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Die Kümmerer von Berlin Mitte

15. Januar 2017

Das Jobcenter Berlin Mitte

Ein Mann mit kurzen braunen Haaren spricht
Manuela Lück, Manja Kraatz , Sibel Celiker und Lutz Mania, Geschäftsführer des Jobcenters im Gespräch Quelle: BMAS

Der Weg ins Jobcenter Berlin Mitte vermittelt einen guten Eindruck davon, was Vielfalt bedeutet. Verlässt man die U-Bahn an der Haltestelle Spittelmarkt und steigt die wenigen Stufen empor, steht man an einem Ort, der so gar nicht wie ein Markt wirken will. Der historische Stadtplatz, der hier einst war, hat im Zweiten Weltkrieg seine Form vollkommen verloren. So steht man heute vor der sechsspurigen Leipziger Straße, die den Alexanderplatz mit dem Potsdamer Platz verbindet. Daran aufgereiht ragen riesige Plattenbauten aus der DDR-Zeit in den Himmel, dazwischen gläserne Bürogebäude und moderne Hotels. Doch geht man nur wenige Meter weiter, wo das Jobcenter Berlin Mitte seinen Sitz hat, wird es sofort weniger hektisch, die Häuser flacher und man erahnt die alte historische Mitte Berlins.

Ruhig und geordnet geht es auch im Inneren zu – trotz der Vielfalt an Sprachen, Kulturen und Lebensgeschichten, die auch hier herrscht. An mehreren Countern im Eingangsbereich werden die Kundinnen und Kunden des Jobcenters in Empfang genommen – egal welcher Herkunft und mit welchen Sprachkenntnissen. Für arabischsprachige Flüchtlinge etwa, die kein Deutsch sprechen, stehen eigene Sprachmittlerinnen und Sprachmittler bereit. Wir wollen alle unsere Kundinnen und Kunden ganz normal in unser Umfeld integrieren. Auf einen Integration Point als separate Anlaufstelle für Flüchtlinge, wie andere Jobcenter das machen, haben wir deshalb ganz bewusst verzichtet, erklärt Lutz Mania, Geschäftsführer des Jobcenters Berlin Mitte. Das hat auch damit zu tun, dass wir als Jobcenter im Herzen Berlins schon immer einen besonders hohen Anteil von Migrantinnen und Migranten betreuen. Vor allem der Stadtteil Wedding mit seiner großen türkischen Community fällt hierunter.

Mania muss wissen, wovon er spricht. Als Geschäftsführer ist er nicht nur Herr über fünf Standorte, sondern mit seinen 1.006 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch zuständig für über 57.000 Bedarfsberechtigte in Berlin-Mitte, davon etwa zwei Drittel mit Migrationshintergrund. Und das in aller Vielfalt, seien es einstige Gastarbeiterfamilien aus der Türkei in der mittlerweile dritten oder vierten Generation oder Asylsuchende aus Syrien, Irak oder Eritrea.

Erst Probleme lösen, dann Arbeit finden

Dass mit diesen unterschiedlichen Lebensumständen auch verschiedene Herausforderungen einhergehen, denen man mit besonderen Angeboten begegnen muss, weiß Manja Kraatz, Leiterin am Standort Leopoldplatz im Wedding, aus ihrer täglichen Arbeit: Viele unserer Kundinnen und Kunden haben grundlegende Probleme, die erst einmal gelöst werden müssen, bevor wir ernsthaft über das Thema Arbeit nachdenken können, so Kraatz. Ob Mietschulden, Suchtprobleme, psychische Beeinträchtigungen oder pflegebedürftige Angehörige zu Hause: Die Liste der Gründe, die einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration oft im Weg stehen, ist lang – auch bei Menschen mit Migrationshintergrund.

