er kann innerhalb von nur einer Woche erworben werden und die Chancen für einen Lagerarbeiterjob deutlich steigern.

Eva Homscheidt trägt ihre blonde Locken zum Pferdeschwanz gebunden, eine Brille und einen roten Blazer. Sie steht vor einer Flyerwand und spricht zu einem Mann.
An einer Flyerwand können die Besucherinnen und Besucher der B.box über 600 verschiedene Umschulungs- und Qualifizierungsangebote recherchieren. Quelle: BMAS/Schmüdderich

Dass fast drei Viertel der Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher in Gelsenkirchen nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, unterstreicht die Wichtigkeit dieses Ansatzes. Mehr noch: Die Beratung und Information erfolgt unbürokratisch. Die Formalitäten für eine einfache Schulungsmaßnahme können gleich in der B.box erledigt werden. Interessenten für Umschulungen im Rahmen des Bildungsgutscheins werden direkt an die zuständigen Kolleginnen und Kollegen in der 12. Etage weitervermittelt, wo bis zu drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die umgehende Beratung von B.box-Besucherinnen und -Besucher freigestellt sind. Homscheidt: So geht uns der Mensch nicht verloren, weil er nicht auf einen separaten Jobcenter-Termin warten muss. Und wir vermitteln den Arbeitsuchenden, dass sie uns wichtig sind, indem wir uns sofort Zeit für sie nehmen.

Dabei gilt: Es wird kein Zwang ausgeübt. Das Team der B.box berät und weckt im besten Fall Interesse an einer Schulung. Die Entscheidung aber liegt ganz allein bei den Arbeitsuchenden. Eine Umschulung zum Beispiel ist eine weitreichende und schwierige Entscheidung, mit der eine zeitliche Verpflichtung einhergeht, die auch Auswirkungen auf die Familie hat. Deshalb drängen wir niemanden, sondern beraten so oft und so ausführlich, wie es gewünscht wird, so Homscheidt. Viele Menschen, die sich letztlich für eine Schulung entschieden und darüber einen Job gefunden haben, kommen später zurück und bedanken sich bei uns – auch für die Wertschätzung, die sie erfahren haben.

Porträtfoto von Eva Homscheidt. Sie trägt ihre blonden lockigen Haare in Pferdeschwanz und eine Brille.
Eva Homscheidt leitet die B.box. Ihr nächstes Ziel ist eine mobile Bildungsberatung zu schaffen, um auch in den Stadtteilen präsent zu sein. Quelle: BMAS/Schmüdderich

Bessere Arbeitsmarktchancen für Frauen

Darunter waren im besten Fall auch Kunden von Irene Pawellek. Die Jobcenter-Mitarbeiterin der ersten Stunde ist seit 2011 Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen und damit vor allem dafür verantwortlich, dass Frauen und Männer einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Ich habe vor fünf Jahren im Grunde einen leeren Raum vorgefunden, beschreibt sie die Ausgangssituation. Seither hat sie konsequent daran gearbeitet, eine Förderkette für Frauen und Männer in allen Familienphasen aufzubauen: ob im Projekt „Plan B" für junge Frauen in der Schwangerschaft, im Projekt „FrühStart" zur Unterstützung von Eltern mit Kindern unter drei Jahren oder im Rahmen der „Perspektive Wiedereinstieg", die zum Ziel hat, Eltern nach der Erziehung ihrer Kinder wieder in Arbeit zu bringen. Für die notwendigen Besprechungen nutzt Pawellek auch die B.box – damit die Menschen, die sie berät, sowie ihre Netzwerkpartner dieses besondere Angebot kennenlernen.

