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3 Fragen an
Claudia Bengelsdorf

18. Juli 2017

Querschnittsdenken und sich gemeinsam mit Arbeitsmarktpartnern für eine Sache einzusetzen, das ist Berufsalltag für BCA Claudia Bengelsdorf aus dem Jobcenter Salzgitter. Es sind gefragte Fähigkeiten in einer Stadt, die seit 2015 rund 5.000 geflüchtete Menschen aufgenommen hat.

Porträtfoto von Claudia Bengelsdorf. Sie hat kurze lockige platinblonde Haare und blaue Augen.
Claudia Bengelsdorf, Beauftragte für Chancengleichheit im Jobcenter Salzgitter

Servicestelle SGB II: Was sind für Sie als BCA in Salzgitter aktuell die größten Herausforderungen?

Claudia Bengelsdorf: Wir wollen der großen Anzahl an geflüchteten Menschen in unserer Stadt einen gelungenen Neustart ermöglichen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind aktuell Kundinnen und Kunden in unserem Jobcenter. Dadurch hat sich unsere Kundenstruktur verändert. Der Ausländeranteil und die Bedarfsgemeinschaften mit großer Personenanzahl haben sich deutlich erhöht. Wir betreuen viele Familien mit vier und mehr Kindern unter 15 Jahren.

Migration hat Salzgitter bereits seit Ende des Zweiten Weltkriegs stark geprägt. Es gibt hier eine große Bereitschaft, Menschen anderer Kulturen aufzunehmen und in die Gesellschaft zu integrieren.

Ein Großteil der geflüchteten Frauen lebt nach traditionellem Rollenverständnis zurückgezogen, vorwiegend im eigenen Kulturkreis und nimmt hauptsächlich familiäre Aufgaben wahr. Damit die Familien in Zukunft weitestgehend unabhängig von Sozialleistungen leben können, ist die soziale Integration der Frauen und ihre Integration in den Arbeitsmarkt notwendig.
Eine andere Entwicklung, mit der wir uns schon seit Längerem intensiv beschäftigen, ist die große Anzahl an alleinerziehenden Kundinnen. Zudem ist es uns ein großes Anliegen, Kinderarmut zu vermeiden und speziell der Altersarmut von Frauen entgegenzuwirken.

Servicestelle SGB II: Welche Angebote und Maßnahmen haben Sie (mit)entwickelt, um auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren?

Claudia Bengelsdorf: Wir haben erkannt, dass die Rolle der Mutter im engen Zusammenhang mit dem Integrationserfolg der Familie steht. Daher ist es mir besonders wichtig, dass die geflüchteten Frauen von Anfang an begleitet werden. Die meisten von ihnen haben mehrere minderjährige Kinder und sind stark an Haus und Familie gebunden. Daher ermöglichen wir einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildungsangeboten und fördern so die soziale Integration der Teilnehmerinnen.

Um möglichst viele Menschen zu erreichen, zeigt das Jobcenter Präsenz in den Stadtteilen. Derzeit organisieren wir beispielsweise in Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern einen Gesprächskreis für Frauen mit Migrationshintergrund, an dem auch viele geflüchtete Frauen teilnehmen. Kinderbetreuung ist dort auch für Kinder unter drei Jahren möglich.

Ein neues Projekt über das Programm „Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt“ (FIFA) läuft Ende 2017 an. Vier Frauen mit Migrationshintergrund, die schon länger in Salzgitter leben, und acht geflüchtete Frauen werden daran teilnehmen. Das Projekt fördert die gesellschaftliche Teilhabe und den Austausch der Frauen untereinander. Hier bietet das SOS- Mütterzentrum – Mehrgenerationenhaus auch Kinderbetreuung an.

Servicestelle SGB II: Was motiviert Sie in Ihrer täglichen Arbeit als BCA?

Claudia Bengelsdorf: Mein Aufgabenbereich ist inhaltlich sehr abwechslungsreich. Es handelt sich um eine Querschnittsaufgabe, in der ich auf vielfältige Weise wirken kann. Zusätzlich motivierend ist die intensive Netzwerkarbeit vor Ort. Nur zusammen konnten wir die Herausforderung der Aufnahme zahlreicher Menschen bewältigen, die vor Verfolgung, Krieg und Gewalt geflüchtet sind.

Aufgrund der Sprachdefizite auf beiden Seiten war eine enge Begleitung der Flüchtlinge erforderlich und unsere Mitarbeiterkapazitäten entsprachen zunächst nicht dem schnell anwachsenden Kundenbestand. Wohlfahrtsverbände, karitative Einrichtungen und ehrenamtliche Initiativen unterstützten uns bei der Antragstellung und begleiteten die geflüchteten Menschen ins Jobcenter.

Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt, über die Stadt Salzgitter wurden (Kultur-)Dolmetscher ausgebildet und die bereits vorhandenen Strukturen zum Beispiel mit Stadtteilmüttern und Integrationslotsen weiter ausgebaut. Es sind daher deutliche Fortschritte sicht- und spürbar. Nach und nach erhöht sich auch die Anzahl der Mitarbeitenden des Jobcenters Salzgitter. Nun sind wir besser aufgestellt und zahlreiche Integrationsprojekte sind angelaufen. Die Lage vor Ort hat sich in den letzten Monaten etwas entspannt – der zu erwartende Familiennachzug im Frühjahr 2018 bleibt aber dennoch eine große Herausforderung.