Besonders komplexe Fälle werden deshalb in einer neu geschaffenen „Clearingstelle“ angegangen – problembelastete Kundinnen und Kunden können diese freiwillig in Anspruch nehmen. In dem zweijährigen Modellprojekt, das im Oktober 2016 gestartet ist, stehen zwei zusätzliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zur Verfügung, die sich der Sorgen schwieriger Kundinnen und Kunden annehmen und den Zugang zu unterschiedlichen Netzwerkpartnern ermöglichen – mit mehr Zeit und hoher Vernetzung zur breiten Trägerlandschaft im Bezirk. Das Angebot an Trägern und kommunalen Unterstützungsleistungen in Berlin und im Bezirk Mitte ist hochkomplex. In der Clearingstelle werden im Nachgang der Gespräche in der Arbeitsvermittlung die erkannten Handlungsfelder aufgegriffen – mit dem Ziel, für die Klientinnen und Klienten hier ganz individuelle Lösungen und den wirklich richtigen Ansprechpartner aus der Vielzahl an Hilfsangeboten zu finden. Es wird in der Regel immer eine konkrete Unterstützung mit an die Hand gegeben, zum Beispiel die Vermittlung an eine Schuldner- oder Suchtberatung, erläutert Kraatz. Die Clearingstelle bleibt dabei im stetigen Kontakt mit den Klientinnen und Klienten und den externen Partnern und berichtet an die zuständigen Fallbearbeiterinnen und Fallbearbeiter des Jobcenters. Die Idee: Sind erst einmal die vorgelagerten Probleme im Griff, ist eine Arbeitsaufnahme realistischer. Wird das Projekt zu einem Erfolg, könnte es auf ganz Berlin ausgeweitet werden.

Drei Frauen mit kurzen Haaren sitzen nebeneinander, die Frau in der Mitte spricht lächelnd
Manuela Lück, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Manja Kraatz, Leiterin am Standort Leopoldplatz im Wedding und Sibel Celiker, Migrationsbeauftragte des Jobcenters (v.l.n.r.) Quelle: BMAS

Familien ganzheitlich in den Blick nehmen

Einen ähnlichen Weg zur Arbeitsmarktintegration geht das Jobcenter mit einem weiteren Projekt, das im Juni 2016 an den Start gegangen ist und vorerst bis Ende 2017 läuft: Im „Familien-BG-Team“ kümmern sich fünf Integrationsfachkräfte ausschließlich um Bedarfsgemeinschaften, in denen Kinder leben und beide Elternteile mehr als sechs Monate ohne Arbeit sind. Wie in der Clearingstelle geht es uns darum, dass wir uns zuerst den Problemen annehmen, die einer Arbeitsaufnahme im Weg stehen – aber eben mit dem Fokus auf Familien mit Kindern, erklärt Manuela Lück, die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) des Jobcenters Berlin Mitte. Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem unsere Vermittlerinnen und Vermittler sich als Berater und Lotsen verstehen. Das heißt, wir holen die ganze Familie an einen Tisch, inklusive der Kinder, und schauen, wo die Probleme liegen. Dann versuchen wir, gemeinsam eine Vision zu entwickeln, wie der Weg in eine Beschäftigung aussehen könnte.

Portrait von Manuela Lück. Sie hat kurze blonde Haare und ein rundes Gesicht.
Manuela Lück, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt Quelle: BMAS

Das Besondere daran: Die Mitarbeitenden sind in ihrer Arbeitsweise frei. Sie können mit ihren Kundinnen und Kunden rausgehen, sie direkt bei potenziellen Arbeitgebern vorstellen, Einzelcoachings anbieten. Durch die enge Betreuung und hohe Kontaktdichte, die im normalen Jobcenter-Alltag nicht möglich wäre, erfahren viele Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher wieder mehr Wertschätzung, was letztlich vertrauensbildend und motivationsstärkend wirkt. Wir machen die Erfahrung, dass die Betroffenen hier offener über ihre Probleme sprechen. Wenn das geschafft ist, ist ein Anfang gemacht. So konnten wir schon Menschen in Arbeit bringen, die seit Jahren oder gar einem Jahrzehnt im Leistungsbezug waren, so Lück.

Die besondere Lage geflüchteter Menschen

Dass Menschen aber oft vor noch ganz anderen, grundlegenderen Problemen stehen, zeigt der Blick auf die geflüchteten Personen, die im Jobcenter Berlin Mitte betreut werden. Wir sehen in dieser Gruppe zwar eine hohe Motivation, arbeiten und den Lebensunterhalt selbst verdienen zu wollen. Für viele Familien ist die Frage der Wohnungssuche allerdings am drängendsten, noch vor dem Spracherwerb, erklärt Standortleiterin Manja Kraatz. Das ist kaum verwunderlich, bedenkt man, dass ein Großteil der Geflüchteten noch immer in Sammelunterkünften lebt bei einem gleichzeitig angespannten Berliner Wohnungsmarkt. Geflüchtete Frauen mit kleinen Kindern stehen darüber hinaus vor der Herausforderung, für ihre Kinder eine Kinderbetreuung zu finden, um zunächst einen Deutschkurs besuchen und später eine Beschäftigung aufnehmen zu können.