Porträtfoto von Irene Pawellek. Sie hat kurze blonde Haare und trägt eine runde Brille.
Irene Pawellek hat als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt das Ziel, keine Förderlücken entstehen zu lassen. Quelle: BMAS/Schmüdderich

Ihr neuestes Projekt heißt „Meryem". Das Ziel: Wir wollen ein Angebot schaffen für türkische Frauen über 25, die schon lange in Gelsenkirchen leben, aber in ihrer Community geblieben sind, kaum deutsch sprechen und von Arbeitslosengeld II leben. Über Sprachkurse, Schnupperpraktika und ähnliches wollen wir sie in die Lage versetzen, ohne fremde Hilfe ihre berufliche Zukunft zu gestalten, so Pawellek. Alle 25 Plätze sind vergeben, 30 Frauen kamen zum ersten Workshop.

Solch große Nachfrage, zum Teil mit Wartelisten, herrscht bei allen Projekten, die Pawellek initiiert hat. Das liegt auch daran, dass sie präsent ist und vor Ort für ihre Projekte trommelt, sei es in der B.box, im Jobcenter, in den Stadteilzentren, Kitas oder Familienzentren. Die Menschen sind überrascht, dass ich da bin, Interesse zeige und nichts verkaufen will. Sie merken: Ich meine es ernst, ich stehe für Information und Beratung zur Verfügung. Dabei kann ich keiner Frau versprechen, morgen Arbeit zu haben. Aber ich kann ihr sagen: Wenn wir am Ball bleiben, kriegen wir das hin, resümiert Pawellek.

Netzwerke und langer Atem

Wir wollen ehrlich und wertschätzend mit den Menschen umgehen, ihnen auf Augenhöhe begegnen, erläutert Dirk Sußmann die Philosophie des Integrationscenters für Arbeit. Der Geschäftsführer des Jobcenters hat sein Büro im 14. Stock. Von hier oben hat man eine fast grenzenlose Sicht auf das „neue" Ruhrgebiet, in dem kaum noch Schlote rauchen.

Sußmann, früher selbst Sachbearbeiter und seit Januar 2016 Chef von rund 650 Beschäftigten, legt Wert auf einen guten Überblick. Wir pflegen enge Netzwerke mit Arbeitgebern, Kammern, Wirtschaftsvertretern und der städtischen Politik. Durch den regelmäßigen Austausch wissen wir früh Bescheid, wenn sich neue Unternehmen in der Region ansiedeln möchten, erläutert Sußmann. So können wir konkrete Dienstleistungen wie Bewerbertage anbieten und den Firmen qualifiziertes Personal vermitteln. Auch berufliche Qualifizierungen und Weiterbildungen werden individuell und arbeitsplatzbezogen angeboten.

Porträtfoto von Dirk Sußmann. Er trägt einen blauen Anzug und lächelt.
Dirk Sußmann ist seit Januar 2016 Geschäftsführer des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen. Zuvor hatte er zehn Jahre lang als stellvertretender Geschäftsführer die Geschicke des Jobcenters mitbestimmt. Quelle: BMAS/Schmüdderich

Eine hohe Kundenzufriedenheit und Integrationsquote geben dem Jobcenter Recht. In Gelsenkirchen werden überdurchschnittlich viele Langzeitarbeitslose in Arbeit vermittelt. Im Vergleich zu allen Menschen, die Arbeit aufnehmen, liegt der Anteil der in Arbeit gebrachten SGB II-Bezieherinnen und Bezieher bei über 28 Prozent. Das ist die mit Abstand beste Quote in den Ruhrgebietsstädten. Und auch in den von der Bundesagentur für Arbeit erhobenen Umfragen zur Kundenzufriedenheit bekommt das Jobcenter regelmäßig gute Werte.

Entscheidend ist die Konsequenz, mit der wir unsere Maßnahmen angehen, erklärt Sußmann das Erfolgsrezept des Jobcenters. Fast täglich finden bei uns Veranstaltungen statt für Arbeitgeber und Arbeitsuchende. Aber es ist oft mühsam, in der Öffentlichkeit eine Akzeptanz dafür zu erzielen, dass der Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit länger ist und dass wir erst einmal die Gesundheit der Menschen fördern, ihnen Lernerfolge und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit geben müssen. Vor allem aber wollen wir kreativ sein und neue Wege gehen. Ich kann einen Langzeitarbeitslosen am Schreibtisch beraten oder aber mit ihm Fahrrad fahren oder spazieren gehen. So erfahre ich mehr über den Menschen und seine Sichtweisen, als wenn ich ihn mit einem Formular abfrage. Dennoch werden viele Menschen in Gelsenkirchen weiter auf einen neuen Job warten müssen. Es ist schlichtweg nicht genug Arbeit da, um eine Trendwende zu erreichen. Mir liegt daher auch sehr am Herzen, dass es uns gelingt, in dieser Stadt durchgreifend etwas gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zu tun, beschreibt Sußmann seine Motivation.

Die Vision von Eva Homscheidt: Ich möchte da hingehen, wo Menschen sind, die möglicherweise Bildung brauchen, zum Beispiel mit einer mobilen Bildungsberatung in den Stadtteilen und auf den Wochenmärkten.

Der Antrieb von Irene Pawellek: Ich will keine Lücken zulassen. Wenn ich feststelle, dass wir eine Personengruppe nicht so erreicht haben, wie wir sie erreichen wollen, dann versuchen wir diese Lücke zu schließen.

Die Freude von Linda Kaufmann an ihrer Arbeit: Die Vielseitigkeit ist das Schöne, jede Woche ist anders und jeden Tag kommen Menschen zu uns, die Dankbarkeit zeigen für das, was wir versuchen, möglich zu machen.

Bildergalerie

  • Banner des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen - das Jobcenter an der Außenfassade

    Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen - das Jobcenter

    Quelle: BMAS/Schmüdderich
  • Foto aus dem Job Point in der Gelsenkirchener Innenstadt. Eine Besucherin lässt sich an der Stelleninsel in der Raummitte beraten, ein anderer Besucher liest sich Stellenanzeigen durch. Im Hintergrund hilft eine Jobcenter-Mitarbeiterin einer Frau am PC.

    Job Point

    An der Stelleninsel im Job Point können sich Arbeitsuchende über freie Stellen informieren und über Schritte einer erfolgreichen Bewerbung beraten lassen. Quelle: BMAS/Schmüdderich
  • Porträtfoto von Linda Kaufmann. Sie hat lange blonde Haare und lehnt an einer Wand mit Jobanzeigen.

    Linda Kaufmann

    Linda Kaufmann arbeitet seit 2007 im Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen. Seit 2012 leitet sie die Job Points im Stadtteil Buer und in der Gelsenkirchener Innenstadt. Quelle: BMAS/Schmüdderich
  • Porträtfoto von Irene Pawellek. Sie hat kurze blonde Haare und trägt eine runde Brille.

    Irene Pawellek

    Irene Pawellek hat als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt das Ziel, keine Förderlücken entstehen zu lassen. Quelle: BMAS/Schmüdderich
  • Eva Homscheidt trägt ihre blonde Locken zum Pferdeschwanz gebunden, eine Brille und einen roten Blazer. Sie steht vor einer Flyerwand und spricht zu einem Mann.

    B.box

    An einer Flyerwand können die Besucherinnen und Besucher der B.box über 600 verschiedene Umschulungs- und Qualifizierungsangebote recherchieren. Quelle: BMAS/Schmüdderich
  • Porträtfoto von Eva Homscheidt. Sie trägt ihre blonden lockigen Haare in Pferdeschwanz und eine Brille.

    Eva Homscheidt

    Eva Homscheidt leitet die B.box. Ihr nächstes Ziel ist eine mobile Bildungsberatung zu schaffen, um auch in den Stadtteilen präsent zu sein. Quelle: BMAS/Schmüdderich
  • Porträtfoto von Dirk Sußmann. Er trägt einen blauen Anzug und lächelt.

    Dirk Sußmann

    Dirk Sußmann ist seit Januar 2016 Geschäftsführer des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen. Zuvor hatte er zehn Jahre lang als stellvertretender Geschäftsführer die Geschicke des Jobcenters mitbestimmt. Quelle: BMAS/Schmüdderich