Dabei ist gerade der Spracherwerb ein entscheidendes Element, wenn es darum geht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das bestätigt auch Sibel Celiker, die Migrationsbeauftragte des Jobcenters: Deutsch zu können, ist unerlässlich, damit wir überhaupt Angebote vermitteln können, die der Kunde versteht. Genauso aber muss er die Möglichkeit haben, uns seine Bedürfnisse zu artikulieren, damit wir darauf eingehen können. Celiker, selbst in der Türkei geboren und im Alter von vier Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen, weiß, wovon sie spricht. Seit Jahren setzt sie sich in ihrer Arbeit dafür ein, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund ihren Platz in der Arbeitswelt finden.

Portrait von Sibel Celiker. Sie hat kurze graue Haare.
Sibel Celiker, Migrationsbeauftragte des Jobcenters Quelle: BMAS

Alle Möglichkeiten kennen

Celiker organisiert beispielsweise den jährlichen „Tag der Möglichkeiten – Tag der Migration“ am Standort Wedding. Auch Flüchtlinge sind explizit dazu eingeladen. Wir erleben oft, dass unsere Kundinnen und Kunden die verschiedenen Bildungswege gar nicht kennen oder bestimmte Ausbildungsberufe aus Prinzip ablehnen, weil sie sie als minderwertig empfinden. Mit unserer Messe wollen wir die Möglichkeiten aufzeigen, die Ausbildung, Studium oder zweiter Bildungsweg bieten. Und sei es nur, indem sich die Eltern informieren und das Wissen an ihre Kinder weitergeben, beschreibt Celiker ihre Motivation. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Auch Arbeitgeber haben Raum, sich auf der Messe vorzustellen und in den direkten Kontakt mit interessierten Bewerberinnen und Bewerbern zu treten. Das Konzept funktioniert. Das zeigen die Zahlen: Über 3.000 Menschen haben die Messe im letzten Jahr besucht, davon mehr als die Hälfte Flüchtlinge, denen auch hier Sprachmittlerinnen und Sprachmittler zur Seite standen.

Dass sich der Aufwand all dieser Maßnahmen und Angebote lohnt, davon ist Geschäftsführer Mania überzeugt. Wir bringen Menschen in Arbeit, und zwar so zeitnah und marktorientiert wie möglich. Dabei ist es von essenzieller Bedeutung, auch zur sozialen Integration der Menschen in den Kiezen beizutragen - indem wir sie unterstützen und ihre individuellen Probleme angehen. Hierbei fungieren meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als wesentliche Ansprechpartner und sind manchmal mehr als nur als Lotsen. Das merken wir zum Beispiel bei vielen Geflüchteten, die mit allen möglichen Sorgen und Problemen zu uns kommen, weil sie gar keinen anderen Ansprechpartner haben. Unsere Jobvermittlerinnen und Jobvermittler sind letztlich auch so etwas wie Kümmerer.

Bildgalerie

  • Ein Mann mit kurzen braunen Haaren spricht

    Lutz Mania, Geschäftsführer des Jobcenters Berlin Mitte

    Manuela Lück, Manja Kraatz , Sibel Celiker und Lutz Mania, Geschäftsführer des Jobcenters im Gespräch Quelle: BMAS
  • Portrait von Sibel Celiker. Sie hat kurze graue Haare.

    Sibel Celiker

    Sibel Celiker, Migrationsbeauftragte des Jobcenters Quelle: BMAS
  • Personen sitzen vor PCs hinter einem Tresen

    Freundliche Ansprache

    Freundliche Ansprache der Kundinnen und Kunden ist eine Selbstverständlichkeit Quelle: BMAS
  • Eine blonde Frau sitzt an ihrem Schreibtisch und spricht zu einem Mann

    Individuelle Gespräche

    Individuelle Gespräche zeigen Chancen auf Quelle: BMAS
  • Ein Mann reicht ein Papier über einen Tisch an zwei Personen

    Beratung

    Kompetente Beratung von Kundinnen und Kunden Quelle: BMAS
  • Eine Person greift in ein Hängemappenregister

    Leistungsabteilung

    Die Leistungsabteilung als zentraler Punkt im Jobcenter Quelle: BMAS
  • Portrait von Manuela Lück. Sie hat kurze blonde Haare und ein rundes Gesicht.

    Manuela Lück

    Manuela Lück, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt Quelle: BMAS
  • Drei Frauen mit kurzen Haaren sitzen nebeneinander, die Frau in der Mitte spricht lächelnd

    Manja Kraatz

    Manuela Lück, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Manja Kraatz, Leiterin am Standort Leopoldplatz im Wedding und Sibel Celiker, Migrationsbeauftragte des Jobcenters (v.l.n.r.) Quelle: BMAS